Weinbau mit Bäumen

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Die drei Personen vor Weinbergbild

Susanne Röhl, Jakob Hörl und Prof. Dr. Markus Frank (r.) stellten das Forschungsprojekt Vitiforst vor. (Foto: HfWU)

Ein Abend zum Thema Vitiforst an der VHS Nürtingen, unterstützt von der Hochschule

NÜRTINGEN (hfwu). Der Klimawandel stellt auch den Weinbau vor große Herausforderungen. „Vitiforst“ ist ein Ansatz, darauf zu reagieren. Dabei werden Bäume und Sträucher in die Weinberge integriert. Eine Veranstaltung im Programm der VHS Nürtingen mit Unterstützung der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) stellte den aktuellen Stand eines Vitiforst-Forschungsprojekts vor. Vom beteiligten Weingut Singer-Bader gab es Weine zur Verkostung.

Um weinbau-technische und ökonomischen Fragen geht es bei Vitiforst – von der Beschattung und der Wasserversorgung, über Nährstoffe, Rebenabstand und Ertrag. Eine Frage kommt von Winzern wie von Weinkäufern aber oft zuerst:  Hat der Vitiforst-Anbau eine Auswirkung auf den Geschmack des Weins? „Nein“, so die klare und wissenschaftlich begründete Antwort von Jakob Hörl von der Koordinationsstelle Agroforstsystem-Forschung an der Uni Hohenheim. Er stellte das vom Land geförderte Forschungsprojekt „Vitiforst – Gehölze im Weinbau zur Steigerung von Klimaschutz und Biodiversität“ im Gok’schen Keller vor. Kaum ein Ort in Nürtingen hätte besser dafür gepasst. Der historische Gewölbekeller des Hölderlinhauses, heute VHS-Domizil, diente Hölderlins Stiefvater Johann Christoph Gok, der Bürgermeister und Weinhändler war, als Weinlager.

Vitiforst ist eine besondere Form der Agroforstwirtschaft, erläuterte Hörl. Diese Landnutzungsform kombiniert Pflanzen- und/oder Tierhaltung mit Bäumen oder Sträuchern auf derselben Fläche, um von den daraus resultierenden ökologischen und ökonomischen Wechselwirkungen zu profitieren. Weinreben (Vitis vinifera) mit Bäumen und Sträuchern im Weinbau zu kombinieren sei keineswegs neu, so der Forstwissenschaftler. Bereits die Römer nutzen die Vorteile des Anbausystems, das über die Jahrhunderte vor allem in Italien und Frankreich praktiziert wurde und wird. Der Nutzen von Vitiforst zeige sich in einem verbesserten Mikroklima und der Landschaftskühlung, so Hörl. Bäume und Sträucher bieten Erosionsschutz, Lebensraum für Vögel und Insekten, reichern den Boden mit organischem Material an, dienen als Mineralstoff- und Wasserpumpe, verbessern die Wasseraufnahme und mindern die Sonneneinstrahlung.

Das Konzept stoße durchaus auf Interesse bei den Winzern und die praktische Umsetzung werde gerade im Südwesten an etlichen Orten erprobt. Die aktuelle Situation im Weinbau sei geprägt von Klima- und Strukturwandel sowie dem Verlust der Artenvielfalt. Ökoweinbau spielt bislang kaum eine Rolle. „Vitiforst kann vor diesem Hintergrund ein Baustein sein, den Weinbau ökologischer zu machen“, ist Hörl überzeugt. Für Winzer sieht der Agroforstexperte die Chance ein Alleinstellungsmerkmal zu kultivieren, das sich auch wirtschaftlich auszahlen kann. Über die ökologischen Vorteile für den Weinbau seien zudem Alternativ-Nutzungen im Weinberg vorstellbar und würden mancherorts schon praktiziert. Etwa der Anbau von Nüssen, Pfirsichen, Mandeln, Feigen oder Pistazien.

Mitstreiter im Vitiforst-Forschungsprojekt sind neben der Uni Hohenheim und der Uni Freiburg auch die HfWU. An der Hochschule in Nürtingen wird das Projekt von Dr. Markus Frank betreut. „Die Landwirtschaft ist auch Teil des Problems. Wir wollen uns aber vor allem fragen, wie sie Teil der Lösung werden kann“, so der Professor für Pflanzengesundheitsmanagement an der HfWU. An der Hochschule ist das Forschungsprojekt eingebunden im Master-Studiengang Nachhaltige Agrar- und Ernährungswirtschaft. Ein Vitiforst-Forschungsschwerpunkt liegt hier auf den Aspekten Artenvielfalt und Klimaschutz. Projektmitarbeiterin Susanne Röhl erläuterte im Dialog mit Markus Frank den Stand der Forschung an der HfWU. Konkret untersucht wird unter anderem der Bestand von Insekten. Projektflächen stellt dafür das Weingut Singer und Bader zur Verfügung. Im Anschluss an die Vorträge gab es vom Remstaler Bioweingut für die Besucher des vollbesetzten Gok’schen Kellers Sekt und Wein zur Verkostung.