Evolution nicht Revolution

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IfA-Kongress-Chef Prof. Dr. Stefan Reindl und der Skoda-Vorstandsvorsitzende Bernhard Maier (rechts). (Foto: HfWU/renner)

Hauptredner beim IfA-Kongress war Porsche-Chef Dr. Oliver Blume. (Foto: HfWU/renner)

- Automobil-Gipfeltreffen an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen nimmt Standortbestimmung der Branche vor -

NÜRTINGEN (hfwu). Digitalisierung, E-Mobilität und politischer Druck zwingen die Akteure der Automobilbranche sich neu aufzustellen. Der Automobilkongress des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) in Nürtingen zeigte, dass dieser Prozess in vollem Gange ist und bot eine Momentaufnahme einer Branche zwischen Vergangenheit und Zukunft.

So konkret wie Porsche-Chef Dr. Oliver Blume konnten es nur wenige der Referenten beim IfA-Kongress machen, wenn es um die Antwort auf die Frage ging, wohin die Branche steuert. „Mit der Entscheidung den Taycan im Stammwerk in Zuffenhausen zu bauen, geben wir ein klares Bekenntnis zu einer Verbindung von Tradition und Zukunft.“ Bis zum Jahr 2025 könnte die Hälfte aller produzierten Porsches elektrisch betrieben, Ende des kommenden Jahrzehnts der komplette Abschied vom Benziner vollzogen sein, so ein Szenario das Blume in Nürtingen vorstellte.

„Wir dürfen bei allen Veränderungen unsere Wurzeln nicht vergessen“, stellte der Manager dennoch klar. Vom autonomen Fahren hält er nicht viel. „Ein Porsche wird auch in Zukunft ein Lenkrad haben und der Fahrer seinen Porsche selbst fahren.“ Jetzt sei die Zeit mutig und tatkräftig die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Ertragskraft dafür für hat der Sportwagenhersteller. 250.000 Fahrzeuge wird Porsche in diesem Jahr verkaufen. 2017 lag die Unternehmensrendite bei über 17 Prozent. Die Attraktivität der E- und Hybridmodelle soll mit einem neuen Netz an Ladestationen, das Porsche zusammen mit Daimler, BMW und Ford aufbaut, verbessert werden. Eine neue Technologie soll ein schnelleres Aufladen der E-Fahrzeuge ermöglichen.

Beim jährlichen Gipfeltreffen der Autobranche kamen in Nürtingen Konzern- und Vertriebsmanager, Autohändler und Mobilitätsspezialisten zusammen. Organisiert wird die Tagung vom Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

In der Branche sehen nicht alle so entspannt in die Zukunft wie der Porsche-Chef. Die zum Teil aufgeheizte Stimmung will sich Bernhard Maier aber nicht zu eigen machen. Den Wandel sieht der Škoda-Vorstandschef zu allererst als Chance. „Mobilitätsdienstleistungen sollen und müssen künftig einen signifikanten Teil der Wertschätzung ausmachen“, so Maier. Potenziell sei hier eine Verzehnfachung des Umsatzes möglich. Škoda sei gut aufgestellt. Weit mehr als eine Million Fahrzeuge wird die VW-Tochter in diesem Jahr verkaufen. Gerade in unruhigen Zeiten komme es darauf an, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. „Der Partnerschaft zwischen Industrie und Handel kommt eine besondere Rolle zu – wir sind und bleiben Partner“, betonte Maier in Nürtingen, „wir müssen Abschied nehmen von der Illusion, alles alleine machen zu können.“ Für Škoda heißt dies zum Beispiel zusammen mit kleinen Start-ups neue Mobilitätsdienste zu entwickeln. Ein wichtiger Partner, der in der öffentlichen Diskussion oft wenig beachtet werde, seien zudem die Hochschulen.

Weltweit 70 Millionen Jobs werden durch die Digitalisierung wegfallen, zitierte Maier eine aktuelle Studie. Allerdings fast doppelt so viele würden neu hinzukommen. Entscheidend sei, die Mitarbeiter für die oft völlig neuartigen Aufgaben zu qualifizieren. „Die Branche öffnet sich, bewegt sich schneller als je zuvor“, so Maiers Momentaufnahme. Bei allen Unsicherheiten sieht der Automanager die Herausforderungen positiv: „Wir sind mitten drin in dieser äußerst spannenden Zeit. Das ist eine einmalige Lebenschance, einen solchen Umbruch mitzugestalten.“

Von Untergangsszenarien der Branche ist auch Bernhard Mattes, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) weit entfernt. Deutsche Autos seien weltweit gefragt, drei Viertel der in Deutschland produzierten Fahrzeuge gehen ins Ausland. Die Innovationskraft der Branche sei hoch, 40 Prozent aller deutschen Patentanmeldung kommen aus dem Automobilsektor. In der zunehmenden Individualität bei der Mobilität liegt nach Einschätzung von Mattes die Chance, die jeweils eigene emotionale Verbundenheit mit dem Auto noch zu steigern.

Der Präsident des Verbands des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg, Michael Ziegler, teilte die Einschätzung von Skoda-Chef Maier. „Hersteller und Handel stehen in gegenseitiger Abhängigkeit“. Das Internet werde beim Verkauf zwar wichtiger. Eine Probefahrt und das etwa so erfahrbare Sicherheitsgefühlt könne die virtuelle Welt nicht bieten. Den begonnenen Wandel sieht Ziegler, nicht als Revolution, sondern etwas, das es in der Branche schon immer gab: „Evolution“.