„Fossilien sind kein Fotoalbum“

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Dr. Martin Ernst sprach im Rahmen des Studium generale an der HfWU.

- Vortrag „Was sagen uns Fossilien?“ im Studium generale an der HfWU in Geislingen (Steige) -

NÜRTINGEN (hfwu). Zu den Fossilien gehört viel mehr als nur versteinerte Knochen. Dies und dass die Schwäbische Alb vielleicht gar nicht so entstanden ist, wie wir zu wissen glauben, das zeigte ein Vortrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Geislingen.

Bei einem Schwein dauert es 39 Tage. Dann sind alle Weichteile verwest. Es sind nur noch die Knochen übrig. Diese überleben im besten Fall ein paar Tausend Jahre. Dann sind auch diese letzten Spuren von der Existenz des Tiers verschwunden. So ist der normale Verlauf. „Lebewesen verwesen und verschwinden“, rückte Dr. Martin Ernst bei seinem Vortrag im Rahmen des Studium generale an der HfWU in Geislingen in Erinnerung. Dass wir trotzdem viel über das Leben längst ausgestorbener Tiere und Pflanzen wissen, verdanken wir den Fossilien. Dabei gehören keineswegs nur versteinerte Knochen oder Schalen zu den urgeschichtlichen Zeitzeugen. Auch von einer vor Jahrmillionen in Südafrika an den Strand geschwemmte Riesenqualle, die nur aus Weichteilen bestand, können wir uns heute ein ziemlich genaues Bild machen. Hunderte kleine Schnecken verstoffwechselten das Tier und zeichneten so ein Abbild der Qualle in den Sand. Dies blieb versteinert erhalten. Nicht nur die Lebewesen selbst, auch ihre fossilen Hinterlassenschaften zeugen von deren Existenz. Zu solchen Spurenfossilien gehört etwa der Kot von Fischen. Erdgeschichtlich am weitesten zurück reichen Chemofossilien, chemische Spuren von Lebewesen in Sedimentgesteinen.

In der Natur der Geologie liegt es, dass sie weit zurückblick. Die Datenlage ist daher mitunter dünn. „Manchmal ist es schwierig, widerspruchsfreie Hypothesen zu formulieren“, gab Ernst zu bedenken. Zudem sei die Geologie zwar eine Naturwissenschaft. Sie müsse als eine historische Wissenschaft aber immer auch im zeitlichen Kontext gesehen werden, so der Diplom-Geologe und Geschäftsführer von GEO-EXX, eines gemeinnützigen „Forschungsinstituts für Geowissenschaften und Glauben“.

Dass auch als gesichert geltendes Wissen erodieren kann, zeigte der Referent am Beispiel der klassischen Schwarzmeertheorie zur Entstehung der Landschaftsformation in Südwestdeutschland. Danach ist die Schwäbische Alb aus Meeresschlamm entstanden, der sich über Millionen von Jahren abgelagert hat. Diese Annahme werde heute von vielen Fachleuten bezweifelt. Es könnten auch Sturmfluten gewesen sein, so eine derzeit diskutierte Theorie, die für die Ablagerungen gesorgt haben. „In der Geologie haben wir es oft mit einer Sherlock-Holmes-Vorgehensweise zu tun“, ist Ernst überzeugt. Das Problem liege darin, dass zwar viele objektive Daten und Indizien vorliegen können, die Deutung dieser aber immer subjektiv sei. „Fossilien sind kein Fotoalbum“. Sie seien vielmehr als Momentaufnahme zu verstehen, die die Frage offenlässt, was nicht überliefert wurde. Die ganze Geschichte können also auch die im besten Fall versteinerten Schweinsknochen nicht erzählen.