Veränderter Konsum für eine andere Landwirtschaft

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Eine klimagerechte Landwirtschaft ist möglich. Dabei helfen auch moderne Methoden und innovative Technik. Im Bild ein mit Kamera und Sensor gesteuerter Jätroboter auf dem landwirtschaftlichen Lehr- und Versuchsbetrieb Tachenhausen der HfWU.

- HfWU Professorin als Sachverständige in Berlin -

NÜRTINGEN (hfwu/üke). Die Professorin Dr. Carola Pekrun, Agrarwissenschaftlerin an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), fordert ein verändertes Konsumverhalten. Nur dann kann die Landwirtschaft einen positiven Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der Artenvielfalt leisten. Dazu sprach sie als Sachverständige beim Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft im Landwirtschaftsministerium in Berlin.

„Nach Corona wird Vieles anders sein“, dieser oder ein ähnlicher Satz findet sich derzeit in vielen Medien. Ob Politik, Wirtschaft, Handel oder Industrie: in all diesen Feldern werden Reformen oder Richtungsänderungen angemahnt. Für die HfWU-Professorin Carola Pekrun muss dies auch für die Landwirtschaft gelten. „Wir brauchen Änderungen im Ackerbau. Das ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Die Landwirtschaft muss mit der Bevölkerung mutige Schritte gehen und die Politik muss für die nötigen Ressourcen sorgen“. Klimaschutz, Naturschutz und das Wohl der Bevölkerung ist der Dreiklang, der die Zukunft der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelversorgung bestimmen sollte.  Mit einer neuen „Ackerbaustrategie 2035“ will die Bundesregierung auf die Herausforderungen reagieren. Einen Ansatz, den Pekrun teilt, bei dem es ihr aber an konkreten Zielen und Maßnahmen mangelt. „Bei den Landwirten herrschen Unsicherheit und Orientierungslosigkeit“.

Die Landwirtschaft hat über Jahrzehnte die Bevölkerung mit günstigen und gesunden Lebensmitteln versorgt. Dies war und ist nur deshalb möglich, weil sehr effizient und mit hoher Intensität gewirtschaftet wird.

Nun muss die Landwirtschaft ihren ökologischen Fußabdruck verringern. Dies geht nur, wenn die Verbraucher ihr Konsumverhalten ändern: weniger Fleisch und mehr pflanzliche Lebensmittel. Der hohe Fleischkonsum sorgt zum einen für steigende Treibhausgase. Zum anderen wird für die Produktion von Futtermitteln viel Fläche benötigt. In Deutschland werden auf 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Futtermittel angebaut. Dazu kommen Sojaimporte, um die Nutztiere mit Eiweiß zu versorgen.

„Wir konsumieren doppelt bis vier Mal so viel Fleisch, wie uns gut tut“, so HfWU-Professorin Pekrun. Derzeit sind das 60 Kilo Fleisch pro Person und Jahr. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ein Viertel bis die Hälfte dieser Menge. Deutlich weniger Fleischkonsum mit dem Sonntagsbraten als etwas Besonderem, das wünscht sich Carola Pekrun. Ein Befund, der sich einem aktuellen Befund der Vereinten Nationen deckt: Erst vor wenigen Tagen definierte ein UNEP-Bericht, dass nur mit mehr pflanzlicher Ernährung der dramatische Verlust an Biodiversität und ökologisch sensiblen Lebensräumen aufgehalten werden kann.

So würde landwirtschaftliche Fläche frei, für extensivere Formen der Landwirtschaft, wie beispielsweise den ökologischen Landbau, oder für speziell angelegte Nasturschutrzflächen. Dass dies dringend nötig ist, wird aus den Daten der Ökologen vor Ort sichtbar. Diese zeigen für die Schwäbischen Alb, dass Insektenpopulationen innerhalb der letzten 50 Jahre um über 80 % abgenommen haben. Teilweise wurden Verluste um 97 % festgestellt. Der Handlungsbedarf ist offensichtlich. Dazu kommt der Flächenverbrauch. Tag für Tag gehen in Deutschland durch Baumaßnahmen rund 50 Hektar Land für die Landwirtschaft verloren. Dies soll bis 2050 auf Null sinken. Der Siedlungsdruck jedoch ist groß, nicht nur in den Randbezirken der Städte, sondern auch in ländlichen Regionen.

Eine Landwirtschaft, die sich mit allen modernen Methoden an den Klimawandel anpasst, diese dicken Bretter lassen sich nur mit einer Gesellschaft bohren, die auf einen Teil tierischer Produkte verzichtet. Das hat seinen Preis. Zum einen für die Verbraucher, zum anderen für die Landwirte selbst. Auch als Wissenschaftlerin sieht sich Carola Pekrun als Landwirtin. „Wir dürfen auf keinen Fall unsere Landwirte und deren Familien an den Pranger stellen“, so Pekrun. Sie seien am ersten von der Situation betroffen. Es führe kein Weg daran vorbei, dass Politik und Gesellschaft bereit sind, die Kosten für eine andere Landwirtschaft zu tragen: Das verlangt anderes Konsumverhalten bei den Verbrauchern und geänderte Prioritäten in der Politik und Planungssicherheit für die Agrarwirtschaft.

Traut die HfWU-Professorin der Politik den nötigen Richtungswechsel zu? Sie ist zunächst zufrieden, dass sie als Wissenschaftlerin und Agrarprofessorin der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt die Chance hatte als Sachverständige im Bundestag aufzutreten. „Die Wissenschaft ist in diesen Zeiten gefragt, das ist gut. Und was heißt das für die Landwirtschaft und den zugehörigen Studiengang an der Hochschule in Nürtingen? Lohnt sich ein Studium der Agrarwirtschaft? „Auf jeden Fall. Wir brauchen gut ausgebildeten Nachwuchs, der exakt diesen Weg in eine nachhaltigere Produktion gestaltet. Außerdem habe der Studiengang weder etwas mit Bauernhofromantik noch mit dem Bild der Landwirte zu tun, die nur mit Gummistiefel und Mistgabel hantieren. „Landwirtschaft heute heißt Big Data, HighTech, Digitalisierung und innovative technologische Methoden“. Nachhaltigkeit liegt in der DNA der Landwirtschaft:  Eine Landwirtschaft, die das Klima schützt, die Artenvielfalt erhält, die Kulturlandschaft pflegt und die Menschen dauerhaft gesund ernährt“.

Nürtingen, den 18.02.2020
Gerhard Schmücker

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