Finanzforum: EX-Bundesbanker Schieber warnt vor Inflation

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Wieder nahm ein hochkarätig besetztes Podium die Probleme der Wirtschaft unter die Lupe (v.l.n.r.). Bei 4. Finanz Forum waren neben Dr. Wolfgang Leoni von der Frankfurter DEKA Investment, Franz Scholz, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Esslingen-N

Wieder nahm ein hochkarätig besetztes Podium die Probleme der Wirtschaft unter die Lupe (v.l.n.r.). Bei 4. Finanz Forum waren neben Dr. Wolfgang Leoni von der Frankfurter DEKA Investment, Franz Scholz, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, Brigitte Schmale von der MEAG München auch der ehemalige Präsident der Landeszentralbank Helmut Schieber zu Gast.

- Vermögen bilden und bewahren - Deflation war Thema bei Nürtinger Finanzforum -
NÜRTINGEN. (üke) Noch immer gibt es zahlreiche Expertenstimmen die hierzulande vor einer Deflation und „japanischen Verhältnissen“ warnen. Zu Unrecht, so Helmut Schieber, ehemaliger Präsident der Landeszentralbank Baden-Württemberg. Die Deflationsdiskussion drohe, die wirklichen Kernprobleme von Wirtschaft und Staat an den Rand zu drängen. „Die größere Gefahr für Deutschland liegt nach wie vor in einer Inflationsgefahr“, sagte Schieber anlässlich des 4. Nürtinger Finanzforums des Studienganges „International Finance“ der Hochschule Nürtingen.

Würde Deutschland mit seinen Strukturreformen vorankommen, könne man das Deflationsgespenst in den Abstellschrank der Wirtschaftsgeschichte stellen. Gleichwohl seien die Deflationswarner nicht totzukriegen. Schieber, lange Zeit Mitglied im Direktorium der Deutschen Bundesbank, sah auch zum Höhepunkt der Deflationsdiskussion keinen Grund für dieses Szenario. Deflation bezeichne eine langanhaltende Tendenz sinkender Preise über mehrere Jahre. Eine Spirale sinkender Nachfrage, über sinkende Produktion, Wirtschaftsleistung und Einkommen bei steigender Arbeitslosigkeit, führe zu sinkenden Staatseinnahmen. Eine Abwärtsentwicklung ohne Selbsteilungskräfte. Diese einzelnen Faktoren sind in Deutschland offensichtlich vorhanden. Allerdings steigen in Deutschland und im Euroraum immer noch die Preise, Löhne und auch die Geldmenge. Das einzige was in unserem Land für eine teilweise Deflation spräche, sei die sinkende Kreditmenge. Aber auch dafür gibt es Gründe: Das Wirtschaftswachstum ist schwach, die Banken sind vorsichtig geworden und verdienen kaum noch an Krediten. Alle genannten Probleme hätten mit Deflation nichts zu tun, sondern mit der schlechten Wirtschaftslage. Deutschland sei eine starke Wirtschaftsnation, die allerdings wie Gulliver gefesselt am Boden liege und sich nicht befreien könne. Die Fesseln seien Regularien, Bürokratie und ein unüberschaubares Steuersystem. 70 000 Steuerparagraphen sorgten dafür, dass zwei Drittel der weltweiten Literatur über Steuern in deutscher Sprache geschrieben seien.
Das Wort Deflation nahmen auch die anderen Gäste des Finanzforums nicht in den Mund. Allerdings sind die Geschäfte der Finanzexperten schwierig geworden. Dr. Wolfgang Leoni, Geschäftsführer der DEKA Investment GmbH in Frankfurt, beschrieb den Studierenden und den anwesenden Finanzprofis, dass sein Unternehmen eben deshalb aufwändige Methoden entwickelt habe, um das Risiko für Anleger möglichst klein zu halten. „Assett Allocation“ nennt sich dies. Ein komplexes Instrumentarium, das immer mehr eine Wissenschaft sei, aber immer noch Kunst. Ähnliche Methoden, allerdings für den Immobiliensektor, stellte Brigitte Schmale von der MEAG Munich AssetManagement Gmbh aus München vor.
„Vermögen bilden und bewahren“ der Untertitel des Finanzforums bezeichnet auch die Kernaufgabe der öffentlichen Kreditinstitute. Franz Scholz, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Esslingen- Nürtingen nimmt dies auch in einem stagnierenden wirtschaftlichen Umfeld für sich in Anspruch. Als regionale Bank sei die Sparkasse die Bank für den regionalen Mittelstand. Dazu hätten sich die Sparkassen auch in harten Zeiten bekannt, bei allen Risiken. Sie könnten allerdings nicht alle Lücken schließen, die die Großbanken im gewerblichen Kreditgeschäft hinterlassen hätten.
Nach der Begrüßung durch den Rektor der Hochschule Nürtingen, Professor Klaus Fischer, hatte zu Beginn der Veranstaltung Professor Dr. Kurt M. Maier, als dessen Leiter, aktuelle Entwicklungen im Studiengang Internationales Finanzmanagement vorgestellt. Er kündigte an, dass ab April ein neuer Studiengang „Master of Business Administration“ (MBA) startet. Gemeinsam mit der Fachhochschule Solothurn (Nordwestschweiz) wird dieser Studiengang angeboten. Zusammen mit dem bereits etablierten MBA-Studiengang „Investments & Financial Services“ sind dann drei Studienangebote aus der Finanzbranche an der Hochschule Nürtingen angesiedelt: Grundständig, aufbauend und neben dem Beruf. Ein weiterer Schritt hin zum Campus of Finance, die Hochschule Nürtingen als die führende Hochschule für die Finanzwirtschaft.
Gerhard Schmücker, 17.10.2003