Biomasse als Düngemittel und Energieträger

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- Fachtagung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt-
NÜRTINGEN. (üke) Steigende Energiepreise und keine Ende. Nicht nur Privathaushalte ächzen unter den hohen Kosten für Strom und Heizung. Beides belastet auch die Wirtschaft und Industrie. Eine Branche allerdings ist wie keine andere dazu prädestiniert, mit ihren eigenen Erzeugnissen einen Weg aus der Energiepreismisere zu finden: Die Landwirtschaft.

Die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) hatte Experten nach Nürtingen eingeladen und gemeinsam mit der Gütegemeinschaft Kompost eine Fachtagung über die „Nutzung von Biomasse zur Erzeugung von Düngemitteln und Energie“ veranstaltet. Zum ersten Mal wurde die Tagung in dieser Paarung angeboten, was allerdings kein Zufall war. Beide Institutionen hatten im letzten Jahr ein mehrjähriges Forschungsprojekt abgeschlossen, dass sich mit der Vermarktung von Kompost befasst hatte.
Gerade als Kompost lässt sich Biomasse einsetzen. Allerdings nicht ohne Probleme. Ministerialrat Thomas Berrer vom Stuttgarter Landwirtschaftsministerium beschrieb die Zwickmühle in der die Landwirtschaft stecke. Bevor Biomasse als Kompost zum Einsatz kommen kann, gilt es Hygienestandards einzuhalten, Bodenschutzstrategien zu bedenken und EU-Verordnungen zu beachten. Ulrich Ramsaier, von der Gütegemeinschaft Kompost widmete sich der biologischen Seite. Kompost aus Pflanzen und Bioabfällen hat seine Wirkung, allerdings geht es auch um die Schadstoffbelastung. Wissenschaftlich untermauert wurde die Wirkung von Kompost von Dr. Axel Schreiber in einer Forschungsstudie der Universität Hohenheim. Vor allem für Marktfruchtbetriebe ist Kompost als Düngemittel geeignet,

Biomasse als Energieträger, das heißt nachwachsende Rohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft, erlebte vor allem im letzten Jahr eine enorme Zunahme, wenn man die Menge betrachtet, die über Verbrennung oder Vergärung in den Energiekreislauf eingespeist wurde. Die Rohstoffe dafür wachsen bei den landwirtschaftlichen Betrieben im Grunde vor der Haustür. Professor Dr. Gerhard Förster von der HfWU sieht weiterhin steigende Chancen für die Biomasse als Energieträger. Allerdings glaubt der Wissenschaftler weniger daran, dass die Biomasse ihren prozentualen Anteil am Energiemix erhöhen wird. Das technische Potential wird von ihm auf maximal acht Prozent geschätzt.
Damit sich dieser Anteil erhöhen kann spielen neben den technischen und wirtschaftlichen Aspekten auch rechtliche Rahmenbedingungen eine Rolle. Schon deshalb führte Dr. Andreas Kirsch, Rechtsexperte der Bundesgütegemeinschaft Kompost, mit großer Verve in die Details einer komplexen EU-Verordnung zur Biomasse ein, über deren inhaltliche Tragweite sich kaum jemand der Gäste bewusst war.
Noch immer kann vor allem eine gesunde Portion Idealismus dafür sorgen, alle Bedenken in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht wegzuwischen und neue Wege zu gehen. Als Mann der Praxis für die Praxis hielt Lothar Braun-Keller den wohl kürzesten Vortrag: „Ich bin ein Landwirt und rede nur fünf Minuten“. Fünf Minuten, die es in sich hatten und prompt gab es daraufhin die meisten Fragen. Braun-Keller folgt dem erklärten Ziel, energetisch für seinen Betrieb Autarkie zu erreichen. Und er scheint auf einem guten Weg zu sein: Seine beiden Traktoren werden mit Rapsdiesel betrieben, auf dem Dach arbeitet eine Photovoltaikanlage, eine Windkraftanlage schnurrt in der Nähe, im Keller sorgt Holzpelletsbrenntechnik für Wärme und dass sich der Landwirt passend zum Thema auch noch eine Kompostverwertung gönnt, versteht sich von selbst. Ebenfalls aus Idealismus und nicht nur mit dem Blick auf Wirtschaftlichkeit begann man in Calw zunächst bei einigen öffentlichen Gebäuden ein neues Energiekonzept einzuführen. Von einer sinnvollen Grüngutnutzung, vom Häckselplatz zum Brennstoff berichtete Stefan Kaufmann. Aus dem Pilotprojekt ist inzwischen ein serienreifes Konzept geworden, dass sich nun bei gestiegenen Energiepreisen richtig rechnet.
Alle Berichte aus der Praxis zeigten eines: Vor allem für die Landwirtschaft kann die Biomasse eine Alternative oder zusätzliche Einnahmequelle sein. Nicht nur für den eigenen Energiebedarf, sondern auch wenn es um die Erzeugung der notwendigen Rohstoffe geht. Wenn der Verbrauch von Biogas steigt, dann klingelt bei den Bauern die Kasse, die den Mais anbauen, der dafür vergärt werden muss. Angesichts der jedes Jahr um 80 Mrd. Tonnen nachwachsenden Biomassen und der vielen noch offenen Fragen, sieht Prof. Dr. Werner Ziegler von der HfWU, einer der Mitinitiatoren, die Notwendigkeit zur Fortsetzung dieser Fachtagung in den kommenden Jahren.
Nürtingen, 16.11.2005, G. Schmücker