Ein Tag im Outback Australiens

Riesengroß. Das ist das einzige Wort, das mir einfällt. Wirklich riesengroß, denke ich nochmal und versuche mit ganz langsamen Bewegungen meine Kamera in Position zu bringen. Auf einem toten Känguru, welches am Straßenrand liegt, sitzt ein imposantes Exemplar eines australischen Keilschwanzadlers. Er breitet seine Schwingen aus. „Ob er uns bemerkt hat“, flüstere ich leise zu meinem Vater. „Mach schnell ein Foto“, sagt er noch und in der nächsten Sekunde schwingt sich der Adler mit seinen kräftigen Flügeln in die Luft und verschwindet. Schade, denke ich. Wir strahlen bei dem Gedanken des Erlebten vor Glück und fahren weiter.

Wir befinden uns im Flinders Range National Park, mitten in Australien. Unser Ziel ist der Campingplatz, von welchem wir Touren durch den National Park starten möchten. Der Boden ist karg und von der Sonne verbrannt. Schroffe Berge und spektakuläre, tiefe Schluchten durchziehen die Landschaft.

 

Es ist heiß, 40 Grad im Schatten. Doch das ist uns egal, das gehört zum Australien-Feeling. Auch, dass die Klimaanlage nicht funktioniert. Wir fahren auf der staubigen Straße weiter. Viele würden die Landschaft als trist und eintönig beschreiben. Wir nicht! Bei genauerer Betrachtung fallen die vielen warmen Sand- und Erdtöne auf, die den Boden in den unterschiedlichsten Farben erstrahlen lassen. In der Luft hängt der Duft von Eukalyptus-Bonbons, der beim Einatmen die Atemwege befreit. Nach weiteren Fahrminuten erreichen wir den Campingplatz. Wir sind, wie so oft, alleine. Ein australischer Campingplatz unterscheidet sich in vielen Dingen von einem europäischen. Da wäre zum einen die Ruhe. Die meiste Zeit ist man für sich. Man hört weder Autos noch Menschen. Das Einzige, was man hört, ist das Rascheln von Wallabys, die auf den Plätzen nach etwas Fressbarem suchen

Das wäre dann auch schon der zweite Unterschied: Wallabys. Überall hoppeln die kleinen Säugetiere durch die Gegend. So wurden wir auch bei unserem ersten Abendessen in der australischen Wildnis von vier Wallaby-Augen aufmerksam beobachtet. Mein Papa konnte es nicht glauben und war total begeistert, als nach vollendetem Abendessen, das Wallaby doch tatsächlich den restlichen Fleischsaft des Kängurusteaks vom Grill abschleckte. Ab diesem Moment tauften wir es das „Vampirkänguru“. Ja, verfressen sind die kleinen und großen Bewohner im Busch und so passiert es schnell, wenn man nicht aufpasst, dass einem der Toast aus dem Toaster oder das Steak vom Grill geklaut wird. Auch die Sanitäranlagen unterscheiden sich zum europäischen Campingplatz. Da Australien sehr groß ist, gibt es meistens nur in den Städten ein ausgebautes Abwassersystem. Im Busch herrscht daher Plumpsklo-Idylle. Bei 40 Grad im Schatten ist das nicht immer ein Vergnügen, aber das nimmt man in Anbetracht der Abenteuer, die man im Outback erleben kann, gerne in den Kauf.

