Wer gewinnt vom Nationalpark Schwarzwald?

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Pro und Contra Nationalpark. Die Experten dikutierten über den möglichen Gewinn für Mensch und Natur

- Befürworter und Gegner diskutieren an der HfWU -

NÜRTINGEN (hfwu). Es ist ein wichtiges Projekt der Grün-roten Landesregierung, mit dem sich die neuen Landesherren profilieren wollten. Dabei ging es nicht nur um die Sache an sich, am geplanten Nationalpark sollte sich auch der neue Politikstil des „Gehörtwerdens“ beweisen. An der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) trafen sich nun Experten, um nochmals den Kern des Themas auszuleuchten: Wer gewinnt vom neuen Nationalpark? Mensch, Natur oder beide? Die rund 70 Teilenehmer an der 13. Herbsttagung der Koordinationsstelle Wirtschaft und Umwelt diskutierten mit Referenten aus Wissenschaft und Naturschutzpraxis.

Die Zeit läuft: Anfang nächsten Jahres soll der erste Nationalpark Baden-Württembergs vom Landtag beschlossen werden. Doch die Politik spürt starken Gegenwind. Innerhalb der Bevölkerung des Nordschwarzwaldes – und nicht nur dort – gibt es erhebliche Meinungsverschiedenheiten gegenüber dem Projekt. Auf der Herbsttagung gaben zunächst Dr. Wolfgang Schlund (Naturschutzzentrum Ruhestein) und Dr. Thomas Waldenspuhl (Forstliche Versuchsanstalt Baden-Württemberg) einen ausführlichen Überblick über die geplante Gebietskulisse. Sie sprachen sich aus Sicht des Naturschutzes klar für den Nationalpark aus. Manche Tier- und Pflanzenarten kämen nur in „wilden“ Wäldern mit einem sehr hohen Totholzanteil vor. Und genau diese könnten in den Kernzonen eines Nationalparks entstehen. Schlund und Waldenspuhl nannten auch mögliche Probleme beim Namen. So würden zum Beispiel als Vorsichtsmaßnahme Pufferzonen eingerichtet werden, um einen möglichen Borkenkäferbefall aus der Kernzone des Nationalparks zu verhindern. Heidi Megerle, Professorin der Hochschule Rottenburg, beschrieb mögliche touristische Chancen und Risiken: Ein Nationalpark könne einerseits zur Wertschöpfung in der Region beitragen, jedoch müssten die Besucherströme gut gelenkt werden, um Belastungen durch Autokolonnen oder überhöhte „Touristenpreise“ zu vermeiden.

Eine gänzlich andere Sicht der Dinge vertrat Professor Dr. Wolfgang Tschupke. Er gilt als einer der prominenten Kritiker des Nationalpark-Vorhabens. Aus seiner Sicht ist ein Nationalpark nicht geeignet, um die Naturlandschaft des Nordschwarzwalds zu erhalten. Als Ethikerin machte Dr. Uta Eser von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt anschließend in ihrem Beitrag zur Bürgerbeteiligung deutlich, dass gerade bei sehr emotional diskutierten Konflikten dieser Art grundsätzlich zwischen der Sachebene und der Wertebene unterschieden werden müsse. Für Beteiligungsverfahren rät Eser, von Anfang an die Entscheidungsspielräume der Beteiligten zu klären. Es müsse über Interessen statt Positionen geredet werden und mögliche Belastungen müssten offen angesprochen werden. Auch in emotionalen Diskussionen müsse respektvoll miteinander umgegangen werden. Einen Ausblick auf mögliche weitere Entwicklungen im zukünftigen Nationalpark Schwarzwald gab zum Abschluss Dr. Franz Leibl, Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald: Die verschiedenen Lebensräume sind hier mit der Zeit vielfältiger geworden und manche zuvor seltene Tier- und Pflanzenarten sind häufiger anzutreffen. Der Faktor Zeit spielte hier auch noch eine andere Rolle: Zuerst massiv von der lokalen Bevölkerung abgelehnt, ist dieser „Opa“ unter den deutschen Nationalparken, der seit 43 Jahren besteht und 1997 erweitert wurde, inzwischen für die Bevölkerung eine Selbstverständlichkeit geworden. Eine Dokumentation der Tagungsbeiträge gibt es in Kürze unter www.hfwu.de/kowu.

Gerhard Schmücker
Nürtingen, 12.11.2013