„Wir müssen endlich ins Tun kommen“

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Prof. Dr. Claudia Kemfert (Foto: Reiner Zensen)

- Energieökonomin Prof. Dr. Claudia Kemfert an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) im Studium generale; Vorab-Interview -

NÜRTINGEN (hfwu). Claudia Kemfert gehört zu den renommiertesten Wirtschaftswissenschaftlerinnen im Land. In der kommenden Woche spricht die Energieökonomin im Rahmen des Studium generale an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Ihre These: Wirtschaftskrise, Energiekrise und Klimakrise können mit der gleichen Strategie bewältigt werden. Fragen an die Expertin vom Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dazu vorab.

Mit dem Titel Ihres neuen Buches sind eine Reihe von Appellen verbunden: "Mondays For Future: Freitag demonstrieren, am Wochenende diskutieren und ab Montag anpacken und umsetzen". Klimawandel und Klimaschutz sind hochkomplexe, langwierige Prozesse – überfordern Sie die Menschen mit solchen Appellen nicht?

Im Gegenteil: In diesem Buch finden sich über 120 Fragen und Antworten, die kurz und knapp die komplexen Sachverhalte veranschaulichen. Außerdem zeigt es über 50 Möglichkeiten, wie jeder und jede beim gemeinschaftlichen Klimaschutz anpacken kann. Jenseits von Konsumentscheidungen, Klimaschutz gibt es nicht im Supermarkt. Jeder kleine Beitrag zählt.

Im Grunde wissen wir seit Jahrzehnten, dass der Klimaschutz zu den dringlichsten Problemen gehört. So sehr Wissen und Einsicht weiter gewachsen sind, so wenig hat sich das Verhalten der Menschen geändert. Warum sind Sie optimistisch, dass sich das nun wandeln könnte?

Als Energie-Ökonomin stecke ich seit zwanzig Jahren tief in den Fachdiskussionen und operiere täglich mit detaillierten Daten und komplexen Methoden. Zusammen mit zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern wir als Energie-Ökonomen Fakten und Modelle für eine klimagerechte Zukunft. Ich habe mir bei dem Thema Klimawandel, das so viele Menschen in Angst und Panik versetzt, den Optimismus auf die Fahne geschrieben. Martin Luther Kings berühmtester Satz heißt ja auch nicht „I have a nightmare“, sondern „I have a dream“. Träume geben Kraft. Zukunft braucht Zuversicht. Doch mit Träumen allein ist nichts gewonnen. Wir müssen handeln, wir müssen machen, wir müssen endlich ins Tun kommen.
Derzeit sind es vor allem die Zivilgesellschaft und die Jugend, die mit Mut, Herz und Entschlossenheit immer stärker vorangeht.  Und in allen Bereichen von Politik und Gesellschaft gibt es immer mehr Menschen, die sich für eine klimagerechte Zukunft stark machen. Sie alle haben unterschiedliches Vorwissen, unterschiedliche Erfahrungswelten und müssen doch zusammenfinden.
 
„Anpacken und umsetzen“ – was sind Ihre Favoriten, wo im Alltag ist es am effektivsten sein Verhalten zu ändern?

Wie wäre es, in der Familie zu verabreden, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten – und dafür eine Art Vertrag abzuschließen? Wie wäre es, wenn das Unternehmen, die Organisation, die Universität, die Schule, also der Ort, wo man sich regelmäßig aufhält und arbeitet, sich entschließt, die eigenen Emissionen zu reduzieren? Wie viele Fahrradstellplätze gibt es in welcher Qualität? Wie sind die Wege zur nächsten Bus- oder Bahnhaltestelle? Gibt es Beschäftigte, die einen Zuschuss für ihr E-Bike, die ÖPNV-Monatskarte oder eine BahnCard bekommen? Wie sieht der Energieausweis für euer Gebäude aus? Habt ihr Sonnenkollektoren auf dem Dach oder einen Wärmepumpenboiler für die Warmwasseraufbereitung? Könnte man bei der Heizung auf Fernwärme umsteigen? Könnte man die Büroräume effizienter nutzen? Und so weiter. Wenn man anfängt, die Augen aufzumachen, wirst man schnelle feststellen, an wie vielen Stellen Geld in die fossile Vergangenheit gesteckt wird und an wie vielen Stellen Potenzial für eine nachhaltige Zukunft ist. Und wo Veränderungen nötig sind.

 

Prof. Dr. Claudia Kemfert spricht am 17. November (19 Uhr) an der HfWU zum Thema „Mondays for Future: Wie wir drei Krisen mit einer Klappe schlagen können: Wirtschaftskrise, Energiekrise, Klimakrise“. Ein Grußwort kommt von der Klimaschutzmanagerin der Stadt Nürtingen, Tamara Fischer.

Anmeldung zu dem virtuell durchgeführten Vortrag unter www.hfwu.de/studium-generale

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