Umweltschutz als Systemwandel begreifen

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Prof. Dr. Barna Heidel und HfWU-Studiendekanin Prof. Dr. Mirijam Gaertner mit den Preisträgern Saba Wondafrash, Paul Burkhardt und Simon Wunsch (von links).

- Fachtagung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen (HfWU) blickt zurück und voraus auf Themenfeld Umweltschutz; 30 Jahre Masterstudiengang Umweltschutz -

NÜRTINGEN (hfwu). Vier Hochschulen in der Region Stuttgart tun sich für den gemeinsamen Studiengang Umweltschutz zusammen. Diese so außergewöhnliche wie erfolgreiche Kooperation geht jetzt ins vierte Jahrzehnt. Für den Masterstudiengang ein Grund zu feiern und einen Rück- und Ausblick auf das Fachgebiet vorzunehmen.

Vor 30 Jahren gründeten die Hochschule für Technik Stuttgart (HFT), die Hochschulen Esslingen, Reutlingen und die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) den Masterstudiengang Umweltschutz. Anlässlich des Jubiläums stand der „Umwelttag“, die Fachtagung des Studiengangs, in diesem Jahr unter dem Titel „Umweltschutz 1989 – 2019 – 2049“. Prof. Dr. Andreas Frey, der Rektor der HfWU, erinnerte in seiner Begrüßung zu der Veranstaltung in Nürtingen an die sich inhaltlich sehr gut ergänzenden Schwerpunkte der einzelnen Hochschulen.

Den Festvortrag hielt Helmfried Meinel. Der Earth Overshoot Day, so eine Warnung des Ministerialdirektors im Landesumweltministerium, finde immer früher statt. Der „Erdüberlastungstag“ ist der Tag, an dem der Mensch im laufenden Jahr mehr nachwachsende Ressourcen verbraucht hat, als die Erde reproduzieren kann. 1990 war das der 7. Dezember, 2010 der 21. August. In diesem Jahr ist es bereits der 29. Juli an dem die ökologische Belastung der Erde einen möglichen Ausgleich überschritten hat. „Wir leben mehr denn je über unsere Verhältnisse“, so Meinel. Dies sei aber keine Bankrotterklärung an die Umweltpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Als Erfolge nannte Meinel unter anderem den Gewässerschutz, Renaturierungen, den Schutz der Moore, die Etablierung von Biosphärengebieten und Naturschutzgebieten und den Rückbau der Kernenergie.

Problematisch sei allerdings nach wie vor der Straßenverkehr. In diesem Bereich seien die klimaschädlichen Emissionen auf dem gleichen Niveau wie vor Jahrzehnten. Das Grundproblem sieht Meinel „in der nicht nachhaltigen Art und Weise wie wir wirtschaften“. Die Aufgabe von Politik, und Umweltpolitik im Besonderen, sei das damit verbundene Dilemma zu lösen: „Zurzeit kann nur diese nicht nachhaltige Wirtschaftsweise eben die Ressourcen bereitstellen, die nötig sind, um die ökologischen Schäden zu reparieren, die dieses Wirtschaften verursacht.“ Eine Ökonomie und ein auf Konsum beruhender Lebensstil mit dem die Lebensgrundlagen zerstört werden sei zutiefst unethisch. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma sei die Dekarbonisierung – Prozesse, bei denen CO2 freigesetzt wird zu ersetzen mit solchen, bei denen dies unterbleibt oder kompensiert wird. „Wer, wenn nicht wir, das Land der Tüftler und Denker, kann dafür die notwendigen Technologien entwickeln“, ist der Ministerialdirektor überzeugt. Die Politik müsse ordnungsrechtlich den Rahmen dafür schaffen, Preise die tatsächlich entstehenden ökologischen Kosten abbilden. Vor diesem Hintergrund sei Umweltpolitik zwingend auch Wirtschafts- und vor allem Zukunftspolitik.

Prof. Dr. Wolfgang Honnen zeichnete in seinem Referat die historische Entwicklung des Themenfelds Umweltschutz nach, vom Beginn der Umweltbewegung in den 60er- und 70er-Jahren bis zu den heutigen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Zudem öffnete der Studiendekan der Hochschule Reutlingen den Blick auf globale Zusammenhänge. So habe unsere Konsum- und Wirtschaftsweise direkten Einfluss auf die Umwelt in Entwicklungsländern. Wenn etwa Elektroschrott dorthin verbracht und unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen weiterverarbeitet wird.

Prof. Dr. Barna Heidel skizzierte, wie künftig Umweltschutz verstanden werden sollte. „Umweltschutz muss integraler Bestandteil von jeglichem politischen und gesellschaftlichen Handeln werden“, so der Appell des Studiendekans der Hochschule Esslingen. „Wir stehen an einem Scheideweg, noch aber haben wir es in der Hand.“ Es genüge nicht, an Stellschrauben in einzelnen Bereichen zu drehen. „Wir müssen die Herausforderungen im Umweltbereich als systemischen Wandel im Ganzen begreifen“, fordert der Wissenschaftler. Über die Studiendekane hinaus gab es zudem Beiträge von Studierenden und Absolventen des Studiengangs.

Traditionell werden im Rahmen des „Umweltages“ die „Umweltpreise“ des Informationszentrums Beton GmbH an Absolventen des Studiengangs verliehen. Sie gingen in diesem Jahr an Saba Wondafrash und Simon Wunsch. Paul Burkhardt erhielt einen Preis vom Hochschulbund der HfWU.