Bundesweite Landschaftsbildbewertung unterstützt beim Stromnetzausbau

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Netzausbau: Neues Modell zur Bewertung des Landschaftsbilds.

● Ansatz beruht auf breit angelegter internetbasierter Befragung von Nutzer*innen

● Basis für mehr Beachtung landschaftlicher Aspekte und Erholungsnutzung

 

LEIPZIG/BONN. Wie wirken sich Stromtrassen auf das Landschaftsbild aus? Wie gelingt es, Gebiete für die Erholungsnutzung bei der Stromnetzplanung nachvollziehbar zu berücksichtigen? Welche Schlüsse lassen sich daraus für den bundesweiten Netzausbau ziehen? Antworten auf diese Fragen gibt ein neues und erstmals bundesweit angelegtes Bewertungsmodell zum Landschaftsbild beim Stromnetzausbau. Durchgeführt hat das Forschungsprojekt die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) in Kooperation mit der Universität Stuttgart und weiteren Partnern.

Mit dem Bewertungsansatz wird eine Methode zur Verfügung gestellt, die beispielsweise für die Bundesfachplanung beim Ausbau des Stromnetzes die Bewertung des Landschaftsbildes bei der Auswahl von Trassenkorridoren erleichtert und verbessert.

„Bisher hatte das Schutzgut Landschaft bei der Planung von Trassenkorridoren für das bundesweite Übertragungsnetz zu wenig Gewicht, auch weil kein räumlich übergreifend und bundesweit anwendbarer Ansatz zur Verfügung stand. Jetzt liegt erstmals eine einheitliche und bundesweite Methode vor, die die fachliche Bewertung des Landschaftsbildes und der Erholungsnutzung erleichtert und verbessert. So lässt sich die Rolle des Landschaftsbildes im zweifelsohne notwendigen Umbau der Energieversorgung stärken“, sagt Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).

„Da der Ansatz zur Kalibrierung der durchgeführten Landschaftsbewertung auf den Ergebnissen einer umfangreichen, fotobasierten Bevölkerungsbefragung über das Internet beruht, bindet er explizit die Nutzer*innen-Perspektive mit ein. Damit stellt dieser innovative Landschaftsbewertungsansatz eine wichtige Ergänzung zu den herkömmlichen zumeist Experten basierten Bewertungsverfahren zum Landschaftsbild dar“, erklärt Prof. Dr. Michael Roth von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), die das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Kooperation mit der Universität Stuttgart, Institut für Landschaftsplanung und Ökologie, der Bosch & Partner GmbH sowie dem Institut für nachhaltige Energie- und Ressourcennutzung (INER) durchgeführt hat.

Neu ist der gewählte Ansatz, weil die Landschaftsbildbewertung auf Basis einer äußerst breiten internetbasierten Befragung von Bürger*innen zu den im Bundesnaturschutzgesetz genannten Kriterien Vielfalt, Eigenart, Schönheit und Erholungswert beruht. So wurden insbesondere hügelige bis bergige Gebiete aufgrund des Reliefs positiver eingestuft, als flache Bereiche; wobei zum Beispiel die Heidelandschaften und Küsten, gerade wegen ihrer flachen aber typischen Ausprägung ebenfalls höherwertig eingestuft wurden. Ebenso zeigte sich, dass es zu vielen Bildern übereinstimmende Bewertungen gab. Die oftmals als Bewertungshindernis benannte individuelle Subjektivität bei der Landschaftsbildbewertung stellte sich somit als weniger dominierend als häufig behauptet heraus. „In diesem Sinne sind die Ergebnisse sehr wertvoll – auch als Beitrag in den Debatten für eine bessere und zielführendere Beteiligung der Bevölkerung beim Stromnetzausbau“, so die BfN-Präsidentin weiter.

Der vom Bundesamt für Naturschutz veröffentlichte Abschlussbericht (FKZ: 3515 82 2800) „Entwicklung eines Bewertungsmodells zum Landschaftsbild beim Stromnetzausbau“ steht kostenfrei zum Download zur Verfügung unter: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/erneuerbareenergien/Dokumente/Skript597.pdf

Weitere Informationen zum Thema/Hintergrundinformationen:

  • Derzeit enthält das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG vom 25.02.2021) 80 Vorhaben mit einer Gesamtlänge von ca. 7.800 Kilometern. Bei diesen Vorhaben wird im Bundesfachplanungs- bzw. Raumordnungsverfahren zuerst der Korridor geplant und festgelegt. Danach wird in einem Planfeststellungsverfahren der Trassenverlauf bestimmt. Das Bundesamt für Naturschutz wird in diesem Prozess der Trassenfindung und Planung als Träger öffentlicher Belange durch die Bundesnetzagentur eingebunden und gibt regelmäßig Stellungnahmen zu den einzelnen Vorhaben des Übertragungsnetzausbaus in den Verfahren ab.
  • Eine Basis für die bundesweite Bewertung der Landschaft war die Erstellung eines Bilddatensatzes, der die Grundlage für die online-Befragung der Bevölkerung zur Landschaftsbewertung darstellte. Mittels der dafür verwendeten 822 Landschaftsfotos wurden innerhalb der online-Befragung 44.753 vergleichend bewertete Bilddatensätze generiert. Diese Fotobewertungen mit den darauf erkennbaren Landschaftselementen und -nutzungen flossen wiederum in die Bewertung der GIS-Datensätze ein. Dabei handelt es sich um Geographische Informationssysteme, also computergestützte landschaftsbezogene Daten Landnutzung, Geländerelief oder auch Schutzgebiete oder Gewässer- oder Bodenqualitäten.
  • Neben der im BfN-Skript 597 veröffentlichten Landschaftsbildbewertungsmethode zum Stromnetzausbau wurden in den letzten Jahren weitere Landschaftsbewertungsverfahren für andere Betrachtungen veröffentlicht. Um das Verhältnis dieser Landschaftsbildbewertungen untereinander zu bestimmen und Synergien zu ermitteln hat das BfN ein weiteres Forschungsvorhaben beauftragt, dessen Ergebnisse voraussichtlich im Frühjahr 2022 vorliegen.
  • Ziel dieser Landschaftsbildbewertungsverfahren ist die Erfassung und Bewertung der Landschaftsbilder in Deutschland und deren Inwertsetzung bzw. Bewertung gegenüber Vorhaben und Eingriffen. Gleichzeitig sollen mit den Verfahren Werkzeuge geschaffen werden, die – gerade mit Blick auf den aktuellen Landschaftswandel durch den Ausbau erneuerbarer Energien und der Stromnetze – Erholungserfordernisse und Akzeptanzfragen einbeziehen und die Lenkung von anthropogenen Strukturen ermöglichen und somit die Errichtung von Infrastrukturen steuern und gleichzeitig andere Räume freihalten.

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