IfA-Branchen-Gipfel: E-Mobilität mit Hindernissen

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IfA-Direktor-Prof. Dr. Stefan Reindl im Gespräch mit dem BMW-Vorstandsvorsitzenden Oliver Zipse (rechts).

Langfristig sieht Lynk&Co-Chef Alain Visser im Auto eine „ausstrebende Spezies“.

Verkehrsminister Winfried Hermann war zum Branchen-Gipfel online zugeschaltet.

- Branchenkongress des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) -

NÜRTINGEN (hfwu). Der Aspekt der Nachhaltigkeit und ein anderes Nutzungsverhalten werden künftig beim Verkaufen von Autos eine zentrale Bedeutung haben. Darin waren sich die Experten der großen Hersteller beim Branchengipfel des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) in Nürtingen einig. Allein das Verkaufen zu fokussieren sei von gestern, sagt dagegen ein neuer Mitbewerber.

Ein neues, auf nachhaltige Aspekte ausgerichtetes Kundenverhalten wird zu einem entscheidenden Verkaufsargument werden. „Dieser Trend wird die Branche künftig massiv prägen“, ist Oliver Zipse überzeugt. Mit seinem Hauptreferat machte der BMW-Chef den Auftakt zum diesjährigen Autokongress des IfA an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen. Zum wichtigsten Branchentreff kamen in diesem Jahr rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Nürtinger Stadthalle, weitere 200 waren online dabei.

Mit fünf Kernpositionen skizzierte Zipse die künftige Strategie von BMW. Klimaneutralität und Nachhaltigkeit werde eine zentrale Rolle spielen. Hier müsse weiter mit Nachdruck an den dafür nötigen technologischen Lösungen gearbeitet werden. Des Weiteren sei, so lange es weltweit so unterschiedliche Formen der Mobilität gebe, eine Technologieoffenheit unabdingbar. Eines der größten aktuellen Hindernisse für den Ausbau der E-Mobilität sieht der BMW-Vorstandsvorsitzende in der unzureichenden Infrastruktur von Ladestationen. 70 Prozent aller in der EU bestehenden Ladepunkte seien derzeit auf nur drei Länder verteilt. Weitere entscheidende Themenfelder sieht Zipse in der Digitalisierung und einer so möglichen intelligenten Verkehrslenkung. Nicht zuletzt fordert er mit Blick auf die Entscheider in Berlin und Brüssel eine „selbstbewusste Handelspolitik“.

IfA-Chef Prof. Dr. Stefan Reindl und HfWU-Rektor Prof. Dr. Andreas Frey hatten die Tagungsteilnehmer begrüßt. Vor dem Hintergrund des aktuell deutlichen Rückgangs der Inlandsproduktion gehe es darum, wichtige Zukunftsentscheidungen zu treffen – gerade auch in der derzeitigen Situation des Umbruchs, der Transformation und damit der Unsicherheit. „Wir dürfen nicht bei der Analyse stehen bleiben, wir müssen Angebote für die Zukunft machen“, so die Forderung von Reindl.

Online zugeschaltet zum Kongress war der baden-württembergische Verkehrsminister. „Ich habe nicht die Illusion, dass der individuelle Autoverkehr komplett durch einen kollektiven abgelöst wird“, so Winfried Hermann. Nötig sei aber dennoch eine „Antriebs- und eine Mobilitätswende“. Hin zu E-Autos, auch wasserstoffbetriebenen LKWs und synthetischen Kraftstoffen für Flugzeuge bei den Antrieben. In Sachen Mobilität bedürfe es mehr gemeinsamer Nutzung, einer Stärkung des ÖPNVs und einer modernisierten Straßenverkehrsordnung.

Alain Visser sieht in der gemeinsamen und wechselnden Nutzung nichts weniger als die einzige wirkliche Zukunft des Autos. Harsche Kritik übte der Chef der neuen Marke Lynk & Co an den traditionellen Herstellern. Sie betrieben im Grunde nur eine Verwaltung des Status quo, grundsätzlich neue Geschäftsmodelle seien in der Branche Fehlanzeige. Lynk & Co ist eine Marke des chinesischen Automobilherstellers Geely. „Wir wollen vor allem die Mobilität der Menschen verbessern und den Menschen nicht in erster Linie Autos verkaufen,“ sagt Visser. Letztendlich sei das Auto „eine aussterbende Spezies“. Er findet es absurd, dass viel Geld für individuell ausgestattete Autos ausgegeben wird, die Fahrzeuge im wörtlichen Sinne aber eigentlich keine sind, denn durchschnittlich 96 Prozent der Zeit sind sie geparkt und werden nicht genutzt. Lynk zielt vor allem auf die junge Generation. „Die fragen nicht mehr, wie schnell das Auto von 0 auf 100 ist, sondern, ob es WLAN hat“, so die Erfahrung von Visser. Der Schwerpunkt des Autoanbieters liegt auf vernetzten Modellen und innovativen Verkaufsstrategien wie etwa Pop-up-Stores. Angeboten wird lediglich ein einziges, nicht modifizierbares Modell, mit Ausnahme der Frage: blau oder schwarz. Das Auto kann in Rahmen einer Mitgliedschaft monateweise erworben werden. Gerade den Jüngeren gehe es nicht mehr um das Besitzen eines Autos – und für die Hersteller so auch nicht mehr in erster Linie ums Verkaufen. Bei Lynk dagegen stehe der Zugang zu einer neuen Mobilität, das Erlebnis und die Schaffung einer vielgestaltigen Nutzergemeinschaft im Mittelpunkt. Visser ist optimistisch. Schon in zwei Jahren könne Lynk profitabel sein.

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