Automobilsommer hat begonnen

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Foto (L:Jank): Der stellvertretende IFA-Direktor Prof. Dr. Stephan Reindl eröffnet den 7. Automobilsommer an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

Foto (HfWU/üke): Die Podiumsdiskussion zeigt: Der Wandel der Mobilität wird kommen, der Weg dorthin bleibt unklar.

- 12 Veranstaltungen an sieben Tagen – Mobility Forum zum Auftakt -

NÜRTINGEN (hfwu). Der Automobilsommer an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Geislingen (HfWU) geht in die siebte Runde. Mit einem Mobilitätsforum und Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft (IFA) widmete sich das Institut für Automobilwirtschaft zum Auftakt einem Megathema: „die künftige Mobilität wird die Welt verändern“, so Hariolf Teufel, der Vorstandschef der Kreissparkasse Göppingen, einem der Hauptsponsoren der Veranstaltung. Für den Geislinger Oberbürgermeister Frank Dehmer bietet das Forum Ansätze für die Mobilität der Zukunft, die auch für die Stadt Geislingen entscheidend seien.

Gastgeber Professor Dr. Stefan Reindl, Studiendekan der Automobilstudiengänge an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt und stellvertretender Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft, hatte ein Panel versammelt, das die „Mobilität heute und morgen“ aus allen Blickwinkeln abklopfte. Gastredner Thomas Weber, Geschäftsführer der BMW Bank, präsentierte den bayerischen Konzern als einen Hersteller, der sich längst zum Dienstleister gewandelt habe. Die „Financial Services“ spielten dabei eine zentrale Rolle. Der kommende Technologiesprung zum autonomen Fahren, werde zu einem grundlegenden Wandel der Mobilität sorgen, bei dem immer weniger Fahrzeuge im Privatbesitz bewegt würden. Flotten und Plattformen gehörten die Zukunft und der Druck der Konkurrenz werde von Software und Internetgiganten ausgeübt. „Die Online-Plattformen lassen die etablierten Hersteller alt aussehen“, so Weber. BMW reagiert darauf, Weber sieht sein Unternehmen als Dienstleister und nicht mehr als reinen Produzenten. Bis 2025 werde BMW die Kunden, die die BMW Services nutzen, verdreifachen. „Es geht um Nutzen nicht um Besitzen“.

Dass es bei den neuen „Playern“ nicht nur um die Googles, Ubers und Apples dieser Welt geht, zeigt Professor Dr. Søren Riis. Der Philosoph lehrt am Institut für Kommunikation und Kunst der Roskilde Universität in Dänemark. Für ihn hat Mobilität vor allem eine soziale und gesellschaftliche Funktion. Auf seiner Plattform Go.More vereint er über zwei Millionen Mitglieder, die in Dänemark und Spanien eine Kombination aus Car und Ride Sharing Angeboten nutzen. Riis hofft auf eine neue Mobilitätskultur, an der sich bislang wenig ändert obwohl die „Technologie immer grüner wird“.

Diese „Freiwilligkeit funktioniert nicht“, und deshalb stellt Prof. Dr. Uwe Lahl klar, dass es ohne regulatorische Eingriffe nicht gehe, wenn man das Mobilitätsverhalten in den Griff bekommen will. Für den Amtschef des baden-württembergischen Verkehrsministeriums sind die Verkehrsemissionen trotz aller Klimapolitik der „Problembär“. Das Wort „Kultur“ zieht sich wie ein roter Faden durch die Beiträge des Abends. Keiner der Diskutanten zweifelt daran, dass Mobilität erhalten werden muss und nachhaltig gestaltet sein sollte. Auch Stefan Reindls HfWU-Kollege Prof. Dr. Sven Kesselring mahnt, dass es nicht um weniger Beweglichkeit gehe sondern um ein neues Verständnis. „Die Treihausemissionen gehen überall zurück, außer im Verkehr“. Dies mache ihn zum Sorgenkind der Umweltpolitik, die letztlich über die künftige Mobilität entscheiden werde.

Diese „neue Mobilität“ war das Stichwort für Dr. Reindl in der folgenden Podiumsdiskussion die einfache Frage zu stellen, wie diese Mobilität denn aussehen soll. Auch wenn es absehbar ist, dass Vernetzung und geteilte Mobilität die kommenden Entwicklungen sind, bleibt hier vieles offen. Riis räumt ein, dass sich das dänische Beispiel vor allem auf Kopenhagen bezieht. Sven Kesselring sieht ebenfalls die große Herausforderung darin, wie in nicht-urbanen Gegenden Mobilität über Plattformen organsiert werden kann, zu vertretbaren Kosten. Stefan Reindl wiederum erinnerte den Vertreter der Politik daran, dass aktuelle Mobilitätssysteme weit von einem barrierefreien Zugang entfernt seien: „Wir haben in Baden-Württemberg mehr Verkehrsverbünde als im Rest der Republik. Es drängte sich der Eindruck auf, dass trotz vieler erkennbarer Trends und Entwicklungen der Weg in die neue Mobilität unklar bleibt. Technologisch aber auch was die Infrastruktur und die gesellschaftlichen Voraussetzungen betrifft. Riis, der Gast aus Dänemark, räumt ein, dass sich sein Land leichter damit tue, einen gesellschaftlichen Mobilitätswandel einzuleiten, da dort die Fahrzeugindustrie kaum eine wirtschaftliche Bedeutung habe. Auch Kesselring gibt zu bedenken, dass es durchaus möglich sei, dass die neuen Innovationen nicht länger aus den Kernländern der Autoindustrie kommen, sondern unter Umständen auch aus Afrika. Thomas Weber sieht seine Branche auf dem richtigen Weg, auch wenn die Hersteller immer noch „zu technisch unterwegs“ seien. „Es ist eine Übergangsphase, wir werden zu Mobilitätsanbietern“.

Nürtingen, 20.06.2017
Gerhard Schmücker