Leben und Arbeiten mit der Natur

Denke ich an Arbeit, bricht bei mir nicht unbedingt so etwas wie Freude aus. Allmorgendlich das gleiche frustrierende Ereignis: der Wecker schreit einen an, man möchte ihn nehmen und an die Wand schmeißen. Schon wieder aufstehen, und dass morgens um sechs. Und das Schlimmste kommt erst noch. Hat man sich erst einmal aus dem Bett gequält, sich frisch gemacht und relativ unentspannt eine Tasse Kaffee geleert, folgen acht Stunden gefühlte Ewigkeit in einem Job, der alles andere als eine Erfüllung ist. Und das jeden Tag, fünf Tage die Woche, und abgesehen von ein paar wenigen Tagen Urlaub das ganze Jahr über. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, arbeitet man auch noch für einen Konzern, der Milliardengewinne einstreicht, während man selbst, trotz massenhafter Überstunden, an der gefühlten oder tatsächlichen Armutsgrenze kratzt. Sicherlich ein Zustand, der nicht nur mir  gleichermaßen vertraut wie verhasst ist. Man könnte also sagen, dass Arbeit etwas grundsätzlich Schlechtes ist, ein Übel, das sich der Mensch quasi selbst auferlegt hat.

Doch gibt es für mich persönlich eine ganz bestimmte Form der Arbeit, die nicht nur Freude bereitet, sondern in vielerlei Hinsicht auch erfüllend ist. Und das Fundament dieser Erfüllung ist ganz klar Selbstbestimmtheit.

Neun Uhr morgens, so langsam wage ich mich aus meinem Bett. Und das ist auch nicht schlimm, denn es war kein Wecker, der mich akustisch aus dem Schlaf geprügelt hat. Ich stehe auf, weil mir jetzt danach ist. Nach dem Besuch des Badezimmers juckt es mich schon in den Fingern, ich habe Lust was zu tun. Nach dem Anziehen geht es ab in Richtung Werkstatt, meine Werkstatt. Der Ofen ist noch kalt, die kleinen verstaubten Fenster sind von der Nacht noch gefroren, also erst einmal Feuer machen. Die passenden Holzscheite sind im Holzlager hinter der Werkstatt und das kleinere Material zum Anzünden liegt bereits in Kisten neben dem Ofen, Schnittreste und Holzspäne vergangener Arbeiten. Und jetzt erst, wenn das Holz im Ofen zu knistern beginnt und ich meinen ersten Kaffee neben dem sich langsam erwärmenden Ofen trinke, beginnt für mich der Tag. Das Knacken und Knistern neben mir hat etwas Beruhigendes, also bleibe ich noch ein bisschen sitzen, höre dem Feuer zu und schaue mich in der Werkstatt um. Grund zur Eile besteht keiner, es gibt ja niemanden der mir sagt was ich zu tun habe und es steht auch kein Chef hinter mir, der mich zur Arbeit antreibt.

Ich schaue mich gerne in meiner Werkstatt um, das gibt mir Inspiration und neue Ideen, was ich als nächstes basteln könnte. Manchmal entdeckt man ein Werkzeug oder ein Stück Holz, das schon eine ganze Weile nicht mehr beachtet wurde, und allein durch deren Anblick entstehen gelegentlich neue Ideen künftiger Arbeiten.

Bevor es an das eigentliche Werkstück geht, gilt es das entsprechende Werkzeug wieder scharf zu bekommen. Also ist erstmal Schleifen angesagt. Im Grunde eine eintönige Arbeit, dennoch kein Grund zur Frustration oder Langeweile. Wie gesagt, ich arbeite ja nur für mich und so stören mich auch monotone Arbeiten in der Regel nicht. Das Teil, das ich mir vorgenommen habe zu bearbeiten, ist nach einem halben Tag fast fertig. Draußen hat es inzwischen angefangen zu schneien, der ideale Zeitpunkt um neues Holz zu sammeln, also Werkstück erstmal zur Seite legen und ab in den Wald.

Wenn man auf der Suche nach neuem Holz für kommende Arbeiten ist, geht man eher im Frühling oder Sommer auf die Suche. Denn der Schnee bedeckt viele der Hölzer, die als potentielle Werkstücke in Frage kommen. Nicht selten kommt es vor, dass ich nach einem Tag im Wald kein passendes Holz gefunden habe. Dennoch ist für mich der Winter die beste Zeit im Wald auf Holzsuche zu gehen, und zwar dann, wenn möglichst viel Schnee liegt. Er dämpft die Geräusche und gibt dem Wald ein märchenhaftes und mysteriöses Erscheinungsbild. Bei der Suche nach passendem Holz steht bei mir dann meist der Aufenthalt in der Natur im Vordergrund, und das Finden eines neuen, potentiellen Werkstücks ist häufig nur Zufall. Ich nehme mir Zeit die Natur zu genießen, die Arbeit ist hierbei nur Nebensache. Ein Luxus, den man sich im Auftrag eines Arbeitgebers nicht leisten kann.

Die Idee für ein neues Werkstück entsteht in der Regel nicht zu Anfang, sondern häufig  erst dann, wenn ich einen Ast mit besonderer Eigenart entdecke. Bei meinen Arbeiten versuche ich die individuelle Form der Hölzer zu erhalten. Sie besitzen eine ganz eigene Ästhetik, die durch zu viel Bearbeitung und Umgestaltung verloren ginge. Denn der Reiz von beispielsweise Stühlen, Tischen oder Lampen besteht nicht in ihrer akkuraten Akribie durch absolute Umgestaltung, so etwas bekommt man in Massenproduktionen schon von schwedischen Einrichtungshäusern geliefert. Der Reiz besteht in der Natürlichkeit des Holzes, durch Wuchsformen und Maserungen. Man sieht häufig Skulpturen aus Holz, die nur geschliffen und mit Ölen oder Lacken behandelt wurden. Bei diesen Stücken steht nicht die Umgestaltung im Vordergrund, sondern die natürliche, weitestgehend unveränderte reine Form des Holzes. Und ebendiese Formen versuche ich auch bei meinen Arbeiten zu erhalten.

Habe ich dann ein passendes Stück Holz entdeckt ist erst einmal Geduld gefragt, denn das Holz muss zuerst trocknen. Zwar lassen sich die Hölzer in feuchtem Zustand leichter bearbeiten als bei trockenem, allerding würden sich die Werkstücke mit der Zeit mehr oder weniger stark verziehen und wären dann reif für den Ofen. Generell ist Holz ein Werkstoff, der in den meisten Fällen keine Fehler verzeiht. Ein Zapfloch in falschem Winkel gebohrt, mit dem Zieheisen zu fest zugelangt oder mit dem Stemmeisen zu viel Holz weggenommen, und schon ist die Arbeit von Stunden nur noch besseres Brennholz. Umso erfüllender ist es dann aber, wenn an einem Werkstück alles geklappt hat und man ein einzigartiges Produkt geschaffen hat, mit dem man selbst zufrieden ist.

Ich habe das Glück, dass ich eine eigene Werkstatt besitze und auch die Zeit habe meiner Arbeit selbstbestimmt nachzugehen. Ich arbeite mit Holz zwar nur in meiner Freizeit, allerdings hat mir diese Art der Arbeit gezeigt, wie wichtig für mich Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit im Beruf sind, und wie sehr mich die Arbeit mit und in der Natur bereichert. Die so gemachten Erfahrungen haben mich dazu motiviert einen Beruf anzustreben, bei dem nicht das Gehalt, sondern vielmehr Interesse und Selbstbestimmtheit im Vordergrund stehen.

 

David Braner