Robust, vielfältig, konfliktfähig – Tagung erörtert Stadt der Zukunft

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HfWU-Professor. Dr. Henning Krug beim „Tag der Planung“.

- Wie sieht die zukunftsfähige Stadt aus? Interdisziplinäre Tagung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen gibt Antworten -

NÜRTINGEN. (hfwu) Die zukunftsfähige Stadt muss Spannungen zwischen Eigenem und Fremdem, Alten und Jungen, Reichen und Armen bewältigen können. Dies ist ein Ergebnis einer Fachtagung an der Hochschule für Wirtschaft (HfWU) in Nürtingen, die ganz unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen zusammenbrachte.

Die HfWU und die Hochschule für Technik Stuttgart (HfT) veranstalteten in Nürtingen gemeinsam eine städteplanerische Tagung zum Thema Stadt und Gesundheit. Die therapeutischen Studiengänge der HfWU waren dabei zum ersten Mal in der Rolle des Gastgebers. Damit war die weite interdisziplinäre Spanne der Veranstaltung bereits vorgegeben. Was aber haben ein Psychologe, ein Soziologe und ein Architekt gemeinsam? Ziemlich viel, wie die rund 120 Teilnehmer feststellten. Von den unterschiedlichsten Blickwinkeln schauten Wissenschaftler auf das Thema Stadt und Gesundheit.

Mit Stolz und auch ein wenige Verwunderung freute sich Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis bei seiner Begrüßung über die Tradition zweier Hochschulen: Seit zwölf Jahren veranstalten die HfT Stuttgart und die HfWU Nürtingen nun den Tag der Planung. „Zum zwölften Mal kommen wir heute zusammen und diskutieren und vertiefen ein Thema“, so der Nürtinger Professor. „Und wieder haben wir ein brandaktuelles Thema gewählt: Stadt und Gesundheit.“

Der Fokus passte in diesem Jahr nicht nur, da er im Trend liegt. Vor allem war dies ein guter Einstieg für die künstlerisch therapeutischen Studiengänge, die zum ersten Mal an den Vorträgen beteiligt waren. Seit rund anderthalb Jahren ist die ehemals private Hochschule Teil der HfWU. Erst vor wenigen Wochen hatten die Mitglieder der neu zusammengesetzten Fakultät für Landschaftsarchitektur, Umwelt- und Stadtplanung und Hochschulstudiengänge künstlerische Therapien eine Podiumsdiskussion organisiert. Darin betonten sie, dass nun der bürokratische Teil der Integration abgeschlossen werde und es Zeit für mehr kreative Zusammenarbeit sei. Der „Tag der Planung“ bot dafür eine gute Gelegenheit. Den ersten wissenschaftlichen Vortrag von Seite der kunsttherapeutischen Studiengängen hielt HfWU-Professor Dr. Ralf Bolle. Bezüglich des ihm vorgegebenen Themas „Sind wir Menschen auf die Stadt vorbereitet? Die Stadt aus entwicklungspsychologischer Sicht“ gestand er: „Ich muss zugeben, das Thema hat mich etwas unvorbereitet getroffen. Ich als Psychologe bin eher innere Landschaften gewohnt. Und die plane ich nicht.“ Doch umso mehr er sich in den Komplex eingearbeitet habe, „umso mehr Stellen haben mich interessiert, ja begeistert.“ Den Gegenvortrag „Ist die Stadt auf uns Menschen vorbereitet? Die Stadt aus planerischer Sicht“ hielt der Soziologe Dr. Stefan Krämer von der Wüstenrot Stiftung und auch an der HfT tätig. Auch ihn hatte es überrascht, hierzu gebeten worden zu sein. Wie sollte er als Soziologe die planerische Sicht darzustellen?

Und obgleich die beiden Wissenschaftler völlig unterschiedliche Herangehensweisen wählten, kamen sie doch am Ende bei einem erstaunlich ähnlichen Punkt heraus. Bolle: „Wir brauchen Städte als Orte, zu denen man gerne geht. In der die Gesellschaft gespiegelt und Spannungen ertragen werden: Zwischen dem Eigenen und dem Fremden, dem Alten und dem Jungen.“ Und so fragte auch Krämer: „Sind die Städte auf die Ungleichheit vorbereitet?“ Er betonte vor allem die Aspekte sozialer Chancen und Bildung bei wachsenden, zu duldenden Differenzen. So kam es nach zwei Vorträgen, wie sie ungleicher kaum hätten sein können, bei der anschließenden Diskussion zu einem gemeinsamen Plädoyer: Für eine heterogenere, konfliktfähigere und robustere Stadt.

Im Anschluss gab es fünf Kurzvorträge. Valerie Rehle von der HfT berichtete von einem aktuellen Lehrforschungsprojekt: Studierende der Stadtplanung besuchen an Demenz erkrankte Menschen. In Gesprächen und gemeinsamen Stadtrundgängen können die Studierenden so erfahren, worauf es bei einer Stadt für Menschen mit kognitiver Einschränkung ankommt. Prof. Dr. Henning Krug sprach zur Rolle der Mobilität beim Thema Stadt und Gesundheit. Witzig und anschaulich brachte er die Zuhörer zum Nachdenken darüber, wie etwa das allgegenwärtige Autofahren unsere Stadtbilder geprägt hat. Zudem teilten sich gleich drei HfWU-Professoren einen viertelstündigen Powervortrag: „Teilhabe und Aneignung. Interventionen im Raum aus architektonischer, pädagogischer und therapeutischer Sicht“.

Fazit: Eine Tagung, die ihrem hochgesteckten Ziel gerecht wurde – aus ungewohnten wie vielfältigen Perspektiven einen Blick drauf zu verwerfen, wie eine interessensausgleichende Stadt der Zukunft aussehen könnte.