Wie geht es weiter nach der Feldzerstörung?

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Genfeld 2006

Genfeld 2006

- Genversuch der HfWU und die Freiheit der Forschung und Lehre -
NÜRTINGEN. (pm) Am Pfingstmontag wurde wieder einmal das Feld zerstört, auf dem die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) Forschungsversuche mit gentechnisch veränderten Maispflanzen durchführt. Die Versuche auf dem hochschuleigenen Lehr- und Versuchsbetrieb in Tachenhausen werden weitergehen. Gleichzeitig will die Hochschulleitung nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Als vor über zehn Jahren die erste Aussaat mit damals gentechnisch veränderten Zuckerüben begann, war auch für die Verantwortlichen an der Hochschule klar, dass sie mit diesem Projekt nicht nur Beifall ernten. Seither mangelt es nicht an Vorwürfen, die über den Projektleiter Prof. Dr. Andreas Schier und die Hochschule insgesamt herunterprasseln. Von „Weltfremdheit“ war die Rede, „verantwortungslos“ lautete ein Vorwurf, „Handlanger der Genmafia“ war ebenso zu hören. Die „grüne“ Gentechnik ist generell ein Thema, das auch emotional besetzt ist. Es geht um Lebensmittel, es geht um den Umgang mit der natürlichen Umwelt. Die Frage ist nur, darf sich deshalb eine Hochschule nicht mit einer neuen Technologie befassen? Rektor Professor Klaus Fischer erhofft sich mehr Verständnis in der Öffentlichkeit für die Arbeit der Hochschule.
Erst unlängst wurden Dr. Schier „Menschenversuche“ vorgeworfen. Für Fischer hat „die öffentliche Diskussion jede Sachlichkeit verloren und hat ein Stadium erreicht, das an den Grundprinzipen dessen rüttelt, was die Aufgabe einer Hochschule ist“. Nicht selten wurde vom Nürtinger Rektor und bereits von dessen Vorgänger verlangt, die Gentechnikprojekte an der Hochschule zu stoppen. Ein Forschungsprojekt zu verbieten, das korrekt beantragt wurde, für das die entsprechenden Fördergelder zur Verfügung stehen und das von allen staatlichen Stellen genehmigt ist? Soll ein Hochschulrektor wider besseres Wissen und Gewissen gegen den ehernen Grundsatz des Gebotes der Freiheit der Lehre und der Forschung verstoßen? Ist es dies, was die Gegner der Nürtinger Projekte wollen? Es gibt keine rechtliche Grundlage, die dies erlaubt. Im Gegenteil: Die Leitung der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt ist dazu verpflichtet, für die Grundlagen und die Infrastruktur zur die Forschung an der Hochschule zu sorgen.
Landauf landab wird die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt für ihre Qualität in der praxisbezogenen Lehre gelobt. Auch und gerade im Studiengang Agrarwirtschaft. Die Pflanzenbiotechnolgie ist nur ein Fach von vielen, das hier den Studierenden vermittelt wird. Das Fach ist ein fester Bestandteil des Studienganges Agrarwirtschaft. Soll dies den Nürtinger Studierenden vorenthalten werden? Studierenden, die als Absolventen und Praktikanten in vielen Ländern dieser Erde arbeiten, wo auch diese Technologie angewandt wird? Die Diskussion um den Sinn und Unsinn der Gentechnik kann sich endlos fortsetzen. Nicht dagegen die Frage danach, wie sich eine staatliche Hochschule zum Grundsatz der Freiheit der Forschung und Lehre stellt.
Forschung an den Fachhochschulen und auch an den Universitäten ist ohne Gelder aus der Wirtschaft und Industrie heute unmöglich geworden. Das gilt für alle Bereiche: Technik, Naturwissenschaften, Medizin. Umso mehr sieht sich Rektor Fischer in Pflicht, im Sinne des Prinzips der Freiheit der Forschung zu handeln. „Es kann nur im Interesse der Verbraucher sein, dass diese Versuche von einer staatlichen Einrichtung wie der unsrigen durchgeführt werden“, macht Professor Fischer klar. Die Gegner der Gentechnik in der Landwirtschaft zitieren in ihren Argumentation immer wieder Studien, die zu gentechnischen Fragen angefertigt wurden. Diese Studien wurden zum größten Teil an Hochschulen erarbeitet. Wo denn sonst? Das Projekt an der HfWU leistet einen Nutzen zur Versachlichung der Diskussion.
Die Hochschule betreibt kein Genlabor, in dem gentechnikfanatische Professoren unkontrolliert auf Geheiß der Industrie vor sich hin forschen. Es werden in Tachenhausen neue Maissorten getestet, die im Agrarsektor als technische Innovation gelten. Allerdings muss jede neue Pflanzensorte nach entsprechenden Tests vom Bundessortenamt genehmigt werden. Diese Tests führt die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in enger Zusammenarbeit mit dem Bundessortenamt durch. Auf diese Sortenprüfungen haben alle Züchter einen Rechtsanspruch. Das Ziel des ersten Zuckerrübenversuches war es zu testen, ob tatsächlich mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben weniger Pflanzenschutz, also Spritzmittel, für den Anbau notwendig ist. Eine weitere Frage war, ob mit Hilfe der Gentechnik die Mulchsaat verbessert werden kann. Sie gilt als ein Mittel zur Bekämpfung der Bodenerosion. Bei den neuen Maissorten wird unter anderem getestet, ob durch die Schädlingsresistenz weniger Mykotoxine, also krebserregende Stoffe, entstehen. Die Ergebnisse der Versuche der letzten zehn Jahre sind dokumentiert und veröffentlicht. Die Fragestellung für alle gentechnischen Projekte ist dieselbe: „Halten die neuen Sorten, was sie versprechen“? Die Antwort „ja“ oder „nein“ kann nur die Wissenschaft geben. Dass Professor Dr. Schier als der Leiter der Projekte diese Antworten streng wissenschaftlich sucht, sollten ihm auch seine Gegner zugestehen.
In den nächsten Wochen wird Dr. Schier in einem Pressegespräch detailliert über die Ergebnisse der zehnjährigen Forschungsarbeit Auskunft geben.
Nürtingen, 20.06.2006