Absage an den Ohnmachtsmodus

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Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker im Gespräch mit HfWU-Rektor Prof. Dr. Andreas Frey (rechts). (Foto: HfWU)

- Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) lud zum „Tag der nachhaltigen Betriebswirtschaft“ -

NÜRTINGEN. (hfwu). Eine beklemmende ökologische Schadensbilanz, ein positiver Ausblick auf das noch Machbare, dazwischen die nüchterne Analyse von Studierenden im Gespräch mit Unternehmensvertretern. Das war der „Tag der nachhaltigen Betriebswirtschaft“ in Nürtingen. Organisiert wurde die Fachtagung von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).    

Fast zwei Drittel der Wirbeltiere, die auf der Erde leben, sind Schlachttiere. Etwa ein Drittel sind Menschen, nur drei Prozent Wildtiere. Die Vermüllung der Meere hat apokalyptische Ausmaße angenommen. Steigender Flächenverbrauch. Ungezügeltes Bevölkerungswachstum. Untergehende Inselstaaten. Wenn Ernst Ulrich von Weizsäcker seine Liste der vom Menschen verursachten Umweltschädigungen vorträgt, gerät er fast in Rage. Noch immer streitet der 83-Jährige mit ganzer Leidenschaft für die Sache. Die heißt Klimaschutz und Kampf gegen ein zerstörerisches Wirtschaftswachstum.

Von Weizsäcker hielt das Auftakt-Referat beim diesjährigen „Tag der nachhaltigen Betriebswirtschaft“ in der Nürtinger Stadthalle. „Wie schaffen wir die Transformation in eine nachhaltige Zukunft? Studierende fragen Unternehmen“, so lautete der Untertitel der Fachtagung.

„Deutschland ist weltweit für zwei Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist innenpolitisch und physikalisch irrelevant“, ist von Weizsäcker überzeugt. Dringend erforderlich sei eine „Klimaaußenpolitik“ und eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Umweltschädigung. Seinen fast beklemmenden Ausführungen zum Zustand des Planeten zu Beginn setzt der ehemalige Ko-Präsident des Club of Rome Lösungsansätze entgegen. Ein Ausbau der Kreislaufwirtschaft, Nutzergemeinschaften, eine bessere Energieeffizienz, das „Remanufactoring“ von Produkten oder die Bepreisung von CO2-Emissionen gehören dazu. Vor allem aber brauche die Welt eine „neue Aufklärung“. Im Kern gehe es hier um einen Abschied von Egoismus, Individualismus und intolerantem Rationalismus. Der Grundgedanke dieser Aufklärung ist die Realisierung einer allgegenwärtigen Balance – der Ausgewogenheit zwischen Mensch und Natur, Staat und Markt, Gerechtigkeit und Leistungsanreiz, Innovation und Bewährtem, langfristigem und kurzfristigem Denken.

Ein neues Denken, dies steht auch im Mittelpunkt des „Nürtinger Models“ einer nachhaltigen Betriebswirtschaft. HfWU-Professor Dr.-Ing. Robert Gabriel stellte den neuen Ansatz und das entsprechende Buch vor, das zusammen mit zwei Dutzend HfWU-Kolleginnen und -Kollegen entstanden ist. „Nach wie vor ist die Realität, dass im Konfliktfall mit dem Klimaschutz meist die Profitorientierung vorrangig ist“, so Gabriels Befund. Nachhaltigkeit dürfe in Unternehmen nicht weiter als entkoppelter Zusatzbereich betrachtet werden dem mit der Bestellung eines punktuell beratenden Nachhaltigkeitsbeauftragten Genüge getan ist. „Wir müssen an Klimageschäftsmodellen von morgen arbeiten“, fordert der Wirtschaftswissenschaftler, nur diese werden langfristig erfolgreich sein.

Am Vormittag vor der Tagung hatten sich Studierende zusammen mit moderierenden HfWU-Professoren in Arbeitsgruppen zusammengetan. Hier wurden mit Blick auf verschiedene Branchen Fragen zum Stand der Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt. Gestellt wurden diese an Unternehmensvertreter im Rahmen der Tagung am Nachmittag. Zum Thema Mobilität stellte sich der Geschäftsführer der Landesagentur e-Mobil, Franz Loogen, den Fragen der Studierenden. Zum Themenfeld Energie gab Albwerk-Geschäftsführer Thomas Peter Müller Auskunft. Die Nachhaltigkeitsbeauftragte der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse, Dr. Larissa Talmon-Gros, und LBBW-Bereichsvorstand Joachim Erdle, ließen sich zum Themenfeld Banken und Finanzen befragen. Zum Stand der Nachhaltigkeitsbemühungen im Handel nahm beispielhaft der Investor-Relations-Verantwortliche Patrick Kofler für den Online-Händler Zalando Stellung.

Fazit und Ausblick der Tagung lieferte HfWU-Professor Dr. Klaus Gourgé, Leiter des Studiengangs „Zukunftstrends und Nachhaltiges Management“. „Die Transformation in eine nachhaltige Zukunft ist wirklich eine Jahrhundertaufgabe“, so Gourgé. Entscheidend sei angesichts der schier übermächtigen Herausforderungen nicht in einen „Ohnmachtsmodus“ zu verfallen, sondern sich ans aktive Gestalten zu machen. Genau dies sei auch Zweck der Tagung gewesen. Es gäbe in der Wissenschaft wie in der Praxis viele vielversprechende Ansätze eines anderen Wirtschaftens: „Noch ist es nicht zu spät, wir können die Herausforderungen bewältigen“, so der positive Ausblick des Wissenschaftlers am Ende der Tagung nach deren eher betrüblichem Auftakt.

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