Scheitern als Erfolgsrezept

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Dr. Santiago Aguilar

Dimi Lazaridis

- zwei Firmengründer berichteten bei der FuckUp-Night von ihrem anfänglichen Scheitern als Unternehmer -

NÜRTINGEN(hfwu). Der eine sagt „klein anfangen“, der andere „groß denken“. Bei der „FuckUp Night“ in Nürtingen zeigten zwei unterschiedliche Unternehmerpersönlichkeiten, wie man erfolgreich scheitert und welche Rolle die Nachhaltigkeit bei ihren Firmengründungen spielt.

Sieben Jahre und unzählige Anläufe brauchte es, bis Santiago Aguilar endlich ein Bier von der Qualität und mit dem Geschmack herstellen konnte, wie er es sich vorstellte. Auch mit der Produktion anderer Lebens- und Genussmittel hatte der Biologe lange experimentiert. Viel Genießbares entstand dabei am Anfang nicht. „Auch bei Rückschlägen bleibe ich immer Optimist, wenn das eine nicht klappt, dann versuche ich etwas Anderes, ich denke, das ist eine charakteristische Eigenschaft eines Entrepreneurs“, so Aguilar im Rückblick auf seinen unternehmerischen Werdegang. Mit einem guten Bier, so sollte sich allerdings zeigen, stellt sich nicht automatisch der wirtschaftliche Erfolg ein. Die Idee, den Gerstensaft in Nürtingen in Fässern zu verkaufen, ging nicht auf. Den Grund dafür sieht Aguilar darin, dass die Nürtinger viel weniger ausgehen, als er angenommen hatte. So kam er auf die Flaschenabfüllung und die Eröffnung der Gerstenfux-Bar in der Nürtinger Altstadt. Bei der Bierwerk Gerstenfux GmbH gehört eine nachhaltige Produktion zum Kern der Firmenphilosophie. Sein Rat an Firmengründer: „Immer klein anfangen. Sich fragen, ob das, was man machen will, möglich ist und ob es möglich ist, neben dem Beruf oder dem Studium anzufangen. Und dann einfach machen, nicht zu lange warten.“

Rund fünfzig Interessierte waren der Einladung zur FuckUp Night, die hybrid – virtuell und vor Ort –  durchgeführt wurde, gefolgt. Organisiert hatte den Abend das Team von Zukunft.Gründen (ZuG), ein Projekt an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Grundgedanke der FuckUp Night ist, dass gerade auch im unternehmerischen Zusammenhang Scheitern eine ergiebige Quelle für eine Weiterentwicklung darstellt und ein wertvoller Bestandteil von Innovationsprozessen sein kann. Veranstaltungsort war die „Futurebox“, das neue Nürtinger Gründerzentrum. Es bietet Start-ups, Co-Working-Initiativen, Studierenden und Gründungsinteressierten mit einem Fokus auf nachhaltige Ideen Raum für Austausch und Kreativität.

„Denk groß, geh in kleinen Stufen auf ein großes Ziel zu“, rät Dimi Lazaridis. Er ist Gründer mehrerer StartUps wie die Aironauten, Coffeefreakz und die Gastroexperten. Mit 22 Jahren realisierte er seine erste Unternehmung, ein Billiardcafé. Mit 24 hatte er 130.000 Mark Schulden – sein erstes Scheitern. Unterkriegen ließ er sich davon nicht. Mit einer erfolgreichen Immobilienfirma hatte nach drei Jahren die Schulden abgetragen. Ähnlich wie Aguilar sagt Lazaridis: „Mein Motto ist ‚stolpern, aufstehen, weitermachen‘“. Inzwischen hat er etliche Firmen gegründet. Einige erfolgreich verkauft, andere sind gefloppt. Selbstbestimmung nennt er als einen wichtigen Antreiber für seine Firmengründungen. Früher kamen noch das Streben nach Anerkennung, Erfolg, Status und Geld hinzu. Das hat sich geändert. „Ich habe gesehen, dass es mich viel zufriedener macht, wenn ich etwas Sinnstiftendes tue“, so Lazaridis. Und sinnstiftend kann heißen, einen Beitrag zu nachhaltigem Konsum zu leisten. So ist die Idee für die Vertriebs- und Handelsfirma Coffeefreakz entstanden, die kompostierbare Kaffeekapseln vertreibt.

Im Anschluss an die beiden unterhaltsamen Vorträge gab es viele Fragen und eine angeregte Diskussion. Die Berichte von einem lehrreichen Scheitern wirkten, so der Eindruck, auf das Publikum befreiend. Von etlichen angehenden Firmengründern nahmen sie offenbar den Erfolgsdruck. Denn nicht zuletzt zeigten die beiden unterschiedlichen Unternehmer: ganz unterschiedliche Strategien führen zum unternehmerischen Erfolg, vor allem aber Beharrlichkeit.