Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde

„Juhu, endlich zu Hause!“ Ich fahre in unsere Hofeinfahrt, stelle das Auto ab und dann ab in den Stall. „Wo sind meine Jungs?“, rufe ich freudig und schnalze zweimal. Sofort werde ich mit einem warmen, freundlichen Brummeln begrüßt. Schnell zwei Möhrchen geholt und schon habe ich die zwei glücklichsten Pferde vor mir stehen. Jetzt aber schnell ins Haus - umziehen. Nach dem ganzen Prüfungs- und Abgabenstress will ich endlich bei einem ausgiebigen Ausritt die Seele baumeln lassen und entspannen. Das kam die letzten Wochen leider viel zu kurz. Zum Glück nimmt mir der Bub das nicht krumm. Ich glaube, der ist ganz froh, wenn er mit seinem Kumpel im Stall stehen darf, an seinem Heu mümmeln kann und nicht von mir gepiesackt wird.

Reithose sitzt, zwar etwas enger als sonst, was eventuell an den vielen Tiefkühlpizzen liegen könnte, die ich die letzten Tage in mich hineingestopft habe, Reitstiefel sind an, eine dicke Jacke und Handschuhe dürfen auch nicht fehlen und dann raus in die Kälte. Ich stapfe wieder zurück in den Stall, schnappe mir Halfter und Strick und zieh es meinem Bubi, El Tesoro, über die Ohren. Raus mit ihm an den Putzplatz. So wirklich motiviert sieht er ja nicht aus, wie er da hinter mir her trottet. Ich glaube, der ahnt schon, was ihm blüht. „Na toll, jetzt darf ich die Alte wieder stundenlang durch die Pampa tragen und mir ihr Gerede anhören. Kann die nicht mal selber laufen oder mich zur Abwechslung mal tragen- Gleichberechtigung und so.“ Grinsend laufe ich weiter. Wäre schon super, wenn man Gedanken lesen könnte: Was er wohl wirklich denkt?

Still¬gestanden und angebunden geht’s ans Putzen. Manchmal bin ich mir gar nicht sicher, ob ich mir da wirklich ein Pferd zugelegt habe oder ob die mir da was anderes untergejubelt haben. Heute ähnelt er mal wieder sehr einem Wildschwein - aber ich habe ja Zeit. Vom gröbsten Schmutz befreit, gesattelt und getrenst, Helm auf dem Kopf starten wir unsere Runde, entlang der Straße raus in Richtung Felder. Wie schön alles glitzert. Sofort macht sich ein Lächeln in meinem Gesicht breit und ich strahle der Sonne entgegen. Hier liegt noch richtig viel Schnee, alles ist von einer weißen Haube bedeckt - ein richtiges Winterwunderland. Auch das Pferdchen wird langsam wacher. Die Schritte werden immer schneller und schneller, da will wohl jemand Gas geben. Kommen da etwa schon die Frühlingsgefühle? Wir haben doch erst Februar. Erst mal langsam, auf den meisten Wegen ist es eindeutig zu glatt für einen Galopp.

Wenn wir so durch die Gegend bummeln, vorbei an Streuobstwiesen, über gefrorene Felder, am See entlang, kann ich einfach alle Sorgen fallen lassen. Die Natur zu beobachten, die kleinen Details, die einem im Alltag gar nicht auffallen - einfach schön. Die kleinen Vögel, die in den Sträuchern zwitschern und an den gefrorenen Beeren picken, der Wind in den Bäumen, das Plätschern des Rinnsals am See, welches im Gegensatz zum Rest nicht gefroren ist, die Enten, die übers Eis watscheln und die wundervollen Formen, die der Schnee und das Eis in der Landschaft hinterlassen. Eine Wiese sieht aus wie ein Strand. Der Schnee vom Wind zu winzig kleinen Dünen geweht, so gleichmäßig und doch jede ganz einzigartig. Überall Eiszapfen und andere tolle Gebilde. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was die Natur alles zu Stande bringt und einem doch so oft gar nicht ins Auge fällt!

Mittlerweile sind wir im Wald angekommen. Hier scheinen die Wege etwas besser zu sein. Zeit für etwas mehr Tempo. Erst im Trab den Berg hinauf, dann Vollgas im Galopp. Die Bäume rauschen rechts und links an uns vorbei, die Mähne weht im Wind, die eiskalte Luft peitscht mir ins Gesicht - das schönste Gefühl, ein Gefühl der absoluten Freiheit, macht sich breit. Ich genieße es und ich glaube, auch der Bubi hat seinen Spaß. Weiter und weiter, am besten nie mehr anhalten. Doch auf einmal reißt Tesoro seinen Kopf hoch. Da huscht etwas über den Weg. Eins, zwei, drei, vier Rehe springen direkt vor uns über den Weg. Huch, na rechts vor links kennen die anscheinend auch nicht. Zum Glück bleibt der Bubi ruhig. Wir machen trotzdem erst mal langsam. Einige Meter weiter an der Waldlichtung sehe ich schon von weitem die wilden Genossen, jetzt allerdings ganz ruhig und friedlich mit der Nase im Schnee. Obwohl wir näher kommen, schenken sie uns nur einen kurzen Blick und suchen weiter nach DER Schneeflocke im Schneehaufen. Auf gleicher Höhe mit den Rehen verharren wir einen Moment. Tesoro beobachtet sie ganz aufmerksam, man könnte fast meinen, die seien ihm unheimlich, obwohl sie ihm doch nur bis zum großen Zeh reichen.

Elefante Tiere- ähm elegante meine ich natürlich: Diese langen zierlichen Beine, das feine Köpfchen mit der großen dunklen Nase und den schönen Kulleraugen, die kleinen weißen Punkte im Fell und das witzige Schwänzchen. Genug geschmachtet, langsam wird es wirklich kalt. Auch die Sonnenstrahlen verlieren an Kraft. Ab nach Hause. Die Feldwege zurück, durch die hohen Schneeverwehungen. Schön anstrengend fürs Pferdchen. „Hopp, hopp, das gibt einen tollen Knackarsch!“, rufe ich Tesoro lachend zu. Was der sich jetzt wohl wieder denkt? „Doofe Ziege, trainier doch selber deinen Wabbelhintern!“ Zurück im Ort, marschieren wir, naja vielmehr er, die Straße zurück zum Hof. Gut durchgefroren, aber so glücklich wie schon lange nicht mehr schwinge ich mich von seinem Rücken. „Guter Bub“, schnell noch eine Möhre reingestopft. Nachdem wir Sattel und Trense wieder losgeworden sind, wird ausgiebig gekuschelt. Ich hab doch eindeutig das beste Pferd der Welt im Stall. Bevor ich jetzt aber festfriere, bring ich ihn schnell zurück zu seinem Kumpel. Feierabend. Und auch ich verschwinde mit einer heißen Tasse Tee aufs Sofa. So viel frische Luft macht müde.