Online-Plattform im Stresstest

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Die Blickverlaufsmessung gehörte zu einen der Test-Methoden der Studierenden.

Die Studierenden zusammen mit Prof. Dr. Iris Ramme (5.v.r.).

- Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen prüfen Nutzerfreundlichkeit von Webangebot der Stadt Kirchheim -

NÜRTINGEN (hfwu). Die Stadt Kirchheim unter Teck entwickelt derzeit zusammen mit Akteuren aus der Wirtschaft eine ganzheitliche Online-Plattform. Sie soll den Nutzern lokale Informationen und mit dem sogenannten Teckschlüssel exklusive Vorteile bieten. Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen haben getestet, wie benutzerfreundlich die Plattform ist und welche Inhalte am wichtigsten sind.

Besser wäre, weniger scrollen zu müssen, Bilder sind immens wichtig, es gedauert zu lange bis man gefunden hat, wo man sich für den Teckschlüssel registrieren kann und extrem wichtig ist den potenziellen Nutzern die Aktualität. Dies sind einige der wichtigsten Befunde der Studierenden. Sie bemängeln zudem, dass die Kirchheimer Vereine in der Rubrik „Erlebniswelten“ fehlen und hier die Bereiche Freizeit und Sport nicht trennscharf genug seien. Um sich für den Teckschlüssel zu registrieren, sollten besondere Anreize geschaffen werden. Dies könnten zum Beispiel exklusive Angebote sein wie etwa Coupons für Geschäfte oder Punkte fürs Parken in den Kirchheimer Parkhäusern. Bei der Registrierung für den Teckschlüssel gab es kritische Stimmen bezüglich des Datenschutzes. Eine Blickverlaufsanalyse im Rahmen der Studie zeigte zudem, dass die jetzige Platzierung der Registrierungsmöglichkeit auf der Website nicht optimal ausgewählt wurde.

Im Sommersemester hatten 17 Studierende des Studiengangs Betriebswirtschaft an der HfWU in ihrem Abschlusssemester bei Prof. Dr. Iris Ramme und Diplom-Betriebswirtin (FH) Anke Schramm die Gebrauchstauglichkeit des geplanten Webportals für Kirchheim auf den Prüfstand gestellt. Die Stadt entwickelt zusammen mit Akteuren aus der Wirtschaft derzeit die ganzheitliche Online-Plattform, die den Nutzern lokale Informationen und in Form des sogenannten Teckschlüssels exklusive Vorteile bieten soll. An dem Angebot arbeiten die Akteure seit längerem mit der Integrated Worlds GmbH zusammen.

Vor dem Startschuss sollte die „Usability“ getestet werden, das heißt, es soll getestet werden, wie benutzerfreundlich die Plattform überhaupt ist. Dazu wurden vier studentische Teams gebildet. Ein Team ermittelte in einer Vorbefragung die Erwartungen der potenziellen Nutzer. Ein Team nahm, solange eine Testperson die Website nutzt, eine sogenannte Blickverlaufsmessung vor. Dabei kann nachverfolgt werden, wohin das Auge des Betrachters wandert. Das ist wichtig, um zu messen, wie lange ein Nutzer braucht, um die richtige Information auf einer Website zu finden oder welche Teile einer Website besonders attraktiv oder auch völlig uninteressant sind. Ein weiteres Team machte eine „Think Aloud Analyse“. Hier werden die Testpersonen gebeten, laut zu denken und zu sagen, was ihnen bei einer Website besonders auffällt. Ein Team unternahm eine Nachbefragung und fragte Testpersonen nach ihrem Eindruck und was ihnen an der Website gefallen hat und was verbesserungswürdig ist.

Die Ergebnisse der Studie werden nicht ohne Folgen bleiben. Bezüglich der Blickverlaufsanalyse und der ungünstig platzierten Registrierungsmöglichkeit sagt Saskia Klinger, Leiterin des Referats Wirtschaftsförderung der Stadt Kirchheim: „Das soll geändert werden“. Die gewonnenen Erkenntnisse der Studierenden stimmten mit den wissenschaftlichen Analysen überein. „Wir möchten die ganzheitliche Plattform so benutzerfreundlich wie möglich gestalten. Daher sind die Ergebnisse – in diesem doch sehr frühen Stadium – besonders wertvoll für uns, um sie bei einer Umsetzung zu berücksichtigen“, so Klinger.

Getestet hatten die Studierenden die Online-Plattform mit 15 Kirchheimern auf zwei Computern in der Kirchheimer Stadtbibliothek. Das erforderliche Equipment mit der Augenkamera zur Blickverlaufsmessung inklusive Aufzeichnungs- und Auswertungssoftware stellte BiSigma kostenlos zur Verfügung. Das Unternehmen gehört zu den führenden Anbietern von Hard- und Software zur Messung von Biosignalen.

„Die von den Studierenden erarbeiteten Ergebnisse sind ein wertvoller Beitrag für die weitere Entwicklung der Oberflächen und der Usability der Web-Applikation“, so Sebastian Triltsch, Marketing-Manager bei Integrated Worlds. Die Auswertung habe zudem gezeigt, dass die Erkenntnisse der Studie auch Einfluss auf die sich in der Entwicklung befindende mobile Ausprägung (App) des Teckschlüssels haben werde. Dieser biete neben Funktionen wie dem kontaktlosen Parken auch die Bereitstellung lokaler Informationen in einem für Anwender hochgradig personalisierbaren Umfeld.

Und was haben die Studierenden davon? „Als wir Anfang Mai in Kirchheim die Studie durchgeführt haben, waren die Studierenden mit den Methoden Vor- und Nachbefragung, Blickverlaufsmessung und Think Aloud nicht vertraut. Sie haben sich aber in kurzer Zeit sehr viel Wissen angeeignet und Ende Juni bei der Präsentation der Ergebnisse mit schlüssigen Vorschlägen geglänzt“, so Dr. Iris Ramme, Professorin für Marketing und Marktforschung an der HfWU. „Damit sind sie bestens für die Marketingpraxis gerüstet, denn solche Methoden gehören für mich zum Alltagsgeschäft“, sagt Anke Schramm, die schon seit vielen Jahren ihr Praxiswissen als Lehrbeauftragte an die Studierenden der HfWU weitergibt.

Die HfWU profitiert indirekt auch von dem Projekt. Das Methodenlabor der Hochschule plant die Anschaffung von Hard- und Software zur Blickverlaufsmessung. Ausgehend vom aktuellen Projekt und den gesammelten Erfahrungen hätten zahlreiche weitere Interessenten und Einsatzmöglichkeiten in Forschung und Lehre in allen Fakultäten der HfWU identifiziert werden können, so Benedikt Rilling, akademischer Mitarbeiter des Methodenlabors, der die Studierenden beim Einsatz der Technik unterstützt hat.