Geburtstag eines Erfolgsmodells

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Auch Baumaßnahmen prägen die HfWU-Standorte. Die Campusgebäude CI-10 in Nürtingen (oben) und in der Geislinger Hauffstraße. (Fotos: HfWU)

- Die deutschen Fachhochschulen werden 50 -

NÜRTINGEN (hfwu). Heute feiern die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ihren 50.  Geburtstag: 1971 wurden sie als Fachhochschulen gegründet, in Baden-Württemberg trat das entsprechende Gesetz ein Jahr später in Kraft. Ministerpräsident Winfried Kretschmann nimmt heute an der offiziellen Feier des Landes in Aalen teil. Der Jahrestag markiert ein Ereignis, das als eine der wichtigsten bildungspolitischen Maßnahmen der Nachkriegszeit bezeichnet wird.

Auch Professor Dr. Andreas Frey, der Rektor der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), ist bei den Feierlichkeiten zu Gast. Die Fachhochschule Nürtingen wurde 8. Februar 1972 als Vorgängereinrichtung der heutigen Hochschule für Wirtschaft und Umwelt aus der Taufe gehoben. Sie entstand aus der „Staatlichen Ingenieurschule und Höheren Wirtschaftsfachschule“, die per Gesetz in die Fachhochschule Nürtingen umgewandelt wurde. Der erste gewählte Rektor der neuen Hochschule war ab 1973 Professor Dipl.-Ing. Paul Eugen Bauer, der erst unlängst in hohem Alter verstarb. Mit seiner Wahl hätte eigentlich der Beginn der Stadt Nürtingen als Hochschulstadt, als Standort höherer akademischer Bildung, gefeiert werden können. Stattdessen ging es zunächst nur darum, die neue Hochschule in Nürtingen zu retten: Sechs Monate nach der Umwandlung waren aus Stuttgart Pläne bekannt geworden, alle Nürtinger Studiengänge an die Universität Hohenheim zu verlegen. Es schien, als sei der Aufstieg in die Hochschulliga beendet, bevor er recht begonnen hatte.

Erst Mitte 1974 war klar, dass die neue Fachhochschule in Nürtingen bleiben konnte: Bauer schrieb später „Aussagen über die Finanzierung waren damit leider nicht verbunden“. Das hieß tatsächlich: Während andernorts massiv in die neuen Hochschulen investiert wurde, geschah an der Hochschule in Nürtingen zunächst - nichts!      

Trotzdem startete an der Fachhochschule Nürtingen eine Entwicklung, die exemplarisch für den Hochschultyp in Bund und Land steht: 2011 werden aus den FHs die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), deren Abschlüsse seit der europaweiten Bologna-Reform denen der Universitäten gleichgestellt sind. Rund 40 Prozent aller Studierenden in Deutschland sind an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften eingeschrieben. Allein in Baden-Württemberg sind dies inzwischen rund 128.000 junge Menschen in über 600 Studiengängen. Nach einer fünfzigjährigen Erfolgsgeschichte haben sich die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften längst als praxisorientierte Alternative zu den Universitäten etabliert. Auch die HfWU gehört zu diesen Hochschulen, die innovative Impulsgeber für Wirtschaft und Gesellschaft und wichtiger Arbeitgeber in den Regionen des Landes sind. Auch hier werden Gründungen gefördert und an den Standorten Nürtingen und Geislingen ist die Hochschule Forschungs- und Entwicklungspartner des Mittelstands und großer Unternehmen. Mit ihrer Weiterbildungsakademie betreibt die HfWU eine der erfolgreichsten akademischen Fortbildungseinrichtungen an baden-württembergischen Hochschulen.       

Als das Kapitel Hochschule begann, studierten in Nürtingen rund 400 Studierende in drei Studiengängen. Heute sind an den beiden HfWU-Standorten rund 5600 angehende Akademiker:innen in 31 Studiengängen eingeschrieben. Dazu kommen über 130 Professor:innen und fast 300 Mitarbeitende. Mit 100 Partnerhochschulen organsiert die HfWU Austauschprogramme. An dieser dynamischen Entwicklung, hat vor allem der Standort Geislingen seit 1988 einen entscheidenden Anteil. Auch dieser Standort stand zu Beginn der Neunziger Jahre vor dem Aus. Das innovative Konzept mit der Mischung aus Branchenbezug, themenspezifischen Studienangeboten und enger Bindung an die Praxis hat sich bewährt und aus der einstigen „Außenstelle“ einen Vorzeigestandort im Land gemacht.

Seit fünf Jahren gehören auch die Studiengänge der ehemaligen Hochschule für Kunsttherapie zum Fächerkatalog der HfWU. Mit der Integration der „HKT“ erweiterte sich das Fächerspektrum und die Studiengänge für künstlerische Therapien eröffnen der HfWU neue Perspektiven. Die neuen Studiengänge gehören zu der umbenannten Fakultät Umwelt Gestaltung Therapie, die sich durch die ehemaligen HKT-Studiengänge neu profiliert: In der Lehre, Forschung und Weiterbildung.

Nach fünfzig Jahren ist die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt eine akademische Lehrstätte, die sich ganz den Themen der Zeit und der Zukunft verschrieben hat. Allein durch ihre Namensgebung steht die Hochschule für Nachhaltigkeit, die sie nun mit ihrer Mission „Bildung für Verantwortung“ untermauert. Stadtentwicklung der Zukunft, neue integrierte Mobilitätsformen, sichere klimaneutrale Lebensmittelerzeugung, Erhalt der Kulturlandschaften, künstlerische Therapien, Umwelt- und Naturschutz, nachhaltige Betriebs- und Volkswirtschaft, digitale Transformation und Geschäftsmodelle, internationale Wirtschaftsbeziehungen, Finanzwirtschaft und neue Tourismuskonzepte sind nur einige Themen, die in den vielen Studiengängen auf dem Lehrplan stehen. Drittmittel, Forschungs- und Fördergelder fließen an die Hochschule und prägen die Standorte: In Geislingen wird ein neues Reallabor zur Klima- und Mobilitätsforschung eingerichtet. In Nürtingen steht der neue Gründerspace des Projektes „Zukunft.Gründen“ vor der Eröffnung. Das Projekt wird mit 1,8 Millionen Euro des Bundes gefördert. Bund und Land finanzieren mit 4,2 Millionen Euro ein Projekt zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft.

Getrübt wird der Jahrestag der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften allenfalls durch die Pandemie und ihre Folgen. Drei Semester lang fand das Studium ohne Studierende vor Ort statt. Die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt wagt den Anfang und kündigte bereits vor einigen Wochen an, das kommende Wintersemester in Präsenz zu planen: „Wir wollen die Studierenden wieder vor Ort haben“, so Rektor Frey. Die Studienbewerber:innen scheinen dagegen mit dem Schritt ins Studium noch zu zögern, obwohl alle Prognosen für Akademiker beste Zukunftsaussichten voraussagen. Noch bis 31. Juli läuft der Anmeldezeitraum für einen Studienplatz im Wintersemester.

www.hfwu.de/bewerbung  #unglaublichwichtig

 

Nürtingen, den 15.07.2021
Gerhard Schmücker