Energiewende braucht offenen Dialog – Vortrag Untersteller 22.1.

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Franz Untersteller

- Vortrag von Umweltminister Franz Untersteller, 22.1. HfWU Nürtingen -

NÜRTINGEN (hfwu). Im Rahmen des Studium generale an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen spricht am kommenden Mittwoch der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller. Das Thema seines Vortrags lautet "Energiewende – welche Rolle spielen Politik, Unternehmen und Konsumenten?“.

Energie sparsamer und bewusster verbrauchen, auf Erneuerbare umsteigen, Treibhausgase reduzieren, Naturschutz mitdenken – und trotzdem stabile Preise und Versorgungssicherheit gewährleisten. Das sind einige der Ziele, die sich die Landesregierung im Rahmen der Energiewende gesetzt hat. Mit seinem Vortrag erläutert Untersteller unter anderem, welche Rolle dabei die Unterstützung der gesamten Gesellschaft und ein offener Dialog für das Gelingen des Generationenprojekts spielen. Im Anschluss an das Referat gibt es Gelegenheit für Fragen und zur Diskussion (22. Januar, HfWU Nürtingen, Sigmaringer Straße 25, 19 Uhr).

 

Interview mit Franz Untersteller im Vorfeld zu seinem Vortrag am 22. Januar 2020 an der HfWU

 

„Ich begrüße die Einführung einer Photovoltaik-Pflicht ausdrücklich“

Das Studium generale an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) steht in diesem Semester unter dem Titel „Leben in Zeiten des Klimawandels“. Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller ist als Referent zu Gast. Hat global gesehen ein geringerer Energieverbrauch in Deutschland überhaupt Gewicht? Kommt in Baden-Württemberg eine Pflicht zur Installation von Photovoltaik-Anlagen bei Neubauten? Fragen an den Minister.

Im Zusammenhang mit Klimaschutz und Energiewende wird oft argumentiert, global gesehen ist die Bedeutung einer Reduzierung von Energieverbrauch oder klimaschädlichen Emissionen in Deutschland, oder gar im Bundesland Baden-Württemberg, unerheblich. Was halten Sie dem entgegen?

Untersteller: Deutschland stellt etwa ein Prozent der Weltbevölkerung, verursacht aber zwei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Das alleine zeigt schon die besondere Verantwortung, die wir beim Klimaschutz haben. Außerdem geht ein Großteil der historischen Treibhausgasemissionen auf die westlichen Industrieländer zurück. Da stellt sich dann schon die Frage, wer, wenn nicht wir in Baden-Württemberg als wirtschaftsstarke und hochtechnologisierte Region, steht in der besonderen Verantwortung, beim Klimaschutz eine Vorbildrolle einzunehmen? Mir ist es ein Anliegen, dass Baden-Württemberg im Verbund mit Deutschland und der EU eine Vorreiterrolle übernimmt. Damit bietet sich ja auch die riesige Chance, prägenden Einfluss auf künftige Entwicklungen zu haben und die zu gehenden Wege mitzubestimmen. Gleichzeitig zeigen verschiedene Studien, beispielsweise des BDI, dass eine Vorreiterrolle im Klimaschutz Deutschland auch wesentliche industriepolitische Chancen, durch den Export von klimafreundlichen Technologien, eröffnen kann.

Insgesamt beträgt der Anteil der Windenergie an der gesamten Stromerzeugung laut Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) im Südwesten lediglich 3,3 Prozent. 2018 wurden nur 35 neue Windräder gebaut, im ersten Halbjahr 2019 drei. Welche politischen Maßnahmen können Sie auf Landesebene auf den Weg bringen, um den Bau von Windkraftanlagen zu befördern?

