HfWU-Immobilienkongress: "Wir müssen zusammenrücken"

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Foto: (Markus Sontheimer, GEISLINGER ZEITUNG) 200 Experten aus der Wohnungswirtschaft diskutierten während des HfWU-Immobilienkongresses Wege zu bezahlbarem Wohnraum. Welche Rolle spielt der Staat und welche Aufgaben können Wohnungsgenossenschaften dabei übernehmen.

- Ökonomen und Genossenschaftler diskutieren über bezahlbares Wohnen -

NÜRTINGEN (hfwu). „Bezahlbares Wohnen“ ist spätestens mit den Flüchtlingsströmen wieder in der deutschen Politik angekommen. Ein Thema, das sich als roter Faden durch die diesjährigen Geislinger Hochschultage zieht und dem sich auch der Immobilienkongress des HfWU-Studienganges Immobilienwirtschaft widmete. Rund 200 Experten aus der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft hatten sich dazu in der Jahnhalle getroffen.

Professor Dr. Markus Mändle sieht vor allem die Genossenschaften in der Rolle derer, die nach wie vor verlässlich für bezahlbaren Wohnraum sorgen könnten. Wenn man sie denn ließe, denn ohne entsprechende Erleichterungen von staatlicher Seite geht es nicht. Der Meinung waren alle Referenten des Kongresses. Weniger Regulierung, weniger rechtliche Vorgaben und niedrigere Hürden für Investoren forderte Professor Dr. Ramon Sotelo von der Bauhaus-Universität Weimar. Er offenbarte sich weniger als glühender Anhänger der Genossenschaften, sondern sieht vor allem einen funktionierenden  Markt nach ökonomischen Regeln als Lösung. Wohnungsknappheit entstünde durch zu viel Regulierung und falsche Mieten. Wobei falsch in diesem Sinne „zu niedrig“ bedeutet. Sotelo argumentierte streng ökonomisch, dass die bisherigen Instrumente des sozialen Wohnungsbaus zu teuer und zu wenig effektiv seien. Die Misere mangelnder günstiger Wohnungen in manchen Regionen ist ein Problem, das Sotelo vor allem mit Steuererleichterungen lösen will. Mietpreisbremsen und andere regulative Eingriffe seien dagegen der falsche Weg.

Was staatliche Hemmnisse betrifft, konnte sich Sotelo dem Beifall der Genossenschaftsvertreter sicher sein. „Die Genossenschaften stehen bereit und würden bauen, aber wir werden ständig ausgebremst“, beklagt Michael Wettermann, Absolvent der HfWU in Geislingen und inzwischen Vorstand der Frankfurter Wohnungs-Genossenschaft.  Mit einer ganzen Liste an Grausamkeiten schilderte er die Hemmnisse für seine Branche. Sein Kollege Egon Bertenbreiter von der Baugenossenschaft Ellwangen wurde noch konkreter: Brandschutz, Naturschutz, Denkmalschutz, Stellplatzvorgaben, Vergaberecht und langsame Entscheidungen machen das Bauen teuer. „Niedrige Mieten und hohe politische Standards – das beißt sich“.

Dabei sehen sich die Genossenschaften durchaus als potentieller Partner der Politik. Rund 400 000 günstige Wohnungen fehlen derzeit und die Genossenschaften könnten eine aktive Rolle spielen, dieses Problem in den Griff zu bekommen. „Wir sind die einzigen und verlässlichen Unternehmen, die nachhaltig für bezahlbares Wohnen sorgen können“. Dr. Iris Beuerle, die den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen vertritt, ließ an Deutlichkeit keinen Zweifel, dass sie die Genossenschaften mit deren Geschäftsmodell als Lösung sieht. 41 Prozent der Mietwohnungen in Hamburg seien im Besitz von Genossenschaften. „Wir nehmen nicht was wir sollten oder müssten, sondern was wir können und drücken somit den Mietspiegel. Wir sind die Guten“. 

Dabei könnten die Genossenschaften noch mehr tun, um für preiswerten Wohnraum zu sorgen. Egon Bertenbreiter verleugnet nicht, dass sich die Genossenschaften aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen hätten. Die Politik hätte den Genossenschaften in der Vergangenheit das Leben schwer gemacht, dies ändere sich derzeit, „wir werden wieder gefragt“. Doch auch Bertenbreiter fordert vereinfachte gesetzliche Anforderungen. Auch Genossenschaften müssten unternehmerisch handeln. Ihre erste Aufgabe sei es, ihre Mitglieder zu fördern. Und eines der Haupthemmnisse für billigen Wohnraum ist in erster Linie das fehlende günstige Bauland. Darauf sind auch Genossenschaften angewiesen, wenn sie bauen wollen. Davon konnte Michael Wettemann, geprägt von der Realität in Frankfurt, ein Lied singen. Die Kommunen verkauften ihr Bauland noch immer so teuer wie möglich, Genossenschaften hätten kaum eine Chance hier zum Zuge zu kommen. Es sei diese Doppelmoral, die die Wohnungsgenossenschaften behinderten. Dabei stünden gerade die Genossenschaften für solidarisches Handeln, das in der jetzigen Flüchtlingskrise gefragt sei. „Wir verzichten auf Erträge, wir tragen Verantwortung für das Land und wir stehen für eine echte soziale Marktwirtschaft“. Dabei, so Egon Bertenbreiter, müssten auch die Genossenschaften Geld verdienen.

Es waren vordergründig zwei Welten, die beim diesjährigen Immobilienkongress aufeinandertrafen. Auf der einen Seite die Genossenschaften, die sich als Partner der Politik anboten, gerade auch wenn es darum geht, die Flüchtlingsunterbringung zu bewältigen. Auf der anderen Seite der Ökonom Ramon Sotelo, der in einem funktionierenden Markt mit Angebot und Nachfrage die Lösung sieht. Einigkeit bestand auf beiden Seiten in deren Kritik an der staatlichen Wohnungspolitik. So würden staatlicherseits Anforderungen und Ansprüche formuliert, die die Träger der Wohnungswirtschaft kaum erfüllen können. Und wie sehen die Lösungen für die derzeitigen Herausforderungen am Wohnungsmarkt im Lichte der Flüchtlingsströme aus? Sotelo hält dem Anspruch der Genossenschaften, beim Bau von billigen Wohnungen bereit zu stehen entgegen, dass es volkswirtschaftlich unmöglich sei, den nötigen Wohnraum aus dem Boden zu stampfen. Dagegen kam aus dem Lager der Genossenschaften der Einwand, dass es sie waren, die die Wohnungsnot in den Nachkriegszeiten lindern konnten. Das Solidaritätsprinzip gehöre zu deren Geschäft. Michael Wettermann sieht genau die derzeitige Situation auch als eine lösbare Aufgabe: „Was glauben sie was los ist, wenn erst Klimaflüchtlinge zu uns kommen.“ So ganz konnte sich auch Roman Sotelo dem Ruf nach Solidarität verschließen. Er zog die einfache aber drastische Schlussfolgerung: „Wir müssen im Bestand zusammenrücken“.

Gerhard Schmücker, 20.10.2015