Die Erde braucht einen Marshall Plan

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Professor Dr. Franz Radermacher (Mitte), der Festredner des Hohenstauffertreffens. Links neben ihm der Präsident des Rotary Clubs Kirchheim /Nürtingen, rechts der Gastgeber Hochschulrektor Professor Dipl.-Ing. Klaus Fischer.

Professor Dr. Franz Radermacher (Mitte), der Festredner des Hohenstauffertreffens. Links neben ihm der Präsident des Rotary Clubs Kirchheim /Nürtingen, rechts der Gastgeber Hochschulrektor Professor Dipl.-Ing. Klaus Fischer.

- Prof. Radermacher mahnt zu mehr Verantwortung- Festakt zu 100 Jahre Rotary –
NÜRTINGEN. (üke) Es wird immer enger auf unserem Planeten. Es brauchte die Zeit vom Ursprung der Menschheit bis zu Christi Geburt, damit gerade mal 200 Millionen Menschen die Erde bevölkerten. Als es dann bereits Mitte des letzten Jahrhunderts eine Milliarde waren, dauerte es nur noch 35 Jahre bis drei Milliarden erreicht waren. Heute gehen wir mit Riesenschritten auf die 10 Milliarden Marke zu. Die Probleme, die dadurch entstehen, lassen sich mit den bisherigen Mitteln nicht lösen.

Professor Dr. Franz Radermacher, Wissenschaftler, gefragter Politikberater und Mitglied des Club of Rome, hat sich ganz der nachhaltigen Entwicklung und Rettung unseres Planenten verschrieben. Er ist Mitautor des „globalen Marshallplanes“, eines Konzeptes zur Lösung von Hunger, Armut und Unterentwicklung. Radermacher sprach an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen aus Anlass des Rotary-Hohenstauffentreffens. 11 Rotary Clubs aus dem Umkreis Göppingen, Esslingen, Kirchheim, Schwäbisch Gmünd und Nürtingen hatten sich an der Hochschule getroffen, um im Rahmen des Treffens auch das 100-jährige Jubiläum der Rotary Bewegung zu feiern. Dr. Jochen Balbach, Präsident des Rotary Clubs Kirchheim/Nürtingen, erinnerte an die Verpflichtung der Rotary-Idee für das Allgemeinwohl. Viele Projekte, wie die Bekämpfung der Kinderlähmung, verwirklichen diese Idee auf einem globalen Maßstab. Die Rotary Philosophie lieferte die Steilvorlage für Radermacher. Der Zusammenhang von Wirtschaft und Umwelt war der rote Faden durch dessen Vortrag. Professor Klaus Fischer, Rektor der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, wies in seiner Begrüßung als Hausherr auf den neuen Namen der früheren FH-Nürtingen, der diese Verbindung herstellt.
Das Dilemma der globalen Entwicklung sieht Radermacher darin, dass immer mehr Menschen immer mehr wollen. Mehr als der Globus hergeben kann. Gleichzeitig dominiert eine Ideologie, die den Charme des Reichtums in der Armut der anderen sieht. Viele Eliten und Institutionen wollen am gegenwärtigen Zustand der Welt nichts ändern. Dagegen steht das Modell des globalen Marshall Planes. Seine Verfechter, zu denen auch Radermacher zählt, verfolgen keine Utopien. Sie wollen nichts anderes, als die Jahrhundertziele der Vereinten Nationen verwirklicht wissen. Ein Ziel will 500 Millionen Menschen Zugang zu sauberem Wasser schaffen, ein anderes allen Kindern der Welt eine volle Schulbildung ermöglichen.
Beide Ziele sollen bis 2015 erreicht werden. Über 160 Staaten weltweit haben sich dazu verpflichtet. Die Marshall Plan Strategen fordern dieses Versprechen ein. Nur wie soll dies bezahlt werden? Noch mehr Steuern und Belastungen für die nationalen Haushalte kommen für Radermacher nicht in Frage. Die Lösung sieht er in der Besteuerung weltweiter Finanztransaktionen. Zur Zeit bezahlten die armen Länder 200 mal mehr an Zinsen als sie an tatsächlicher finanzieller Hilfe erhalten. Gleichzeitig plünderten globale Akteure ohne Heimatbasis die Haushalte der Einzelstaaten. Wenn die versprochenen Ausgaben für Entwicklungshilfe tatsächlich bezahlt würden, und wenn die sogenannte „Tobin-Steuer“ auf internationale Transfers erhoben würde, dann wäre der globale Marshall Plan finanzierbar und die Millenium-Ziele der Vereinten Nationen könnten erreicht werden. Bundeskanzler Schröder hat sich unlängst während des Gipfels in Davos mit dieser Steuer angefreundet. Radermacher weist nach, dass bislang wenig passiert sei. Der Termin 2015 steht jedoch. Große Hoffung für den globalen Marshallplan sieht Radermacher in der EU. Der europäische Einigungsprozess mit seinen Instrumenten zur Balance und Ausgewogenheit könnte ein Modell für die künftige globale Zukunftsgestaltung sein. Wichtige Förderer seien auch Nicht-Regierungsorganisationen. Eine machtvolle Organisation wäre Rotary international. Die Inhalte des Marshallplanes deckten sich mit den Rotary Prinzipien.
Gerhard Schmücker, 01.03.2005