Der Landesregierung und insbesondere dem Umweltministerium ist der Ausbau der Windenergie ein wichtiges Anliegen. Deshalb werden schon seit vielen Jahren wichtige Weichenstellungen auf Landesebene als auch auf Bundesebene angestoßen, um den Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg voranzutreiben. Leider stockt dieser aus vielen Gründen im Land, aber auch bundesweit. Neben den unterschiedlichsten Akteuren auf Bundesebene, die sich für einen stärkeren Ausbau der Windenergie mit ganz unterschiedlichsten Ansätzen einsetzen, sind wir im Umweltministerium mit Hochdruck daran zu prüfen, was wir im Land tun können, um die Errichtung von Windenergieanlagen zu erleichtern. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit hinsichtlich der Belange des Natur- und Artenschutzes kann manches verbessert werden kann. Konkret sind wir u. a. derzeit dabei, die Bewertungsmaßstäbe für das in Baden-Württemberg eingeführte Rotmilandichtezentren-Konzept zu überarbeiten. Um die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen spielt nicht zuletzt bei den anspruchsvollen Genehmigungsverfahren die weitere Qualifizierung der Mitarbeiter bei den Genehmigungsbehörden eine wichtige Rolle.

Die Treibhausgasemissionen sind in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren insgesamt um mehr als 10 Prozent zurückgegangen. Die Emissionen des Verkehrssektors sind allerdings aufgrund des gestiegenen Verkehrsaufkommens, vor allem im Güterverkehr, um 13 Prozent gestiegen. Wie kann der Ausstoß von Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor reduziert werden?

Wie auch in anderen Sektoren setzen wir in der Mobilität auf ein breites Umdenken. Ein erster Schritt wurde im Dezember vergangenen Jahres im Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag mit der Anhebung der CO2-Bepreisung von Wärme und Verkehr erreicht. Für die Deutsche Bahn wurde die Mehrwertsteuer im Fernverkehr zum 1. Januar von 19 Prozent auf sieben Prozent gesenkt. Das steigert die Attraktivität der Bahn gegenüber Auto und auch Flugverkehr. Das geht in die richtige Richtung. Nur dürfen wir da jetzt nicht stehen bleiben. Aus vielen kleinen Puzzlesteinen kann eine Mobilität entstehen, die dem Wunsch der Menschen, von A nach B zu kommen, gerecht wird, und die zugleich den Nachhaltigkeitsgedanken berücksichtigt.

Die Grünen-Fraktion machte sich vor Kurzem für eine Photovoltaik-Pflicht für alle Neubauten in den Kommunen stark. Plant die Landesregierung die Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen auf Dächern von Neubauten gesetzlich zu verankern?

Ich begrüße den Vorschlag zur Einführung einer Photovoltaik-Pflicht ausdrücklich, den die Grünen-Fraktion als ersten Punkt ihres Beschlusses eines Klimaschutz-Sofortprogramms vom 12.11.2019 gesetzt hat. Das Umweltministerium prüft aktuell, wie die Einführung einer solchen Pflicht in Form eines Landesgesetzes konkret ausgestaltet werden kann. Darüber hinaus schlage ich vor, eine entsprechende Maßnahme in das neue Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) der Landesregierung aufzunehmen. Der Entwurf hierzu befindet sich aktuell in der Ressortabstimmung. Im Rahmen einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung zum IEKK hat der Vorschlag zur Einführung einer solchen Photovoltaikpflicht bereits weitgehende Zustimmung durch Verbände sowie Bürgerinnen und Bürger erhalten. Bemerkenswert war hierbei, dass die Befragten sich mit großer Mehrheit für die Einführung einer landesgesetzlichen Regelung aussprachen. Die Option einer freiwilligen Selbstverpflichtung von Kommunen, die bereits jetzt nach geltender Rechtslage möglich ist, erhielt dagegen nur wenig Zuspruch. Konkret prüfen wir deshalb aktuell eine landesrechtliche Pflicht, beim Neubau von großen Parkplätzen sowie von Wohn- und Nicht-Wohngebäuden mit einer für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche hierauf eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung zu installieren und zu betreiben. Selbstverständlich soll es für Bauherrinnen und Bauherren weiterhin möglich sein, anstatt bzw. neben einer Photovoltaikanlage auch eine Solarthermieanlage zur Wärmeerzeugung zu installieren und zu betreiben. Ebenso soll eine im Einzelfall bestehende Pflicht zur Dachbegrünung bestmöglich mit der Photovoltaik-Pflicht kombiniert werden können. Eine Erweiterung der Photovoltaik-Pflicht von Neu- auf Bestandsgebäude – gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt – wäre ebenfalls denkbar.