Digitalisierung braucht Mitdenker

Veröffentlicht am |

Der Ex-Nationalspieler Philipp Lahm war Hauptredner beim Digitalisierungs-Workshop in Bad Aibling..

- Immobilienwirtschaft „Digitalisierungs-Workshop“, WAF Weiterbildungslehrgang „Geprüfter Instandhaltungskostenmanager“ -

NÜRTINGEN (hfwu). Ob bei der Planung von Quartieren, beim Bau von Gebäuden oder in der Instandhaltung, die Frage nach der Digitalisierung und der klimaschonenden Energieversorgung von Wohngebäuden ist in aller Munde. Die damit verbundenen Herausforderungen kann die Wohnungswirtschaft bewältigen, wenn auf Führungsebene eine „digitale Kultur“ gefördert wird. Als Mitarbeiter sind nicht nur die Macher, sondern insbesondere die Mitdenker gefragt. Dies zeigte der Workshop „Digitalisierung verändert – wir sind dabei! Wie die Immobilienwirtschaft den Wandel meistert“ in Bad Aiblingen.

Wenn es nach Michael Veiga, Vorsitzender des Vorstandes der Ardensia eG geht, müsste vom Silicon Valley nicht nur ein laues Lüftchen durch die Wohnungswirtschaft wehen, sondern ein regelrechter Orkan. Beim Thema Digitalisierung sieht der Chef der Karlsruher Wohnungsgesellschaft eine Hauptaufgabe des Vorstands darin, „vor allem eine digitale Kultur strategisch im Unternehmen zu verankern, denn in der Wohnungswirtschaft wird sich in den nächsten zehn Jahren mehr ändern als in den letzten 100 Jahren. Es wird nichts so bleiben, wie es ist, und genau darauf muss man seine Mitarbeiter trainieren“, so sein Appell an die Teilnehmer des Workshops in Bad Aibling. Veiga wies zudem auf eine angesichts der Digitalisierung drohenden Konsolidierung des Marktes hin. Derzeit gäbe es rund 1800 Genossenschaften, davon viele kleine. Ob alle überleben können sei unklar. Eine Fusion von zwei gesunden Unternehmen jedenfalls sei eher selten in der Branche. „Wir müssen uns daher mehr auf die Dienstleistungen konzentrieren und nicht nur auf die Wohnungen“, ist Veiga überzeugt.

Der Hauptredner der Veranstaltung, Ex-Fußballprofi Philipp Lahm, interessiert sich insbesondere für die deutsche Start-up-Szene und setzt dabei auf seine strategischen Erfahrungen aus der Zeit als Profi-Fußballer. In beiden Bereichen – sowohl in der Digitalisierung als auch im Fußball – sei der richtige Rhythmus wichtig. Er sehe vor allem die Führungskräfte und den Umgang mit dem Team im Zentrum. Sich klare Ziele zu setzen sei die Basis, im Fußball wie in der Digitalisierung. Grundsätzlich jeder im Team, und zwar auf jeder Position wie im Fußball, müsse Verantwortung übernehmen, um das Unternehmen weiterzuentwickeln. Künftig brauche man daher statt der Ausführer verstärkt Mitdenker. Sie müssten Impulse geben und das neue, digitale Denken positiv beeinflussen. Man brauche daher auch andere Führungsrollen. „Solche, die anschieben, Teams in Bewegung setzen und über Höchstleistung nachdenken“, ergänzte Professor Dr. Benedikt Hackl, wissenschaftlicher Leiter der 21. Raum GmbH und Direktor des Forschungszentrums Management Analytics. 70 Prozent der Unternehmensstrategien, die entwickelt würden, seien nie umgesetzt worden.

