Wohneigentum ja - aber nicht um jeden Preis

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- 23. Tag der Immobilie an der Fachhochschule Nürtingen - Spitzenvertreter der Interessenverbände zu Gast -
NÜRTINGEN. (üke) Unerwartete Einigkeit herrschte während es 23. Tages der Immobilie der Fachhochschule Nürtingen. Spitzenvertreter des Mieterbundes, der Haus&Grundeigentümer und der Wohnungswirtschaft diskutierten über die Zukunftstendenzen der Wohneigentumsquote. Deutschland bildet vor der Schweiz das Schlusslicht in Europa, wenn es um Zahl eigenen vier Wände geht. Bei der Suche nach den Gründen und ob es notwendig sei dies zu ändern, stießen die Interessenvertreter der drei geladenen Gruppen fast in dasselbe Horn. Wohneigentum ja, aber nicht um jeden Preis.

Zunächst hatte der Rektor der Fachhochschule Nürtingen, Professor Dr. Eduard Mändle, rund 170 Vertreter der Wohnungswirtschaft, von Verbänden, Banken und der Immobilienbranche begrüßt. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Fachhochschule Nürtingen statt und wurde von der Volksbank Nürtingen unterstützt. Gerhard Burkhardt, Präsident des Verbandes baden-württembergischer Wohnungsunternehmen, sah in der im internationalen Vergleich sehr niedrigen Eigentumsquote in Deutschland keinen Grund zur Beunruhigung. Tatsache sei, dass die Wohnungsversorgung in Deutschland so gut sei wie nie zuvor. Viele Haushalte wohnten in Miete, obwohl sie sich Eigentum leisten könnten. Der Grund dafür liege in den hohen Baukosten und Grundstückspreisen und dem seiner Meinung nach überzogenen Mieterschutz. Die Eigentumsquote sei in den letzten Jahren relativ konstant geblieben und Burkhardt sieht auch keinen Grund, dass sich dies ändern könnte. Um die Quote um nur ein Prozent zu erhöhen, müßten jährlich 340 000 Wohnungen neugebaut werden, die dann auch selbst genutzt werden müßten. Dies ist illusionär. Bleiben die Wohnungen, die privatisiert werden können. Dazu bieten sich vor allem die Wohnungen an, die der öffentlichen Hand gehören. Und hier stellt sich das Problem, ob deren Mieter überhaupt an einem Kauf interessiert sind. Burkhardt zieht daraus den Schluss, dass weder durch Neubau, noch durch die Privatisierung bestehender Wohnungen die Eigentumsquote drastisch erhöht werden könnte.
Die Erhöhung der Eigentumsquote findet sich als Ziel in nahezu allen Parteiprogrammen. Dieser politische Wille sei als Maxime der Eigentumsbildung zu einem Fetisch geworden, so der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips. Er dagegen sehe das eigene Haus keineswegs als Garantie für persönliches Glück. Den allgemeinen Vergleich der europäischen Länder beim Immobilieneigentum und die Tatsache, dass Deutschland mit 43% Eigentumsquote weit hinten in der Schlange steht, sieht Rips als wenig tauglich. Weder die Struktur der Länder, die Bevölkerungsverteilung zwischen Land und Stadt, die Einkommenssituation seien in diesem Zahlenwerk erfaßt. Weit ernster sieht Rips die Rolle der eigenen vier Wände bei der Altersvorsorge. Wie alle Redner des Tages sieht er die Sozialsysteme unter Druck. Im vergleich zum Beispiel zu Aktien hat sich jedoch das Wohn-eigentum als wenig profitabel entpuppt. Beim Wunsch von 80% der über 30-jährigen nach einem Einfamilienhaus sieht Rips eine große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. In der Realität finden jedoch viele Familien, die gerade dann wenn die Kinder heranwachsen kaum das Geld zum Bauen haben, in den meisten Städten keine geeigneten Mietwohnungen. Schon deshalb mahnt Rips eine Reform des Wohngeldes an. Sparmöglichkeiten sieht Rips dagegen bei der Eigenheimförderung. Sie gerate in Zeiten knapper Kassen in der gegenwärtigen Höhe unter Druck. Wenn gespart werden müsse dann hier. Erhöhen lasse sich die Eigentumsquote laut Rips nicht nur durch Neubauten, wenn, dann auch durch Investitionen in bestehende Wohungen und Häuser. Als Vertreter der Mieter bekannte sich Rips zum Wohneigentum, aber nicht um jeden Preis.
Erstaunlich für viele, war dies auch eine der Kernaussagen von Volker Bielefeld, der den Zentralverband Haus & Grund Deutschland repräsentierte. Natürlich machte sich Bielefeld für das Wohneigentum stark. Vor allem für Familien sei das eigene Haus oder die eigene Wohnung Eigentumsförderung und Altersvorsorge zugleich. Wohneigentum, möglichst breit gestreut, frei von staatlicher Einflußnahme sei der Garant für persönliche Entfaltung und damit wichtig für den Bestand der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Mit diesem recht absoluten Standpunkt unterschied sich Bielefeld von seinen Vorrednern. In der weiteren Bewertung des Themas fanden sich jedoch viele Gemeinsamkeiten. Auch Bielefeld beschrieb wie Burkhardt einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt mit sinkenden Mieten und ersten Leerständen. Auch die europäische Eigentumsstatistik sah er wie Rips als wenig erhellend an. Viele Faktoren seien hier ausgeblendet und die unterschiedlichen Verhältnisse der EU Länder taugten wenig zum Vergleich. Erstaunlich, auch Bielefeld brach eine Lanze für bestehende Bauten. Neubau schaffe zwar Wohnraum aber auch Leerstände. Dies sei volkswirtschaftlich nicht zu verantworten und Eigentum solle deshalb aus der Privatisierung bestehender Wohnflächen geschaffen werden, vor allem der kommunalen Unternehmen. Ebenfalls kritische Töne gab es von der Eigentümerseite für die Wohnbauförderung. Niemand dürfe, so Bielefeld, mit ihrer Hilfe in die Eigentumsquote getrieben werden. "Viele haben den Schritt ins Eigentum getan, die ihn besser nicht hätten tun sollen". Und dann endete Bielefeld wie sein Kontrahent vom Mieterbund mit den Worten "Eigentum ja - aber nicht um jeden Preis".
Der Tag der Immobilie war eine bemerkenswerte Veranstaltung. Völlig unterschiedliche Interessensverbände äußerten sich zu einem Thema, das jeweils deren Kernstandpunkte betraf. Wer dogmatische Standpunktgefechte erwartet hatte wurde angenehm überrascht. 170 Experten aus der Branche erlebten Verbandsvertreter, die mit einer großen Dialogbereitschaft auf das Podium gestiegen waren. Ein gutes Vorbild für die vielen anwesenden Studierenden, die nach dem Studium einmal in die Fußstapfen der anwesenden Profis treten werden.