Oft wurde das Hirn durch dot.com ersetzt

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Oft wurde das Hirn durch dot.com ersetzt

Oft wurde das Hirn durch dot.com ersetzt

- Nürtinger Finanzforum stellt Frage nach der Aktienkultur in Deutschland -
NÜRTINGEN. (üke) Der heftigste Aktienboom, den Deutschland je hatte, ist vorüber. Ist es damit auch mit der vielbeschworenen Aktienkultur vorbei, von der man dachte, dass sie in der Folge der T-Aktien-Emission die Herzen der bundesdeutschen Sparer erobern würde? Während des 2. Nürtinger Finanzforums an der Fachhochschule Nürtingen stellten Experten fest: Es gibt eine Aktienkultur. Es gab Sie vor der T-Aktie und es gibt Sie auch nach dem 11. September.

Die Frage, ob es denn überhaupt eine Aktienkultur in Deutschland gäbe, wurde auf dem Finanzforum nur rhetorisch gestellt. Es gibt genügend Gründe, die dagegen sprechen. Noch immer wird nur 10% der Vermögen direkt in Aktien investiert. Damit bleibt Deutschland ein Schlusslicht im internationalen Vergleich. Und im Rausch des neuen Marktes hätten viele Anleger das Hirn durch dot.com ersetzt: "Ist es Aktienkultur, wenn Menschen in Firmen investieren, deren Produkte sie nicht kennen und deren Namen und sie weder lesen, noch schreiben, noch buchstabieren können?" Mit dieser provokanten Frage formulierte der Organisator der des Forums, Professor Dr. Kurt M. Maier, der Leiter des Studienganges Internationales Finanzmanagement, das Thema.
Tatsache ist, das Vertrauen der Privatanleger in die Börse ist erschüttert. Einseitige Schuldzuweisungen bringen dabei wenig, davor warnt Dr. Siegfried Jaschinsky, Vorstandsmitglied der Landesbank Baden-Württemberg und Präsident der Stuttgarter Wertpapierbörse. Schuld an der Aktienmisere seien letztlich alle: Analysten, Banken und Anleger gleichermaßen. Die Aktienkultur in Deutschland hatte jedoch schon vor der letzten Hausse begonnen. Durch die T-Aktie wurde ihr nur noch ein zusätzlicher Schub verliehen. Und auch in der jetzigen Krise, habe die Zahl der Anleger im ersten Halbjahr weiter zugenommen. An der Aktie als Form der Altersvorsorge führe kein Weg vorbei. Aktienfonds erfreuen sich momentan eher der Gunst des Publikums. Für den Stuttgarter Börsenpräsidenten steht fest. Das Kursdebakel war der Aktienkultur eher förderlich, die heute primär eine Fondskultur sei.
Die Anleger profitieren von der Aktie und zur Aktienkultur gehörten Professionalität und Vertrauen. Dass beides im letzten Jahr nicht anschaulich wurde, daraus macht auch Friedrich Lauer, der Leiter des Investor Relations con Daimler Chrysler keinen Hehl. Aber es bleibe dabei: "Die Aktie schlägt die Rente in der Rendite um Längen." Die etablierten DAX Werte hätten unter der Krise des neuen Marktes gelitten. Und das in einer Situation, in der gerade auch große Konzerne wie Daimler Chrysler auf einen funktionierenden Kapitalmarkt angewiesen seien. Die Kultur kann in einer langen Hausse auf der Strecke bleiben. Und die Tatsache, dass an den Stammtischen mehr über Aktieninvestments als über Fußball diskutiert wurde, sagt für Lauer wenig über die Aktienkultur aus." Heute gehe es darum Vertrauen zu schaffen. Die Unternehmen selbst seien da gefordert. Die strengeren Regeln des amerikanischen Aktienrechtes täten der deutschen Szene nur gut. Mit einer offenen Informationspolitik müssen die Untenehmen für Vertrauen sorgen. Alles was den Kapitalmarkt beschädigt ist Gift für die Unternehmen.
Der Markt ist auf dem Weg zu dieser Transparenz. Die Firmen und Anlegergesellschaften haben bereits viele Maßnahmen eingeführt die für mehr Offenheit sorgen und die Anleger im Blick haben. So gibt es keinen Grund zu Pessimismus, meint Gunars Balodis, Vorstandsmitglied der Deka Kaitalanlagegesellschaft. Auf allen Seiten wurde gelernt. Auf der Unternehmerseite und der Banken, aber auch die Anleger entwickelten durch die Baisse am Neuen Markt mehr Risikobewusstsein. Und das ist Aktienkultur. Anleger dürften nicht nur auf Chancen sondern auch auf Risiken achten. Die 18% Rendite der letzten fünf Jahre entsprächen nicht dem, was Anleger langfristig erwarten könnten. Klar sei schon heute, dass sich die Kapitalmärkte erholen. Bei aller Tragik: Die Geschichte von Pearl Harbor bis zum Golfkrieg zeige, dass externe Schocks keine bleibenden Auswirkungen auf den Aktienmarkt haben. Das gilt auch für die aktuelle politische Situation.
Eben diese Situation hatte auch der neue Rektor der Fachhochschule Nürtingen zum Anlass genommen, in seiner Begrüßung die Rolle der Internationalisierung der Fachhochschule Nürtingen zu betonen. Professor Klaus Fischer mahnte, die Tatsache dass ausländische Studierende deutscher Hochschulen für die Attentate in den USA mitverantwortlich seien, habe die Hochschulen erschüttert. Die FH-Nürtingen habe den Weg der Internationalisierung eingeschlagen. Dieser Weg werde weiter beschritten. Alle Studierenden des Studienganges "Internationales Finanzmanagement" müssen für ein Jahr im Ausland studieren. Die Fachhochschule auf der anderen Seite steht den Studierenden ihrer Partnerhochschulen offen. "Wir müssen international wettbewerbsfähig bleiben. Wir wollen, dass diese Studierenden zu uns kommen und wir wollen ihnen zeigen, dass sie willkommen sind.