Landschaft mit anderen Augen sehen

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Dr. Joseph Adedeji

- Gastwissenschaftler aus Nigeria schlägt kulturelle Brücken im Fach Landschaftsarchitektur an Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) -

NÜRTINGEN(hfwu). Für die Yoruba sind Plätze, Siedlungen und Landschaften aus mythologischer Sicht vom Geist des Ortes durchdrungen. Der westlichen Landschaftsarchitektur ist eine solche mythologische Vorstellung eines Ortes fremd. Eine Brücke zwischen den Kulturen schlägt Joseph Adedeji. Er forscht und lehrt derzeit an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Kann die Naturverbundenheit des nigerianischen Volks als Impuls für eine nachhaltige Landschaftsgestaltung hierzulande dienen? Ganz so einfach ist es nicht, sagt der Humboldt-Stipendiat im Gespräch.

Die Kultur der Yoruba ist eng verbunden mit vielen kulturellen Landschaften. Diese Landschaften sind entsprechend dem Glauben der Yoruba vom Pantheon der Yoruba-Götter bewohnt. Ein Beispiel dafür ist der Osun Hain, eine UNESCO-Weltkulturerbestätte bei Osogbo in Nigeria. Viele der Landschaften haben einen direkten Bezug zur natürlichen oder von Menschen geschaffenen Umwelt.

„In der westlich-europäischen Landschaftsarchitektur steht die sichtbare Gestaltung im Vordergrund. In der des globalen Südens die Mythologie – das ist der fundamentale Unterschied“, sagt Dr. Joseph Adedeji. Immer finde die Gestaltung von Landschaften im Rahmen der jeweiligen Kultur statt, ist Adedeji überzeugt. Die Yoruba glauben, dass in Bäumen, Gewässern oder Bergen eine höhere Natur zum Ausdruck kommt, die sie Olédùmaré (Gott) nennen, die für den Menschen nicht wahrnehmbar ist. Bei der Gestaltung von Landschaften ist daher die Unterscheidung zwischen heiligen, mythischen und säkularen Orten zentral.

Mit Landschaftskonzepten aus einem anderen Kulturkreis erweitert Adedeji das Spektrum des Studiengangs International Master of Landscape Architecture (IMLA) an der HfWU. Der 51-Jährige Yoruba-Experte aus Nigeria forscht im Sommer- und kommenden Wintersemester an der HfWU und bringt seine afrikanische Perspektive im IMLA-Studienangebot ein. Den Aufenthalt hat die Alexander von Humboldt Stiftung und das von ihr an Adedeji vergebene Georg Forster Forschungsstipendium möglich gemacht. Betreut wird Adedeji an der HfWU von Prof. Dr. Roman Lenz, der die Bewerbung für das Humboldt-Stipendium unterstützt hat. Von Professor Dr. Alan Simson von der Beckett University in Leeds (England) und von Adedejis Doktorvater, Professor Joseph Akinlabi Fadamiro von der Federal University of Technology in Akure in Nigeria, kamen die Expertengutachten für die Bewerbung für das Humboldt-Stipendium.

Zu den Forschungsschwerpunkten des promovierten Architekten und Professors gehört die Frage, welche Bedeutungen wir Landschaften zuschreiben und wie diese Verstehensweisen zustande kommen. Im Besonderen interessiert ihn, wie dies in der Yoruba-Kultur gemacht wird und in welchem Zusammenhang dabei sozio-kulturelle und ökologische Aspekte stehen.

Mit einer Bevölkerung von rund 45 Millionen im Heimatland Nigeria und vielen Millionen weltweit gehört Yoruba global zu den größten Weltanschauungen. Die ethnische Gruppe ist durch ihre bereits vor der Kolonialzeit hoch entwickelten Stadtkulturen bekannt. Von fast 400 ethnischen Gruppen in Nigeria sind die Yuruba mit gut einem Fünftel der Bevölkerung die größte. „Die Yoruba leben in und mit der Natur, sie ist in vielerlei praktischer Hinsicht Teil ihres Alltags, eine Existenz ohne enge Verbindung mit der Natur ist für sie nicht vorstellbar“, erklärt Adedeji. „Ein gutes Leben bedeutet für sie, in Einklang mit der Natur zu leben.“

Dies wird in Zeiten von Klimawandel, Artenschwund und der Übernutzung von natürlichen Ressourcen mehr und mehr auch in den industrialisierten Ländern gefordert. Können wir von den Yoruba lernen? „Eine Lebensweise ist Ausdruck einer Jahrhunderte langen gewachsenen, über viele Generationen weitergegebenen Tradition. Die damit verbundenen Haltungen können nicht per Knopfdruck übernommen werden“, gibt Adedeji zu bedenken. Der entscheidende Punkt sei, dass der westlich-moderne Lebensstil auf einer ganz bestimmten Kultur beruhe. Es stelle sich daher die Frage, welche Aspekte einer anderen Kultur in der eigenen mehr zur Geltung gebracht werden könnten, etwa ein anderes Verhältnis zur Natur oder das Zusammenleben in großen Gruppen und Familien. Der HfWU-Studiengang IMLA wird traditionell von vielen internationalen Studierenden belegt. Zum kulturellen Brückenschlagen wird es so sicherlich für Adedeji während seines einjährigen Aufenthalts an der HfWU viele Gelegenheiten geben.

 

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