Nachdem wir einen gemütlichen Platz gefunden haben, füllen wir unsere Wasserflaschen und packen sie in unsere Rucksäcke. Wir wollen die nähere Umgebung erkunden. Ein schmaler Pfad führt an umgefallenen und verbrannten Bäumen vorbei. Es ist still und unheimlich heiß. Kein Lüftchen bewegt sich und Schatten durch Bäume gibt es kaum. Ich erkenne die ersten Schweißperlen auf dem Gesicht meines Papas. Da ich die australische Sonne schon länger gewöhnt bin als er, machen wir einen Huttausch. Ich nehme seine neon-orange Schirmmütze mit dem darauf aufgesticktem Logo der Jägervereinigung Nürtingen und im Gegenzug überreiche ich Papa meinen weißen Schlapphut mit Nackenschutz. Daraufhin geht es weiter, immer Richtung Aufstieg zur Felsformation des Wilpena Pound. Nach ein bis zwei Stunden erreichen wir endlich den Aufstieg. Um nach oben zu gelangen muss man immer wieder über große, rötliche Felsbrocken klettern, gut darauf bedacht woran man sich als nächstes festhält. Die heißen Steine bieten einen idealen Lebensraum für Schlangen, Echsen und Spinnen. Auch giftige Arten sind im Land der giftigsten Tiere nicht ausgeschlossen. Von daher gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht! Oben angekommen erkennen wir die kraterförmige Gestalt des Gebirges. Nun wird uns auch klar, warum in den Sagen der Aborigines bezüglich des Wilpena Pound, von zwei Schlangen, die sich in den Schwanz beißen, gesprochen wird. Wir wischen uns den Schweiß von der Stirn und beschließen hier oben eine kleine Pause einzulegen. Die Aussicht ist spektakulär. Papa kramt sofort sein schwarzes Fernglas aus dem Rucksack schaut wie ein Entdecker durch es hindurch. So weit das Auge reicht, sieht man nichts anderes als den roten Sandboden, der hier und da, mit ein paar Sträuchern und Eukalyptusbäumen bewachsen ist. Es muss schon seit langer Zeit nicht mehr geregnet haben, denn der Boden ist staubtrocken und verdorrt. Ich frage mich wie auf so trockenem Boden noch etwas wachsen kann. Da fällt mir auf wie durstig ich bin und ziehe die beiden Wasserflaschen für uns aus dem Rucksack. Trinken ist bei dieser Hitze enorm wichtig und ich reiche meinem Papa das kühle Nass. Nachdem wir unseren Durst gelöscht und wieder Kraft gesammelt haben, machen wir uns zum Abstieg bereit. Die Sonne im Nacken kommen wir unten im Tal wieder an. Plötzlich rennen zwei aufgeregte Emus an uns vorbei. Sie flattern mit ihren Flügeln und der Staub wirbelt unter ihren Füßen in die Luft. Ich zeige mit dem Finger auf sie und sage: „Die können wir jetzt auch in unserer Liste abhaken. “Papa nickt lachend mit dem Kopf. Kurz bevor wir wieder am Campingplatz ankommen, beginnen wir Stöcke und Äste für das Feuer zu sammeln. Auch hier muss man vor jedem Griff in ein Gestrüpp genau aufpassen, was sich unter einem Ast befindet. Aus dem Augenwinkel sehe ich gerade noch wie sich eine kleine Echse aus dem Staub macht und in den Sträuchern verschwindet.

Auf dem Campingplatz angelangt, hole ich das Gemüse, Brettchen und Messer heraus, während mein Papa das Fleisch zum Grillen vorbereitet. Im Anschluss zerbrechen wir die gesammelten, trockenen Äste und machen ein kleines Feuer auf der dafür vorgesehenen Feuerstelle. In Australien befindet sich am Feuerplatz immer ein Grill in einer Stahlverankerung, welche an der Feuerstelle angebracht ist. Leise knistert und flackert das Feuer vor sich hin. Mein Papa und ich setzen uns in unseren grünen Campingstühlen gemütlich davor. „Das nenne ich Urlaub“, sagt Papa und schlürft genüsslichen an seinem Wein während er sich langsam in seinen Stuhl sacken lässt. So sitzen wir eine Weile und sehen dem Farbenspiel am Himmel zu. Die Farben ändern sich langsam vom kräftigen blau des Tages in ein zartes rosa. Auch die Bäume verändern ihre Farbe und als das Licht fast vollkommen verschwunden ist haben wir endlich genügend Glut zum Grillen von Gemüse und Fleisch. Ich decke den Tisch und schneide das Brot in dicke Scheiben. Das lecker und saftig gegrillte Fleisch sowie das Gemüse genießen wir gemeinsam unter dem australischen Himmel. Outdoor-Feeling pur. Es dauert nicht lange und wir bekommen von Wallabys und zwei schwarz-weißen, aufdringlichen Magpies Besuch. Immer wieder hüpfen die Vögel zwischen die Füße um die Krümel vom Boden zu picken. Die Wallabys warten hingegen ab bis wir ihnen den Rücken zuwenden. Nach dem Essen machen wir mit Stirnlampen bewaffnet den Abwasch und freuen uns über diesen weiteren, wunderschönen Tag im Outback von Australien. Nach getaner Arbeit sitzen wir noch einige Zeit gemeinsam vor dem Feuer und genießen die Freiheit. Hier und da hört man ein Rascheln oder das Zirpen irgendwelcher Insekten. Nach einiger Zeit ist das Feuer runtergebrannt. Zur Sicherheit kippe ich noch das Abwaschwasser auf die übrig gebliebene, aber immer noch heiße Glut. Dann räumen wir Tisch und Stühle unter den Campingbus und kriechen in unsere Schlafsäcke. Ich sage meinem Papa Gute Nacht, höre noch wie er leise zurück murmelt, und schlafe zufrieden und glücklich ein.