Vorreiter auf dem Promotionstrack

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zwei Portraitfotos

Die Tandem-Professorinnen Katharina Hums und Katrin Röhlig (r.). (Foto: HfWU)

Hochschule besetzt sechs Tandem-Professuren; von den ersten Erfahrungen berichten eine Gesundheitspsychologin und eine Theatertherapeutin

NÜRTINGEN (hfwu). Die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) ist landesweit die erste und aktuell einzige Hochschule, die im Rahmen von Tandem-Professuren Nachwuchsaufbau in einem so genannten Promotionstrack umsetzt – und das gleich mit sechs Stellen. Als Tandem-Professorinnen bereits gestartet sind die Gesundheitspsychologin Katharina Hums und die Theatertherapeutin Katrin Röhlig.

Das Format der Tandem-Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) ist ein recht seltenes Angebot. Nur sechs Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, setzen das Modell um. In Baden-Württemberg wiederum sind es nur zwei HAWen, die das neue Format aktuell anbieten. Vergleichbar sind die Tandem-Professuren, die sich an Nachwuchswissenschaftler:innen richten, mit den Juniorprofessuren an Universitäten.

Dabei wird das Format nicht ganz uneigennützig installiert, denn oft gelingt die Nachbesetzung von Professuren in neu ausgerichteten oder seltenen Fachprofilen an einer HAW nur schwer oder gar nicht. Die Transformation der Hochschullandschaft und -lehre erfordere auch den Gedanken, sich als HAW mehr um professoralen Nachwuchs zu kümmern, um die Fachinhalte und Lehrprofile der Zukunft anbieten zu können, so Prof. Dirk Stendel, Prorektor für Studium und Lehre der HfWU.

Eine Vorreiterrolle spielt die HfWU bei den Tandem-Professuren in doppelter Hinsicht. Sie ist nicht nur eine der beiden Hochschulen in Baden-Württemberg, die diesen Einstieg Nachwuchswissenschaftlern ermöglichen. Sie ist zudem die einzige, die das Format im Promotionstrack aktuell anbietet. Das heißt, mit der Tandem-Professur ist neben der Lehre an der Hochschule und der Tätigkeit in der Praxis auch ein Stellenanteil für Forschung und das Verfassen einer Doktorarbeit vorgesehen.

Der Grundgedanke der Tandem-Professur ist, potenziell geeigneten Kandidaten, denen jedoch noch eine Einstellungsvoraussetzung als Professorin oder Professor fehlt, einen Weg zur Vollzeitprofessur an einer HAW zu ermöglichen.  Die Voraussetzungen sind neben einem Hochschulabschluss auf Masterniveau auch Berufserfahrung, Lehrerfahrung und die wissenschaftliche Qualifikation, welche üblicher Weise durch eine Promotion nachgewiesen wird. Die Professur kann durchaus auch ein zweiter oder dritter Karriereweg sein. Die Tandem-Professur ist also eine Professur auf Zeit.  

An der HfWU wird die Umsetzung der Tandem-Professuren vom Projekt Gewinnung, Bindung und Entwicklung professoralen Personals (GeBindE) begleitet und unterstützt. Das Projekt wird im Rahmen der Bund-Länderförderung FH-Personal des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) in der Förderlinie FH-Personal in einer fünfjährigen Laufzeit gefördert.

Der organisatorische Aufwand ist für beide Tandem-Partner, den Praxispartner und die Hochschule, hoch – dort die Integration in die Firma, hier in die Hochschulstrukturen. Gute und sensible Abstimmungen zwischen dem jeweiligen Praxispartner und der Hochschule sind deswegen essenziell. Begleitende Verträge, Evaluationen und regelmäßige Zwischenergebnisse mit professoralen Tandem-Kolleg:innen und ihren Praxispartnern sind deswegen vorgesehen. All dies wird nun an der HfWU mit Leben gefüllt.

Im März 2025 sind zwei Tandem-Professorinnen im Promotionstrack an der Hochschule gestartet, die Gesundheitspsychologin Professorin Katharina Hums und die Theatertherapeutin Professorin Katrin Röhlig.

„Die Tandem-Professur erleichtert für mich definitiv den Weg zur Professur“, sagt Katharina Hums. Als Tandem-Professorin für Gesundheitspsychologie lehrt und forscht sie seit dem vergangenen Sommersemester am Standort Geislingen (Steige) der HfWU. Das Konstrukt der Tandem-Professur sieht eine Aufteilung der Arbeitszeit von mindestens 51 Prozent in der hauptberuflichen Praxis, und 40 Prozent an der Hochschule vor. Die verbleibende Zeit dient im Promotionstrack dem Erreichen der wissenschaftlichen Qualifikation, wobei sich zwischen den einzelnen Arbeitsbereichen oft Synergien ergeben. Das Laufzeitende der Tandem-Professuren ist im Februar 2029.

