Energiemanager brauchen KI-Kompetenz

Veröffentlicht am |

Die Workshop-Teilnehmer unternahmen eine Exkursion zu Windanlagen im marokkanischen Rif-Gebirge, die bald zu einem virtuellen Kraftwerk gekoppelt werden.

- Internationaler Expertenworkshop: Künstliche Intelligenz in der Energiewirtschaft -

Nürtingen (hfwu). Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz bedeutet vor allem auch für die Energiewirtschaft einen großen Umbruch. Gefragt sind künftig  Schnittstellenkompetenzen: Betriebswirte, die sich mit den Grundlagen der neuen technischen Möglichkeiten auskennen. Dies ist ein Ergebnis eines internationalen Expertenworkshops in Marokko mit Beteiligung der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

Im Rahmen eines dreitägigen Workshops der Arab-German Young Academy of Sciences (AGYA) diskutierten Experten Ende Juli in Rabat die Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Energiewirtschaft. Hierbei standen vor allem die Möglichkeiten der Auslese großer Datenmengen zur Mustererkennung sowie die daraus folgenden wirtschaftlichen Veränderungen im Vordergrund. Durch den zunehmenden Einsatz von Sensoren, etwa zur Messung von Umweltqualität oder Verkehrsflüssen entstehen zunehmend solche Massendaten („Big data“). Speziell im Energiebereich wird durch die anstehende Nutzung digitaler, kommunizierender Stromzähler Datenmengen erwartet, die weit über das heutige Niveau hinausgehen. Wie HfWU-Professor Dr. Marc Ringel in seinem Einführungsvortrag zur Anwendung künstlicher Intelligenz in der deutschen Energiewirtschaft ausführte, fallen heute bei einem mittelgroßen Stromversorger rund 30.000 Datenpunkte oder 1,6 Terabyta Daten pro Tag an. Mit der Digitalisierung wird ein Anstieg des Datenvolumens auf 10-800 Terabyte erwartet, wobei der Datenstrom durch hohe Geschwindigkeit, stark variierende Qualität und verschiedene Quellen gekennzeichnet ist. Beispiele hierfür sind die gezielte Verknüpfung von Wetterdaten und Informationen aus sozialen Netzwerken mit technische Daten wie Netzauslastung oder Börsenpreisen in Echtzeit.

Die Verknüpfung dieser Daten ist weitreichend: Eine Auslese dieser Daten durch Verfahren künstlicher Intelligenz (KI) wie etwa durch selbstlernende Algorithmen (sogenanntes „maschinelles Lernen“) bietet bislang ungenutzte Möglichkeiten für die Energiewirtschaft. So kann eine Optimierung von Windprognosen mit der erwarteten Nachfrage nach Elektrizität zu einer besseren Einbindung von Erneuerbaren Energien beitragen. Gleichzeitig können verschiedene dezentrale Anlagen zu einem sogenannten „virtuellen Kraftwerk“ gekoppelt werden. Hierdurch kann ein weiterer Netzausbau vermiedenen werden und die Kosten der Stromversorgung gesenkt werden. Dies ist auch durch datenbasierte Vorhersagen über Fehlfunktionen und Ausfälle einzelner Netzkomponenten möglich. Die Prognosen können zu einer Vorab-Wartung (sogenannte „predictive maintenance“) genutzt werden, was Stromausfällen vorbeugt und die Wartungskosten minimiert. Ebenso kann eine automatisierte Steuerung des Energiehandels über künstliche Intelligenz zu einer erhöhten Flexibilität des Energiesystems und damit zu einer Senkung der Betriebskosten von Kraftwerken führen.

Die Beiträge von Referenten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Marokko, Algerien, Spanien, Portugal, Frankreich und Norwegen im Rahmen des Workshops zeigten weitere regionale Einsatzmöglichkeiten auf. So plant die Hafenstadt Tanger in Marokko, KI-gesteuerte Verkehrsführung einzuführen, die in Echtzeit den Verkehr nach der Rückmeldung von Sensordaten zur Luftqualität steuert. Hierdurch ist eine emissionsgesteuerte Leitung der Verkehrsflüsse möglich.

Forscher der German Jordanian University, mit der der Studiengang Energie- und Ressourcenmanagement an der HfWU ein Partnerabkommen hat, informierten über die Nutzung künstlicher Intelligenz zur Reinigung von Solarzellen. Das riesige Potenzial an Solarenergie Nordafrika und Nahost wird gegenwärtig nur zum geringen Teil genutzt. Die Solarpanele werden durch Staub und Sand schnell verschmutzt und eine dauerhafte Spülung wird in einer wasserknappen Region als Ressourcenverschwendung gesehen. Mittels Vorhersagen über den Verschmutzungsgrad kann der Wassereinsatz minimiert werden und eine Stärkere Nutzung der Solarenergie erfolgen – ein Beitrag zur globalen Energiewende und Ressourceneffizienz.

Klar wurde im Rahmen des Workshops allerdings auch, dass die Energiewirtschaft vor erheblichen Herausforderungen steht. Dabei geht es aus Sicht der beteiligten Industrievertreter vor allem darum, Mitarbeiter zu gewinnen, die auf Grundlage eines wirtschaftswissenschaftlichen Verständnisses mit den Computerexperten kommunizieren können. Man suche Wirtschaftler, die die grundlegenden Konzepte verstehen, um an die IT-Experten entsprechende Arbeitsaufträge zu geben und die Ergebnisse einschätzen können. Der Studiengang Energie- und Ressourcenmanagement plant entsprechend, sein Studienangebot in diesem Bereich weiter zu vertiefen, um Studierenden weiterhin attraktiven Positionen in der Energiewirtschaft zu erschließen.

News-Suche

News-Kategorien