NÜRTINGEN (hfwu). Das Thema „Land- und Ernährungswirtschaft im gesellschaftlichen Wandel“ stand bei einem internationalen Forum an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen im Fokus. Vertreter aus Politik, Betrieben und Wissenschaft kamen zu Wort.
Klimawandel, Digitalisierung, ein sich wandelnder Konsum, steigenden Erwartungen an die Agrarwirtschaft. Die Herausforderungen an die Branche sind enorm, so HfWU-Professor und Mitorganisator der Tagung, Dr. Jürgen Braun. Wie dem begegnet und konkrete Zukunftsperspektiven entwickeln werden können, das war das Grundanliegen des „10. Hochschulforum – Ökonomie und Innovation in der Agrar- und Ernährungswirtschaft“, das von der HfWU in Nürtingen ausgerichtet wurde. Zu der Tagung kamen über zweihundert Teilnehmende aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sowie viele Studierende von Agrar-Hochschulen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum.
„Das Verständnis für die heimische Landwirtschaft nimmt rapide ab“, so Hans-Benno Wiechert im ersten von drei Impulsvorträgen. Der Vize-Präsident des Landesbauernverbands Baden-Württemberg skizzierte die vielfältigen regionalen und globalen Interessens- und Wettbewerbszusammenhänge, in denen sich die Branche befindet. Seine Vision für die Zukunft fasste Wichert mit den Worten zusammen, „die Politik muss Rahmenbedingungen setzen, die es ermöglichen, dass sich Betriebe entlang der regionalen Bedürfnisse entfalten können – dazu ein bewusster Verbraucher, der die heimischen Lebensmittel nicht nur schätzt, sondern auch kauft“.
Dass dies tatsächlich noch nicht im erforderlichen Maß der Fall ist, bestätigte Friedrich Büse. „Die Konsumenten stellen hohe Ansprüche an die Qualität von Lebensmitteln, den Umweltschutz und das Tierwohl. Werden sie aber gefragt, was sich an Lebensmitteln ändern müsste, dann wird an erster Stelle ein günstigerer Preis genannt.“ Der ausgebildete Fleischer, Gründer und Chef der Firma Irodima Holding hält es für falsch, an einem Reinheitsgebot-Denken festzuhalten. „Ernährungsphysiologisch macht es absolut Sinn, Proteine aus Fleisch und Pflanzen in einem Produkt zusammenzubringen.“ Zudem hält er eine Stärkung der Eigenversorgung für unverzichtbar. „Wir können in Europa alles erzeugen, was wir für eine gute Ernährung brauchen“, ist der Unternehmer überzeugt.
Wie verlaufen Diskurse in diesem Themenfeld, was können wir grundsätzlich über zukünftige Entwicklungen und Transformation sagen, das war Thema von Jan Grossarth. „Was wir über Zukunft sagen, ist immer ein Spiegel der Zeit“, so der Professor von der Hochschule Biberach, „so wie wir vor zehn Jahren über die Zukunft gesprochen haben, so ist sie heute nicht.“ Transformation sei träger als generell angenommen. „Jeder, der das macht, was er heute macht, tut das, weil es ist erfolgreich ist und auch das bestehende System ist Teil dieses Erfolgs“, so der ehemalige FAZ-Journalist. Zu diesen Beharrungskräften gehöre etwa auch die kulturelle und symbolische Aufgeladenheit von Fleischkonsum. Fleisch stehe auch für Tradition und eine Rückbesinnung auf alte Werte – gerade in Zeiten von Verunsicherung spiele das eine Rolle. Den allgemeinen wie wissenschaftlichen Öko-Diskurs verortet der Experte für Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft in einem Zwischentief. Für Jugendliche, so sein Befund, seien derzeit Krieg und Armut wichtiger als Öko-Themen. Einkommensschwache sieht er „für eine ethische Debatte in der Landwirtschaft verloren“.
Nach den Impulsvorträgen fanden in kleineren Gruppen weitere Vorträge und Diskussionsrunden statt, etwa zu Nachhaltigkeitsperspektiven für landwirtschaftliche Unternehmen, gesellschaftliche Perspektiven landwirtschaftlicher Vermarkung und zu Natur- und Klimaschutz in der Landwirtschaft.