Therapieform und innerer Ausdruck

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Eine der diesjährigen Abschlussaufführungen im Studiengang Theatertherapie.

- erste Theatertherapie-Absolventen an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen -

NÜRTINGEN (hfwu). Mit dem Ende des Sommersemesters haben neun Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) ihr Bachelor-Studium Theatertherapie abgeschlossen. Sie sind die ersten Absolventen des vor vier Jahren gegründeten Studiengangs. Der Nürtinger Studiengang ist in Deutschland das einzige Angebot einer akademischen Ausbildung für Theatertherapeuten. Ein Rück- und Ausblick auf die Entstehungsgeschichte und künftige Pläne des Programms.

Über sieben Jahre war der nun erste Absolventenjahrgang in Planung. Gedanken für einen Studiengang in Theatertherapie machte man sich an der ehemaligen Nürtinger Hochschule für Kunsttherapie (HKT) erstmals im Jahre 2012 zum 25-jährigen Jubiläum. „Wir wollten nicht ausschließlich zurück- sondern auch nach vorne blicken“, erinnert sich Prof. Johannes Junker, damals Rektor der HKT und heute Dekan des Studiengangs Theatertherapie an der HfWU.

Junker, der bereits mehrere Jahre an der niederländischen Hochschule Arnheim und Nimwegen unterrichtete, kam im Jahr 2010 nach Nürtingen, mit dem Ziel das Studienangebot der HKT um das Angebot der Theatertherapie zu erweitern. „Wir entwarfen ein Curriculum das Elemente der HKT und der Hochschule Arnheim und Nimwegen verband, die Akkreditierung erhielten wir im Jahr 2016.“ Im gleichen Jahr startete der deutschlandweit erste Theatertherapie Studienjahrgang mit zwölf Studierenden.

Unterstützung erhielt Junker in dieser Zeit von Ingrid Lutz, vom Deutschen Institut für Theatertherapie (ITT), die als Vertretungsprofessorin den ersten Studienjahrgang mit begleitete. „Wir wollten mit zwölf Studierenden beginnen und dann langsam in den kommenden Jahren die Anzahl erhöhen. Die Werbung für den ersten Jahrgang war sehr intensiv“, erinnerte sich Junker an die Anfangszeit.

Während Kunsttherapie inzwischen für die meisten Menschen ein Begriff ist, ist Theatertherapie, zumindest in Deutschland, für viele ein noch unbeschriebenes Blatt. Tatsächlich ist der Studiengang, der sich nun im vierten Jahrgang befindet, in Deutschland immer noch einzigartig. Das Institut für Theatertherapie bietet zwar eine berufsbegleitende, dreijährige Ausbildung an, doch einen akademischen Abschluss konnte man vor 2016 in diesem Feld nicht bekommen. Katrin Röhlig, Absolventin des ersten Jahrgangs, kam genau aus diesem Grund nach Nürtingen. „Die akademische Qualifikation war und ist mir wichtig.“

Johannes Junker, der deutschlandweit die einzige Professorenstelle für Theatertherapie innehat, erhofft sich durch den Studiengang Schritt für Schritt eine Forschungskultur in der Theatertherapie aufzubauen und zu etablieren. „Staatliche Forschungsgelder werden ausschließlich akademischen Fächern zugeteilt. Nun können wir davon auch profitieren.“

Neben dem wissenschaftlichen Schwerpunkt des Studiums werden die Studierenden aber auch immer wieder künstlerisch gefordert. Der derzeitige zweite Jahrgang beispielsweise führte vor kurzem sein großes Jahresprojekt „Ein Lichter Raum Namens Tag“ auf und auch die Absolventen präsentierten sich im Sommersemester mit ihren eigenen Stücken in Nürtingen im Theater des Schlosskellers der Öffentlichkeit.

Besonders am Theater der Nürtinger Theatertherapeuten ist, dass sie in ihrem Schauspiel immer auch persönliche Geschichten und Erfahrungen mit einfließen lassen, sodass ein sehr persönliches Theater entsteht. Stefan Hämmerling, einer der zwei männlichen Absolventen des ersten Jahrgangs, bearbeitete beispielsweise in seinem Stück „Survival of the fittest?“ die Themen Mobbing und Selbstmord, aus seiner ganz eigenen Perspektive und geprägt von seinen eigenen Erfahrungen.

Den diesjährigen Absolventen steht nun eine vielgestaltige Suche nach Arbeitsangeboten vor, denn ein klar definiertes Berufsfeld „Theatertherapie“ gibt es in Deutschland noch nicht. „Die Absolventen können sich auf Angebote der Musik-, Kunst- und Tanztherapie bewerben oder aber im Bereich der Sozial-, Geflohenen- und Migrantenarbeit“, meint Professor Junker zu den Bewerbungschancen der frischen Theatertherapeuten. Katrin Röhlig hat bereits einen festen Arbeitsplatz: „Ich arbeite im Strafvollzug und in einer Klinik als Theatertherapeutin.“

Ähnlich wie die weiteren Wege der Absolventen bleibt auch die Zukunft ihres noch jungen Studiengangs spannend. Studiendekan Junker hat jedenfalls noch viele Pläne: „Wir wollen weitere Lehrstellen schaffen und Drittmittelgelder für spezifische Theatertherapieforschung sichern.“ Auch ein jährliches Theatertherapiefestival ist in Planung ebenso wie eine engere Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen im Ausland wie zum Beispiel der Hogeschool Utrecht oder der New York University. Derzeit stellen sich rund 20 Bewerber der theatertherapeutischen Aufnahmeprüfung, um im Herbst ihr Studium der Theatertherapie an der HfWU zu beginnen. Auch das ist Teil der Planung, so Junker. „Wir wollen weiter so tolle Studierende gewinnen!“