„Russland in der Falle“ – Friedensforscher an der HfWU

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Vortrag zum Ukraine-Krieg an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU)

Sorgt der Krieg in der Ukraine für eine neue Weltordnung? Prof. Dr. Andreas Hasenclever im Studium generale der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

Russland sitzt in der Falle – in der „Thukydides-Falle“ nämlich, so die These von Prof. Dr. Andreas Hasenclever im Studium generale der HfWU bei seinem Vortrag „Ukraine-Krieg – Zukunft der Internationalen Ordnung?“. Hasenclever ist Konflikt- und Friedensforscher und Professor für Friedensforschung und Internationale Politik an der Universität Tübingen. Die Thukydides-Falle bezeichnet eine Situation, in der eine Großmacht sich durch andere Mächte abgehängt sieht. Was Putin und sein Regime bedrohen, seien allerdings nicht die NATO, sondern der globale Wandel, der das Land zum Globalisierungsverlierer mache und zu einer immer größeren Kluft zwischen eigenem Anspruch und Wirklichkeit führe. Während der internationale Trend nach dem Ende des Kalten Krieges hin zu Globalisierung, Demokratisierung, Multilateralismus und Rüstungskontrollen und dadurch mehr Sicherheit führte, zeichnet sich Russland seit Jahren durch eine schwache wirtschaftliche Entwicklung, eine Zunahme der Autokratisierung und steigende Rüstungsausgaben aus. Der globale Trend geht jedoch zurück: Bis 2011 gab es eine Steigerung der internationalen Ordnung, seitdem hat sich die Lage wieder verschärft. Russland versuche den globalen Wandel durch militärische Stärke zu stoppen – der Versuch, militärisch zu retten, was wirtschaftlich nicht erreicht worden ist. Dabei sei eine Rechnung allerdings nicht aufgegangen: Statt sich in Uneinigkeit selbst zu unterminieren, habe der russische Angriffskrieg den Westen gestärkt, so Hasenclever. Im gleichen Maße wie Russland die liberale Weltordnung durch die Covidpandemie, den Brexit oder die Migrationskrise geschwächt sehe, überschätze es seine eigenen Fähigkeiten in puncto Führung, Motivation und Logistik. Als „russischen Anachronismus“ bezeichnet Hasenclever die Situation Russlands: „Russland war keiner militärischen Bedrohung ausgesetzt, hätte dies aber gerne – nämlich um den Angriffskrieg als Selbstverteidigung, humanitäre Intervention und im Sinne der territorialen Integrität zu rechtfertigen.“ Als Profiteur aus dem Konflikt gehen China hervor, die von Russland mit Energie versorgt werden, ebenso wie das System der autokratischen Herrschaft.

Mit seinem Vortrag passt Hasenclever gut ins Semester-Programm des Studium generale. „Ideen und Lösungsansätze für Frieden und Zusammenhalt“ lautet das übergeordnete Thema. Die Weltgemeinschaft habe sich 2015 dazu entschlossen Frieden als sechzehntes Ziel in die Sustainable Developement Goals aufzunehmen als unabdingbare Voraussetzung für eine Nachhaltige Entwicklung, erklärt Prof. Dr. Christian Arndt in seiner Einführung. Davon sei man global aber weit entfernt: 55 bewaffnete Konflikte gebe es derzeit weltweit und noch höher sei die Anzahl an Bürgerkriegen. Verschärft werde die weltweite Lage noch durch die Coronapandemie und die Klimakrise. Welche Lösungen gibt es nun für den Krieg zwischen der Ukraine und Russland? In der Forschung, so Arndt, seien die Aussichten auf ein baldiges Kriegsende eher düster. Hasenclever setzt auf eine Verhandlungsfrieden und sieht den Westen in der Verantwortung: Fehler und Überheblichkeit hätten den Angriffskrieg begünstigt. Die nun entstandene Einigkeit des Westens müsse dazu genutzt werden, Gewalt auf globaler Ebene dauerhaft einzuschränken. Dazu müsse sich der Westen mehr engagieren und gegen Globalisierungsprobleme wie die Klimakrise, soziale Fragen und die globale Migration  vorgehen.

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