Kann die IBA Lösungen liefern?

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Die Diskussionsrunde während des Immobilienkongresses: Moderator Herbert Klingohr, Prof. Dr. Brigitte Biermann, Samir Sidgi, Andreas Hofer und Florian Kaiser.

Während des Immobilienkongresses erhielt Alexander Rommel einen Preis für seine Abschlussarbeit am Studiengang Immobilienwirtschaft. Der Vorsitzende der Stiftung des Freundeskreises Immobilienwirtschaft, Herbert Klingohr, überreichte die Urkunde.

- HfWU-Immobilienkongress beleuchtet künftige Wohnformen -

NÜRTINGEN (hfwu). Die Region Stuttgart, zu der auch Geislingen gehört, besitzt vieles im Überfluss und leidet doch auch an einem knappen Gut: Wohnraum – vor allem bezahlbaren. Der Immobilienkongress der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, der im Rahmen der Geislinger Hochschultage stattfand, stellte nicht nur die Frage „wo man wohnen kann“ in den Vordergrund, sondern vor allem das „wie“. Die kommende internationale Bauausstellung IBA 27 sollte Antworten liefern.

Andreas Hofer, der Schweizer Architekt und IBA-Intendant ließ keinen Zweifel, dass sie IBA wenig zur Lösung der Wohnungsknappheit im Ballungsraum beitragen kann. Die IBA sei ein experimentelles Format, das Ideen liefert, die dann im Anschluss zu Konzepten beim Wohnungs- und Städtebau führen. Dies hätten vergangene Ausstellungen gezeigt. Wichtig sei, neue Lösungen zu finden und nichts Bestehendes zu bestätigen. Das Reizvolle am regionalen Anspruch der IBA ist für Hofer, dass das „urbane Leben in der Region bis auf die Alb reiche. Bei der Frage, wie „wir“ künftig wohnen wollten, zitierte Hofer den Bruch zwischen Städtebau auf der einen und den Wohnvorstellungen in der Gesellschaft auf der anderen Seite.

Dies passte zu den Begrüßungsworten von Oberbürgermeister Frank Dehmer, für den es weder den Begriff „Wir“ noch „das Wohnen“ gab. Beide bezeichneten inhomogene Massen, diffuse Verhältnisse. Dies zeige sich daran, dass Deutschland schrumpfe, gleichzeitig es aber mehr Haushalte mit steigendem Flächenbedarf gäbe. Gleichzeitig verlange auch der Wohnungsmarkt klimaneutrale Objekte. Für Hofer liegt hier die Crux: Der Energieverbrauch verlange, eine komplette Kehrtwende in der Wohnungswirtschaft. Er zeigte eine Reihe an Beispielen, in denen große ehemalige Industriegebäude zu Wohnungskomplexen umgebaut wurden. Gebäude mit 300 Wohnungen, die in den Erdgeschossen Gemeinschaftsflächen bieten. Waschen, Kochen und andere Funktionen rücken aus den Wohnungen heraus und werden in gemeinsam genutzte Flächen verlagert. So hofft Hofer, lasse sich die Formel „Drei-Zimmer-Wohnung-80 Quadratmeter“ am ehesten durchbrechen.

Es braucht nicht viel Fläche, um glücklich zu leben. Siebeneinhalb Quadratmeter sind zwar knapp bemessen, könnten aber reichen. Mehr Platz gibt es nicht in dem „Tiny House“, das das junge Stuttgarter Architekturbüro KaiserShen in Ludwigsburg gebaut hat: Es steht auf der Verkehrsinsel einer vielbefahrenen Straße: klein, aber mit hoher Qualität. Florian Kaiser zeigte dazu passend Mehrfamilienhäuser, die auf begrenztem Raum, viel Qualität und vor allem Gemeinschaftsräume zeigten.

Da war er wieder, der Begriff der Gemeinschaft, der sich durch alle Vorträge des Kongresses zog. Auch bei Samir Sidgi, der für die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft an vorderster Front des Wohnungsmarktes steht. Er hat den Anspruch, für die breite Bevölkerung zu bauen. Er wünscht sich eine städtebauliche Diskussion, bei der es weniger um Kosten und Verwaltungsfragen geht sondern darum, wie urbanes Wohnen aussehen soll: „Wie sieht die europäische Stadt der Zukunft aus, was geschieht mit meiner Stadt“? Hier hofft Sidgi auf die IBA. Denn die Schranken in den Köpfen müssten weg, viele aktuelle Regelungen und Vorgaben hätten wenig mit der Zukunft urbanen Wohnens zu tun. Wie Hofer sieht er die Notwendigkeit großer Häuser mit funktionierender Gemeinschaft.

HfWU-Professorin Dr. Brigitte Biermann sieht die Städte als Vorreiter zu mehr Nachhaltigkeit. Sie hätten die notwendige „transformative Kraft“. Nachhaltige Städte und Gemeinden sind ein Ziel in der Nachhaltigkeitsstrategie der Vereinten Nationen. Zu der Nachhaltigkeit gehöre auch Widerstandsfähigkeit. Mit gutem Grund: Es sei notwendig vorausschauend zu planen, um mit den Folgen des Klimawandels klarzukommen. In der abschließenden Podiumsdiskussion spannte Biermann in ihrer Argumentation den Bogen zur IBA: Von der Bauausstellung können das Land profitieren, durch Projekte, die das Land voranbringen, gerade im Sinne der Nachhaltigkeit: „Wenn wir die eigenen Ziele nicht erreichen, wird es richtig teuer“.

Für Andreas Hofer leidet die Region derzeit an den eigenen aufgebauten Regularien. Bei aller vorhandenen Kreativität würde sich die Region selbst behindern. Die IBA sei die Chance, aus dem System auszubrechen und Freiräume zu bekommen die man nutzen kann. „Da wollen wir noch mehr tun“. So sieht es auch Samir Sidgi, der sich weniger „defizitorientierte Rhetorik“ wüscht und mehr Wille zur Gestaltung. Florian Kaiser sieht einen Wunsch nach Gemeinschaft und guter Nachbarschaft, der durch IBA-Projekte aufgegriffen werden kann.

Dass Gemeinschaft Gutes schafft, hatte HfWU-Rektor Professor Dr. Andreas Frey in seiner Begrüßung betont. Seit dreißig Jahren stünden die Geislinger Hochschultage für den Anspruch, den Kontakt zur Gesellschaft zu pflegen. Hochschule, Stadt und Kreissparkasse sorgen dafür gemeinsam. Mit Erfolg, Prorektor Professor Dr. Markus Mändle hatte durch die Veranstaltung geführt und bedankte sich bei einem gemischten Publikum aus Studierenden, Branchenvertretern und Bürgern der Stadt.

Nürtingen, 07.11.2019
Gerhard Schmücker