Wie in den anderen Branchen kommt auch in der Wohnungswirtschaft der künstlichen Intelligenz immer größere Bedeutung zu. Kameras, Radare und Sensoren generieren enorme Datenmengen. „Dahinter steht der Wunsch, Digitalisierung könne den Menschen in der Zukunft auch beim Thema Wohnen das Leben erleichtern – beispielsweise damit ältere Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden leben können, und auch dann, wenn sie nicht mehr alles selbst verrichten können“, so Professor Dr. Hansjörg Bach, ehemaliger Prorektor der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Er gilt als einer der führenden Immobilienexperten in Deutschland. Mit den großen Datenmengen bekomme auch das Thema Instandhaltung eine neue Bedeutung, erläuterte Bach. „Beste Voraussetzungen also, um sich rechtzeitig weiterzubilden und dabei die neuen Technologien und Auswirkungen der Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft zu beleuchten“.

Hansjörg Bach hatte zusammen mit der B&O Gruppe den Workshop organisiert. Ihm zugrunde liegt der in der Branche inzwischen gut etablierte Weiterbildungslehrgang „Geprüften/r Instandhaltungskostenmanager/in (WAF)“. Bach will durch diese Initiativen auf die Veränderung tradierter Marktlogiken durch den digitalen Wandel in der Wohnungswirtschaft reagieren. „Die Instandhaltungskosten werden durch die Digitalisierung ein immer größerer Kostenblock für die Unternehmen. Eine effiziente Handhabe dieser Kosten trägt nicht nur zur Gesamtkostenentlastung der Unternehmen bei, sondern ist zunehmend auch die Voraussetzung für eine nachhaltige und wirtschaftliche Erhaltung des Gebäudebestands und damit des Immobilienwertes im digitalen Zeitalter“, so Bach abschließend. Eine holistische Analyse führe zu einer deutlichen Verbesserung von Geschäftsmodellen. Gerade für die digitale Wohnungswirtschaft benötige man dringend fundiert ausgebildete Spezialisten, die nicht nur wüssten, wie sie mit der Flut an Daten umgehen können, sondern auch wo sie die Hebel für Kosteneinsparungen ansetzen könnten, ist der ehemalige Dekan der HfWU überzeugt.

Digitalisierung sei aber kein Selbstzweck, unterstrich Kai van der Hoven, Abteilungsleiter IT bei der Gebag Duisburger Baugesellschaft. In erster Linie gehe es bei der Gebag darum, sich noch deutlicher auf die Mieter einzustellen – also dem Trend zu folgen, ihren Mietern das Leben bei aller Komplexität so angenehm und einfach wie möglich zu machen. Neudeutsch heißt das: Die „pain points“ der Mieter zu reduzieren. Die Digitalisierung helfe dabei, noch näher an die Mieter zu kommen. „Um es erfolgreich zu meistern, sind aber neue Methoden erforderlich. Wir beschäftigen uns daher intensiv mit der Customer Journey der Mieter“, so von der Hoven.

Das „Internet der Dinge“ wird Gebäude, aber auch die Menschen, die in ihnen leben, immer stärker verändern. Die Stadt der Zukunft wird eine extrem vernetzte Stadt sein, die alle Vorteile der Digitalisierung nutzen wird. Für Mitarbeiter und Mieter werden App basierte Geschäftsmodelle und Wearables, am Körper zu tragende Mini-Computer, Normalität sein. Doch wie reagiert die traditionelle Wohnungswirtschaft mit ihren langfristig angelegten Geschäftsmodellen, auf die agilen, work-life-balance orientierten jungen und innovativen Startups der Branche? Das gilt es zu reflektieren, hob Martina Heger, Abteilungsleiterin Personal bei der Gewobag Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Berlin besonders hervor. Eines jedenfalls sei sicher: „Arbeit wird flexibler. Wir werden stärker selbst entscheiden können, wann und wo wir arbeiten“, so Heger. Anstatt viele Jahre lang einen klar definierten Beruf auszuüben, beteiligten wir uns künftig mit einem Bündel von Kompetenzen an flexiblen Projekten.