Im Rahmen der hauptberuflichen Praxistätigkeit arbeitet Hums bei der Salo und Partner GmbH in Ulm im Bereich der beruflichen Reha für psychisch kranke Menschen. Dort ist sie als Dozentin und Coach tätig und unterrichtet unter anderem Gesundheitsförderung. „So ergeben sich Schnittmengen, von denen beide Seiten profitieren“, berichtet die Wissenschaftlerin. Dreigleisig unterwegs zu sein mit Praxisjob, Professur und Doktorarbeit „ist sportlich, aber machbar“, berichtet Hums. Es habe am Anfang einige Wochen gedauert, die verschiedenen Aufgaben im Tages- und Wochenablauf zu strukturieren, aber nun haben sie ihren festen Platz und lassen sich gut bewältigen. Sie war bereits zuvor im Gesundheitsmanagement tätig. Außerdem hat sie im ersten Jahrgang des hochschulübergreifenden HAWKarriere-Mentoringprogramms teilgenommen, das das Projekt GeBindE mit angestoßen hat. Das einjährige Programm dient dazu, Nachwuchswissenschaftler:innen karrierebezogen und ergebnisoffen Orientierung zu geben und bei Bedarf auf dem Weg zur Vollzeitprofessur zu unterstützen. Hums ist daher zugleich eine der ersten Teilnehmer:innen des Programms, die erfolgreich eine professorale Laufbahn beschritten haben. Vom Nutzen der Tandem-Professur ist Hums überzeugt.

„Mit der Tandem-Professur ist die super Chance verbunden, in das Arbeitsfeld einer Hochschulprofessorin reinzuschnuppern“, sagt Katrin Röhlig. Dieses Format ermögliche es ihr, fundiert entscheiden zu können, wie es weitergehen soll, wenn die Doktorarbeit abgeschlossen ist, so die Theatertherapeutin. In ihrer Promotion an der Uni Duisburg-Essen untersucht sie, wie Theatertherapie in der Nachsorge von Krebspatientinnen wirkt. Im Rahmen der Tandem-Professur ist sie zudem am Klinikum Christophsbad in Göppingen tätig. Röhlig hat mehrjährige Berufserfahrung im klinischen Kontext mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie im künstlerisch-pädagogischen Feld.

„Ich freue mich sehr über die Möglichkeit, im Rahmen der Tandem-Professur meine praktische Tätigkeit in der Klinik mit den Feldern Forschung und Lehre an der Hochschule zu verknüpfen“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Ein besonderes Anliegen ist mir, die Theatertherapie sowohl berufspolitisch als auch wissenschaftlich weiterzuentwickeln.“ Ihr Ziel sei es, diese Therapieform stärker zu verankern und ihre Anerkennung zu fördern. „In anderen Ländern ist das bereits gelebte Praxis – und ich bin überzeugt davon, dass auch hierzulande noch viel Potenzial dafür besteht“, so die Therapeutin. Als Professorin fühle sie sich mit dem GeBindE-Team an der HfWU sehr gut betreut. Konkret gibt es für Tandem-Professor:innen Unterstützung mit Fortbildungskursen in vielen praktischen Fragen, so konnte sie am Onboarding-Programm der Hochschule zur Einführung neuer Lehrkräfte teilnehmen und erhielt Unterstützung bei der Bewerbung für ein Mentoring-Programm.

Mittlerweile hat die HfWU noch weitere vier Tandem-Professuren erfolgreich installiert.  Sie nehmen zum kommenden Wintersemester ihre Professuren auf, in so unterschiedlichen Bereichen wie Leadership und Coaching, Künstliche Intelligenz in der Unternehmenspraxis, Organisationspsychologie und Organisationsentwicklung und eine zweite Professur in Theatertherapie. Etwas überraschend auch für die Hochschule: die Professuren wurden durch weg mit Frauen besetzt.

An der HfWU steht das Tandem-Professur-Format aufgrund der Neuartigkeit stetig auf dem Prüfstand. Eine solche Professur ist dann gelungen, wenn in der an der HfWU vorgesehenen Laufzeit der Professur auch der Abschluss der Promotion bewerkstelligt werden konnte. Die Verantwortlichen an der Hochschule sind überzeugt, dass dies ein erfolgversprechendes transfergeleitetes Karrieremodell ist, bei dem alle Beteiligten voneinander lernen und profitieren. Im Verlag der Hochschule Hannover erscheint in Kürze frei zugänglich ein Sammelband mit einem ausführlichen Bericht der HfWU zur Tandem-Professur im Promotionstrack.

 

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