Fabrikverkäufe; Segen oder Fluch?

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NÜRTINGEN. (üke) „Wer kauft schon seine Klamotten in Nürtingen, wenn Metzingen vor der Tür liegt?“ Die Fabrikverkäufe in der Nachbarstadt, zu Neudeutsch Factory Outlets, liegen so manchem Einzelhändler der Neckarstadt schwer im Magen. Eine Diplomarbeit, die im Studienfach Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen (HfWU) angefertigt wurde, analysiert die Einflüsse von Boss & Co. auf die örtlichen Dienstleister.

Damit die Nürtinger Geschäftswelt einen konkreten Nutzen von der Arbeit des Studenten Rafael Dörr hat, wurde die Arbeit nicht nur von der HfWU-Professorin Dr. Iris Ramme betreut, sondern auch von der städtischen Wirtschaftsförderin Stefanie Hertfelder. Wer die Metzinger Fabrikverkäufe als Bedrohung empfindet, kann beruhigt werden: Rafael Dörr befragte Kunden der Metzinger Outlets und die Vertreter dreier Nürtinger Dienstleistungsbranchen: Textileinzelhandel, Gastronomie und Hotellerie. Auf den ersten Blick zeigt die empirische Untersuchung ein neutrales Bild und keine gravierenden Einflüsse auf die Geschäftswelt der Neckarstadt – weder positive noch negative.
Die Hoffnung, Metzinger Kunden in die Nürtinger Gastronomie zu locken hat sich kaum erfüllt, das gilt auch für die Übernachtungsbranche. Auf der anderen Seite ist der oft beklagte Kaufkraftabfluss in die Nachbarstadt marginal. Das kann sich jedoch ändern. Die Studie stellt fest, dass die Entwicklung sorgfältig beobachtet werden muss, da sich in Metzingen das Angebot der Fabrikverkäufe stetig weiter ausdehnt. Dann könnte sich tatsächlich das Einkaufsverhalten der Nürtinger Bürger zum Nachteil der örtlichen Händler verändern. Um dem vorzubeugen, liefert die Diplomarbeit eine Reihe von Anregungen, die sich aus der Befragung in Nürtingen ergaben. Nürtingen muss vor allem für jüngere Kunden attraktiver werden, zum Beispiel indem sich namhafte Häuser wie „H&M“ , „ Zara“ oder „C&A“ ansiedeln. Nürtingen nutzt zu wenig seine Lage am Neckar als Potential für mehr Attraktivität. Ein bekanntes Manko wird in der studentischen Arbeit ebenfalls thematisiert: Die fehlende Verbindung der einzelnen Zentren der Stadt. Das Gebiet um den Bahnhof, die Fußgängerzone und die Altstadt. Die Lösung könnte laut der Studie darin bestehen, dass die verschiedenen Interessenvertreter enger zusammen arbeiten. Derzeit verfolgt die Interessen der Fußgängerzonenanlieger der Werbering, für die Altstadthändler spricht der „Altstadt Bunte Haufen“ und als dritter im Bunde beeinflusst die Stadtverwaltung den Gang der Dinge.
Rafael Dörr kommt in seiner Diplomarbeit zu dem Ergebnis, dass Nürtingen attraktiver werden und auch künftig bei steigender Konkurrenz durch die Metzinger Einkaufsmeilen ein positives Konsumklima bieten kann. Allerdings nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen: Handel, Wirtschaft, Stadtverwaltung und nicht zuletzt auch die Bürger der Stadt. An der Stadtverwaltung soll es nicht liegen: Rafael Dörr wird in einer Stadtratsitzung die Ergebnisse seiner Diplomarbeit präsentieren.