Segen oder Fluch der Globalisierung?

Veröffentlicht am

Segen oder Fluch der Globalisierung?
- 3. Finanzforum an der Fachhochschule Nürtingen -
NÜRTINGEN. (üke) Die Globalisierung ist mehr als nur ein Modewort. Was heute im Bereich der Finanzwelt, der Wirtschaft und der Technologie geschieht, entscheidet über die Menschheit. Darüber, ob wir in Zukunft im Krieg oder in Frie-den leben. Diese Feststellung gab Studiengang-leiter Professor Dr. Kurt M. Maier seinen Gast-rednern auf den Weg, als er am Freitag das Fi-nanzforum an der Fachhochschule Nürtingen eröffnete.

Schon diese Einleitung zeigt, dass die Globalisierung ein Prozess ist, der alle Bereiche der Gesellschaften umfasst. Und diese vielen Facetten zu zeigen, war das Ziel des Finanzforums, das zum dritten Mal gemeinsam mit der DEKA-Bank veranstaltet wurde. Hauptsächlich Studie-rende des Studienganges Internationales Finanzmanage-ment waren zu Gast, denen Dr. Maier einen Blick über den Tellerrand hinaus gewähren wollte. Die Globalisie-rung lässt sich nicht nur auf die entfesselten internationa-len Finanzströme reduzieren. Bei seine Studierenden wollte Maier daher ein Bewusstsein für verantwortliches Handeln wecken. "Es geht nicht nur um mathematische Formeln, sondern auch um 814 Millionen Menschen, die vom Hunger bedroht sind. Die Referenten näherten sich dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Es ging um die Finanzmärkte, die Menschen, die Folgen für die Umwelt und die grundsätzlichen Risiken.
Zwar profitieren die Finanzmärkte in erster Linie von der Globalisierung, sie sind aber auch in erster Linie ver-wundbar. Professor Dr. Michael Hüther, der Chefvolks-wirt der Frankfurter DEKA Bank, sieht in dem weltwei-ten Szenario in erster Linie die Chance, global leichter zu agieren und zusätzliche Marktchancen zu nutzen. Die Unternehmen auf den globalen Märkten bewegten sich auf Märkten die transparenter sind, die schlichtweg grö-ßer seien und auf denen sich zeitlich und unbegrenzt Ge-schäfte machen lassen. Die Kehrseite sei allerdings, dass sich die Produkte immer mehr ähnelten und Unterschiede nur noch über den Preis feststellbar seien. Die Wirt-schaftsunternehmen geraten so unter enormen Druck: Immer schneller werden die Zyklen, die Kosten für die Entwicklung steigen und die Zeitspanne, in der sich mit diesen mit hohen Kosten entwickelten Produkten Geld verdienen lässt wird immer kürzer. Die Finanzwirtschaft ist davon nicht weniger betroffen. Mit dieser Schnellle-bigkeit lassen sich immer schwerer Prognosen abgeben. Die Erwartungen in die Entwicklung der Märkte beruhen auf Fiktionen und die Halbjahresberichte, die die Fi-nanzmärkte fordern, werfen strategische Planungen für die Unternehmen oft über den Haufen. Trotzdem über-wiegen für den Bankmanager die Vorteile. Die Wachs-tumsmöglichkeiten und die hohe Effizienz der Märkte machten die Nachteile wett.
Es war diese Sicht der Dinge, die als Grundlage der wei-teren Referate und auch in der späteren Diskussion für Zustimmung und Verstimmung gleichermaßen sorgte. Frau Elisabeth Paskuy, Dozentin an der Fachhochschule Bremen und Referentin der globalisierungskritischen Bewegung ATTAC, sieht in den ungezügelten Investiti-onsströmen der Finanzwirtschaft große Gefahren. Die Banken und Finanzfirmen haben aus ihrer Sicht Kopf und Kragen riskiert. Die Asienkrise hätte allein in Indo-nesien dafür gesorgt, dass die Gehälter um 40% ge-schrumpft seien. Die japanischen Banken litten noch heu-te unter den Folgen. Die geplatzten Spekulationsblasen in Deutschland sorgten dafür, dass sich auch hier zu Lande die Banken in einer Schieflage befinden. Die Folge sei, dass für den Mittelstand kaum noch Kredite verfügbar seien. Statt auf das freie Spiel der Kräfte zu vertrauen fordert Frau Paskuy Regeln, um die Marktwirtschaft vor dem Kapitalismus zu schützen.
Den globalisierten Mitarbeiter gibt es noch nicht. Wenn es um die Menschen geht, stößt die Globalisierung an Grenzen. Peter Berg, der bei DaimlerChrysler Services das internationale Personalwesen leitet, betreut Mitarbei-ter in über 100 Ländern. Und dort ist der Anteil der inter-nationalen Mitarbeiter relativ niedrig. 90 % der Mitarbei-ter vor Ort stammen aus dem jeweiligen Land. Auch wenn sein Unternehmen ein globalisiertes Unternehmen ist, achtet er darauf, dass vor Ort die lokale Kultur in den Niederlassungen erhalten bleibt. Berg gab dies auch im Schlusswort den Studierenden auf den Weg: Globalisie-rung hin oder her: Das wichtigste sei die Qualifikation, dass die Arbeit Spaß mache und man sich im Unterneh-men wohlfühle.
Der eigentliche Verlierer der Globalisierung ist auf den ersten Blick die Umwelt. Ministerialdirigent Dr. Albrecht Rittmann, Abteilungsleiter beim Umweltministerium in Stuttgart, sieht lokale Bemühungen um eine bessere Umwelt vor allem in ihrer Vorbildfunktion. Einzelne Staaten könnten in der globalisierten Welt wenig für die Umwelt tun. Auch er forderte einen Ordnungsrahmen, Regeln, die derzeit weder von den Vereinten Nationen noch von den Handelsorganisationen aufgestellt werden. Hüther dagegen sieht durchaus Chancen für die Umwelt. Auch wenn die Nachhaltigkeitsdiskussion 10 Jahre nach der Rio-Konferenz derzeit wenig Resonanz finde, dies liege vor allem an den USA; könne die Ökologie gewin-nen, wenn man ökonomische Anreize setze. Die Rolle der Wirtschaft, das wurde deutlich, kann auch für eine gerechtere Welt wirken. So haben deutsche Firmen oft nicht nur ihre Produktionsstandorte in andere Länder exportiert, sondern oft auch ihre Umwelt- und Sozial-standards, so Peter Berg.
Segen oder Fluch? Die Antwort blieb die Veranstaltung auch nach einer langen Diskussion schuldig. Das war aber auch kaum zu erwarten, zu weit lagen die Meinun-gen der Referenten zum Teil auseinander. Aber auch da-mit konnten die Besucher und die Diskussionsleiterin Professor Dr. Margot Körber-Weik gut leben. So war das Schlusswort von Dekan Professor Dr. Konrad Scorl durchaus passend, als er Churchill zitierte: " Wenn zwei einer Meinung sind, ist einer überflüssig".