Schützen wovon man lebt

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Rainer Putz als Redner am Pult

Dr. Rainer Putz sprach als Tropenökologe und Projektmacher über den Zustand der Regenwälder am Amazonas. (Foto: HfWU)

Gründer des Regenwald-Instituts e.V. sprach im Studium generale über „Die Regenwälder am Amazonas – und was haben wir damit zu tun?“

NÜRTINGEN (hfwu). Wir nähern uns dem Kipppunkt an dem so viel Regenwald zerstört ist, dass eine Erholung der empfindlichen Ökosysteme nicht mehr möglich ist. Rainer Putz, Gründer des Regenwald-Instituts, berichtete im Rahmen des Studium generale an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) vom alarmierenden Zustand der tropischen Wälder – und wie sie ökologisch wie ökonomisch dauerhaft gerettet werden können.

Die Fakten sind nicht neu, betroffen machen sie dennoch. Das ist im fast voll besetzten Vorlesungssaal an der HfWU in Nürtingen spürbar. „Der Kahlschlag des Regenwalds etwa auf Birma und Sumatra ist extrem. Im Amazonas ist die Abholzung und Brandrohdung in den vergangenen Jahren auf Rekordwerte gestiegen, auch wenn das Tempo aktuell etwas nachlässt“, erläutert Dr. Rainer Putz. Die Vernichtung der einzigartigen Ökosysteme habe bereits vor 50 Jahren in großem Maß begonnen, so der Gründer des Freiburger Vereins Regenwald-Institut. Einst waren es illegale Goldgräber und Holzfäller, heute ist es vor allem die Schaffung von Flächen für den Soja-Anbau und die Viehzucht, die die Zerstörung vorantreibt. Die Zerstörung der schier unvorstellbar großen Artenvielfalt der Wälder, die Zerstörung eines gigantischen Ökokraftwerks, das jährlich Milliarden von Tonnen CO2 absorbiert und Pumpe ist für den globalen Wasserkreislauf.

Die tropischen Regenwälder haben damit nicht nur eine Schlüsselrolle für das Weltklima. Unter dem Klimawandel leiden sie bereits selbst. „In den vergangenen 20 Jahren gab es Fluten und Dürren in bisher unbekanntem Maß. Noch ist völlig unklar, wie und ob die Wälder langfristig mit solchen Extremereignissen zurechtkommen“, warnt der Experte für Tropenökologie.

Heute seien weltweit bereits 25 Prozent der Regenwälder verschwunden, berichtet Putz. Sind 40 Prozent zerstört, erholen sie sich nicht mehr, aufzuforsten ist auf den humusarmen Böden flächendeckend nicht machbar, eine Versteppung unausweichlich. Doch bei aller Dramatik der Entwicklungen, „anders als bei den abschmelzenden Polkappen, den auftauenden Permafrostböden oder dem langsamer werdenden Golfstrom, bei den Regenwäldern haben wir noch Einfluss darauf wie es weitergeht“, ist Putz überzeugt.

Bei allem Interesse des Wissenschaftlers am Ökosystem Regenwald, der Schlüssel für die Zukunft des Lebensraums liegt für Putz bei den Menschen vor Ort. „Mit unserem Konsum tragen wir nicht nur zur Vernichtung einer einzigartigen Flora und Fauna bei, wir zerstören die Lebensgrundlage der Menschen, die dort leben.“ Der Diplombiologe ist mindestens einmal im Jahr im Amazonas, um mit der traditionellen Bevölkerung vor Ort ein Dutzend Projekte voranzubringen. „Wenn die Menschen von dem leben können, was die Wälder bereitstellen, dann schützen sie die Wälder auch. Das ist der einzig vernünftige und wirklich nachhaltige Ansatz, um den Regenwald langfristig zu erhalten“, so das Credo von Putz.

Zu den aktuellen Vorhaben des Regenwald-Instituts vor Ort gehört eine Trinkwasseraufbereitungsanlage und Solarpanels zu installieren sowie ein Verwaltungs- und Schulungshaus zu bauen, zudem ist eine eigene Forschungsstation geplant. Das größte laufende Projekt ist das Sammeln von Wildkakao. Mehrere hundert Familien verdienen sich damit ihren Lebensunterhalt. „Aus dem Kakao wird eine Schokolade mit Geschmacksaromen, die es in herkömmlicher Schokolade aus Plantagenkakao nicht mehr gibt“, erläutert Putz. Aber auch Produkte wie wilder Regenwald-Chili, Pflegeöle und Haarseife aus Regenwaldölen gehören zur Produktpalette, die in Deutschland hauptsächlich über die Weltläden vertrieben wird.

Mit einer Kostprobe können sich die Studium-generale-Besucher selbst vom besonderen Geschmack der Regenwaldschokolade überzeugen. Und sich den Umstand vergegenwärtigen, dass ein Stück Schokolade viel damit zutun haben kann, ob die Lebensgrundlagen von Menschen erhalten oder zerstört werden.