Wissenschaft und Praxis machen Linsen wieder heimisch - Hochschule für Wirtschaft und Umwelt erforscht alte Linsensorten

Veröffentlicht am |

Foto: Hier wächst was: Studierende und Wissenschafter der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt nehmen die neu gepflanzten „alten“ Linsensorten in Augenschein.

NÜRTINGEN. (pm) „Schwaben ohne Linsen, das ist wie Italien ohne Pasta“. Wie so oft entpuppt sich solch ein Urteil als Mythos. Die Zeiten, als die wichtigste Zutat für das schwäbischen Nationalgericht ‚Linsen mit Spätzle’ tatsächlich aus Deutschlands Südwesten stammte, sind längst vorbei. Im Gegenteil: Wenn Landwirte hierzulande Linsen anbauen, greifen sie mangels deutscher Züchtungen auf italienische und fran-zösische Sorten zurück. Wissenschaftler der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) arbeiten nun daran, alte deutsche Linsensorten wieder im Schwabenland heimisch zu machen. Der Anstoß zu dem Pro-jekt ging von der Öko-Erzeugergemeinschaft ‚Albleisa’ aus.

Der Linsenanbau ist in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg weitgehend zum Erliegen gekommen. Die an arme Standorte angepasste Kultur erwirtschaftete keine ausreichend hohen Erträge. Züchterisch wurden die deutschen Linsensorten nicht mehr weiter entwickelt. Doch die Sorten sind nicht ganz verschwunden: Die letzten noch verbliebenen Samen dreier Linsensorten eines schwäbischen Züchters namens ‚Späth’ wurden in Genbanken konserviert, zum Beispiel im Wawilow-Institut in St. Petersburg. Woldemar Mammel, der Kopf der Erzeugergemeinschaft ‚Albleisa’, fuhr vor wenigen Jahren zusammen mit seinen engagierten Landwirten auf eigene Kosten nach St. Petersburg auf der Fährte der schwäbischen Linsensamen.  

Die Reise war erfolgreich. Mammel, der in engem Kontakt mit Wissenschaftlern verschiedener Einrichtungen steht, informierte das Ministerium für Ländlichen Raum Baden-Württemberg. Dort rannte er offene Türen ein: Die Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen steht auf der Tagesordnung von Landwirtschaftsminister Peter Hauk weit oben. Mit Geldern des Ministeriums ist nun ein Forschungsprojekt angelaufen, in dem die alten Linsensorten vermehrt und bewertet werden. Die wissenschaftliche Arbeit übernehmen die Professoren Dr. Carola Prekrun, Dr. Barbara Elers, Dr. Jan Sneyd  und Dr. Roman Lenz der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt. Der Projektpartner ist die Erzeugergemeinschaft ‚Albleisa’. 

Im Frühjahr wurden rund tausend Linsen auf dem Lehr- und Versuchsbetrieb Tachenhausen ausgesät. Parallel werden kleinere Mengen bei einem erfahrenen Züchter an der Universität Göttingen angebaut und im Gewächshaus einer Gärtnerei, die auf die Arbeit mit Wildpflanzen und seltenen Kulturen spezialisiert ist. Die alten Linsen zu vermehren ist ein Ziel des Projektes. Man will jedoch auch herausfinden, welche Eigenschaften die alten Pflanzen besitzen. Es geht um die agronomisch relevanten Eigenschaften wie die Bildung der vegetativen Masse, Standfestigkeit, Anzahl der Hülsen pro Pflanze, Einheitlichkeit der Abreife und natürlich um den Ertrag. Um die historischen Alblinsen beurteilen zu können, stehen sie in Tachenhausen im Vergleich zu zehn anderen heutigen Linsensorten aus europäischen und außereuropäischen Ländern. Erst der Vergleich mit diesen Sorten, zeigt, ob die alten Linsen gegenüber den neuen das Rennen machen. Klar ist, auf der Schwäbischen Alb sollen wieder Linsen wachsen. Welche es sein werden, wird sich daran zeigen, welche Sorten den regionalen Anbaubedingungen besser gewachsen sind. Werden es die historischen Linsengenotypen sein, oder ist es sinnvoller, Sorten aus anderen Ländern bei uns anzubauen? „Reingeschmeckte“ sozusagen. Das Forschungsprojekt wird die Antworten liefern.