Globalisierung der Unvernunft

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Gareth Llywelyn

Roger Evans

Madeleine Romero

Catalina Spataru

- Professoren aus Schottland, Wales, USA und England berichten über Protektionismus und Globalisierung; Veranstaltung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen -

NÜRTINGEN. (hfwu) Die Welt ist von einem grassierenden Virus der Unvernunft befallen. Davon ist Gareth Llywelyn überzeugt. Zusammen mit anderen internationalen Gastprofessoren und Interessierten diskutierte er an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen über die Folgen von Protektionismus und Globalisierung.

Llywelyn kommt aus Wales. Aber auch in Schottland, England und den USA haben neu gewählte Entscheidungsträger tiefgreifende politische Änderungen eingeleitet. Aus diesen Ländern stammen die derzeit an der HfWU lehrenden Gastprofessorinnen und Gastprofessoren. Sie unterrichten im Rahmen eines Programms der Bildungsstiftung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. Mit Blick auf ihre Heimatländer berichteten die Wissenschaftler über ihre persönlichen Erfahrungen zum Thema Globalisierung und nationale Abschottung.

„Ich bin bekennender Waliser“, stellte Llywelyn klar, „aber wir dürfen Nationalismus nicht mit Protektionismus verwechseln. Ich bin genauso bekennender Europäer.“ Die Phänomene Trump und Brexit sind für ihn Zeichen eines sich weltweit verbreitenden ansteckenden Irrsinns. Eine Erklärung für diese Entwicklung sieht der Immobilienwirtschaftler in der Sehnsucht der ehemaligen Weltmächte Großbritannien und USA nach alter Größe.

Roger Evans unterrichtet derzeit an der HfWU in den Studiengängen Internationales Projektmanagement und Landschaftsarchitektur. „Für einen Großteil meiner Landsleute war der Brexit ein Schock. Auch wir sehen uns als Teil von Europa“, sagte der gebürtige Schotte. Evans kommt von der Estonian University of Life Sciences in der estnischen Stadt Tartu. Seine Frau Erika Jeret, die ebenfalls an der Diskussionsrunde teilnahm, kommt aus Estland. Für ihn hätte ein harter Brexit ganz persönliche Folgen. „Das könnte absurde Konsequenzen haben. Ein Lebenspartner könnte beispielsweise nicht im gleichen Land bleiben, nur weil er keine private Krankenversicherung abgeschlossen hat“, befürchtet Evans. Für ihn lasse sich die aktuelle Situation mit einem Wort zusammenfassen: „Unsicherheit“.

Von der Stimmung in den USA berichtete Madeleine Romero. Sie lehrt am Linfield College im US-Bundesstaat Oregon. „Trumps Abschottungspolitik macht null Sinn“, ist die Wirtschaftswissenschaftlerin überzeugt. Auch die Ansichten des neuen Präsidenten zum Klimawandel hält sie für „unglaublich naiv“. Produktion und Kapital wanderten schlicht dorthin, wo sie am effektivsten eingesetzt werden können. „Es mag sein, dass bestimmte Wirtschaftssektoren das bei uns zu spüren bekommen – aber das hat nur zur Folge, dass wir uns dann darauf konzentrieren, wobei wir wirklich gut sind.“ Eine Globalisierung, die langfristig automatisch allen Menschen zugutekommt, hält Romero für eine Utopie: „Ohne eine maßgebliche Unterstützung der reichen Länder werden die unterentwickelten nicht am globalen Fortschritt teilhaben können.“

In Sachen Protektionismus pflichtete Catalina Spataru der Amerikanerin bei. „Die Geschichte zeigt: Abschottung funktioniert nicht.“ Spataru lehrt am University College London, neben Oxford und Cambridge eine der fünf Top-Forschungsuniversitäten in England. Gründe, warum die Briten für den Brexit gestimmt haben, sieht die Expertin für Energiepolitik und erneuerbare Energien darin, dass den Menschen falsche „Fakten“ präsentiert wurden. Zudem gebe es in England sehr viele Menschen, die dort seit Jahrzehnten leben, aber nicht gebürtige Briten seien und so kein Wahlrecht hatten. HfWU-Rektor Prof. Dr. Andreas Frey hob die vielschichtige Dimensionen des Prozesses der Globalisierung hervor, die keineswegs nur ein ökonomisches Phänomen sei. Die nachhaltige Entwicklung, die auch im Zentrum des Leitbilds der HfWU steht, zur Richtschnur der globalen Entwicklung zu machen, sei unabdingbar. Frey überreichte im Rahmen der Veranstaltung den Gastprofessoren ihre Ernennungsurkunden. Ein gemeinsamer Umtrunk von Gastprofessoren und Besuchern, der Gelegenheit für weitere Fragen und Diskussionen bot, und ein traditioneller Tanz mit Roger Evans im schottischen Kilt bildeten den Abschluss der Veranstaltung.

Udo Renner, 21.06.2017