Handelstag in Nürtingen - Win Win statt Krieg der Welten

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HfWU-Professor Dr. Dirk Funck (Mitte) im Gespräch mit Otmar Heirich und Angelika Matt-Heidecker.

- Handelstag disktuiert „City-Marketing 4.0“, Tagung von Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) und Handelsverband Baden-Württemberg in Nürtingen -

NÜRTINGEN. (hfwu) Welche Chance virtuelle Marktplätze für Städte bieten, um sich die Gunst der Einzelhandelskunden zu sichern, darum ging es beim „3. Handelstag“ in Nürtingen. Veranstalter waren die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und der Handelsverband Baden-Württemberg.

Die Fußgängerzonen sterben aus. „Das tun sie nun schon ziemlich lange und leben immer noch“, so die Antwort von Roland Wölfel auf das altbekannte Horrorszenario des Einzelhandels. Die Angst vor dem verschwindenden Kunden liegt nach Einschätzung des Geschäftsführers der CIMA Marketing und Management GmbH mitunter darin begründet, dass es im Handel an innovativen Ideen und Konzepten mangelt, diesem Trend etwas entgegenzusetzen. Zum Teil sei die Angst aber auch unbegründet. Denn nach wie vor seien für die Menschen die Einkaufsmöglichkeiten der mit Abstand wichtigste Grund in die Innenstadt zu kommen. „Städte werden mehr und mehr zu hybriden Kommunikationsräumen“, so Wölfel. Man kann dort shoppen, Groß-, Kultur- und stadtgesellschaftliche Veranstaltungen besuchen. Für die Städte und den Handel komme es drauf an, diese Entwicklung nicht als Krieg der Welten zu begreifen, sondern als Win-Win-Situation von der alle profitieren können. Dabei gehe es nicht darum, in langwierigen Prozessen weitreichende Konzepte zu entwickeln. Der bessere Weg sei, kleine Projekte auf den Weg zu bringen, mutig neue Ideen einfach auszuprobieren. Als Beispiel nannte der Stadtmarketingexperte, dass Einzelhändler auch als Filialen von Touristeninformationsstellen fungieren können oder die Zimmervermittlung auf der städtischen Website als live Chat anzubieten. „Das Zusammenführen der Welten und die Impulse zu geben“, das ist für Wölfel Chefsache in den Rathäusern.

Zu der Fachtagung unter dem Titel „City-Marketing 4.0 – virtuelle kommunale Marktplätze als Chance?“ waren rund 150 Teilnehmer in die Nürtinger Stadthalle K3N gekommen. Im zweiten Referat stellte Markus Fost das „Ökosystem Amazon“ vor. Der Online-Händler, so erfuhren die Zuhörer, ist viel mehr als eben das. Den Großteil seiner Erlöse erzielt Amazon nicht mit dem Verkauf von Produkten, sondern beispielsweise mit der Entwicklung von Diensten auf Basis von künstlicher Intelligenz und insbesondere mit der Bereitstellung von Speicherplatz. Dieses Thema Cloud Computing dürfte die anwesenden Einzelhändler weniger umtreiben als die Ankündigung von Amazon, in den nächsten Jahren sieben Prozent des Einzelhandelumsatzes in Deutschland generieren zu wollen. Deutschland ist im Visier der Amerikaner. Nur in den USA macht die Plattform größere Umsätze als hierzulande. „Sich beim E-Commerce mit Amazon anzulegen, davon würde ich Ihnen abraten“, so Fost angesichts der absoluten Marktmacht des Unternehmens. Er empfiehlt dem Einzelhandel, die globale Reichweite ihrer Online-Angebote zu erhöhen. Einfache Möglichkeiten online für mehr Umsatz im Geschäft vor Ort zu sorgen seien Warenverfügbarkeitsanzeigen bei Google und der eigenen Website. Den gleichen Effekt können Blogs haben, die neue Trends diskutieren und über die Angebote im Laden informieren. „Die Städte brauchen ein Multi-Channel-Konzept“. Diese Realität, so der Amazon-Experte, sei aber noch nicht in allen Kommunen angekommen.

In einem von HfWU-Professor Dr. Dirk Funck moderierten Podiumsgespräch nahmen die Kirchheimer Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und ihr Nürtinger Kollege Otmar Heirich eine Standortbestimmung des jeweiligen virtuellen Stadtmarketings vor. Matt-Heidecker betonte die Notwendigkeit, dass auch mit Blick auf die Finanzierung neuer Online-Strategien alle Akteure an einem Strang ziehen müssen. Für Heirich kommt es darauf an, vor dem Hintergrund der vielfältigen Angebote und Identitäten der Stadt einen Markenkern zu entwickeln, der die Kommune unverwechselbar macht. Im Anschluss an das Podiumsgespräch stellte Dirk Funck ein Modellprojekt von HfWU und Stadt Kirchheim zu virtuellen Marktplätzen vor. Weitere Praxisbeispiele aus Nagold, Ulm und Pforzheim wurden am Nachmittag präsentiert und diskutiert.