„Ein bisschen was geht immer“

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Professor Dr. Stefan Reindl

Professor Dr. Stefan Reindl


GEISLINGEN. (ab) Mit Benzin im Blut ist Stefan Reindl im bayerischen Grenzland zu Tschechien aufgewachsen. In seinem Leben haben Automobile immer eine wichtige Rolle gespielt. In Berlin hat er promoviert. Seit Herbst gibt er sein Wissen an Studierende der Hochschule Nürtingen am Standort Geislingen weiter. Der 37-jährige Reindl ist dort Professor. Er hat die Seiten gewechselt, denn vor wenigen Jahren hat er selbst in Geislingen studiert.

Stefan Reindls Werdegang war von Kindesbeinen an vorgezeichnet, verlief dann aber doch ganz anders. Aufgewachsen in Erbendorf, in der Nähe von Bayreuth, war er zunächst davon überzeugt, dass er später den elterlichen Kfz-Betrieb übernehmen würde. Zunächst sah auch alles danach aus: Berufsausbildungen zum Kfz-Mechaniker und Bürokaufmann, dazu Meisterbriefe im Kfz-Mechaniker- und Kfz-Elektriker-Handwerk. Reindl hatte alles gelernt, was er zur Übernahme des elterlichen Autohauses benötigte. Doch er hatte auch den Weitblick in die Zukunft. Die unsicheren Händlerverträge ließen bereits in den 90er Jahren manches eigenständige Autohaus im Regen stehen. Reindl fragte sich: „Was passiert, wenn die Hersteller ihre Händlernetze weiter straffen?“
Die Schule hatte Reindl mit der Mittleren Reife abgeschlossen, seine beiden Meistertitel befähigten ihn, die Kfz-Akademie in Heilbronn für den 18-monatigen Kurs zum „Technischen Fachwirt“ zu besuchen. Doch damit nicht genug: Weil er während dieser Zeit sowieso in der Nähe der Wilhelm Maybach Schule wohnte, holte er parallel dazu die Fachhochschulreife in Abendkursen nach. „Spaßeshalber“, sagt Reindl grinsend: „Ein bisschen was geht immer.“ Dass das bisschen nicht so wenig sein konnte, wird deutlich, wenn man weiß, dass die Fachhochschulreife mit Reindl nur noch vier andere aus seinem, anfangs etwa 30 Köpfe umfassenden Jahrgang, bestanden haben. Ganz nebenbei ist auch der Abschluss als Technischer Fachwirt super gelaufen: Er erhielt eine Auszeichnung als bester Absolvent!
Für Reindl war das aber noch nicht genug, er hatte in der Fachzeitschrift „Autohaus“ vom Geislinger Studiengang Automobilwirtschaft gelesen und sich bei der Mutterhochschule in Nürtingen beworben. Den Studienplatz nahm er an – fünf Minuten vor zwölf am letztmöglichen Einschreibetag. Vom Studienwunsch hatten die Eltern, fest im Glauben ihr Sohn managt künftig den Betrieb, erst kurz zuvor erfahren. Wenngleich sich die Wogen heute wieder geglättet haben, war das Verhältnis zu Vater und Mutter zu dieser Zeit mehr als angespannt.
Doch Stefan Reindl wäre das Studium alleine sicher zu langweilig geworden, er managte den elterlichen Betrieb mit zeitweise bis zu 15 Angestellten - eben getreu nach seinem Motto: „Ein bisschen was geht immer“, nebenher. In Geislingen hatte er ein 22 Quadratmeter großes Zimmer: Studentenbude und mobiles Büro. „Die Zeit war anstrengend, vom Geislinger Nachtleben habe ich nicht viel mitbekommen.“ An vorlesungsfreien Tagen pendelte er nach Erbendorf ins Autohaus.
Nach Abschluss seines Studiums arbeitete Reindl bei Prof. Dr. Willi Diez am Institut für Automobilwirtschaft – lange wollte er allerdings nicht in Geislingen bleiben. Durch die Arbeit in verschiedenen Projekten wurde es doch länger als ursprünglich gedacht und nebenbei lernte er Prof. Dr. Ulrich Jürgens von der Freien Universität Berlin kennen. Aus gemeinsamen Forschungsarbeiten am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) entwickelte sich seine Promotion über „Vertriebssysteme der Automobilwirtschaft im Wandel“, die Reindl vergangenen Sommer mit „magna cum laude“ abschloss. Inzwischen hat ihn seine „alte“ Fachhochschule zum Professor für Automobilwirtschaft berufen. „Das ´Herr Kollege´ ist noch gewöhnungsbedürftig“, sagt Reindl, wenn ihn einige seiner früheren Hochschullehrer mit kollegialem Gruß ansprechen. Den Bezug zur studentischen Basis hat er durch sein eigenes Studium in Geislingen. Durch seine Gesellschafter- und Beiratstätigkeit im – inzwischen in eine Unternehmensgruppe eingegliederten – elterliche Autohaus hält er den Kontakt zur unternehmerischen Basis und kann mit seinen 37 Jahren auf eine umfangreiche Praxiserfahrung zurückblicken.
A. Bulling, 26.02.2004