"Schließen Sie Frieden mit dem Girsch!“

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Foto (HfWU/üke): Nicht nur zurück zur Natur fordert Dr. Markus Strauß: Zurück in den Wald lautet seine Devise.

Dr. Markus Strauß informiert über Wildpflanzen

NÜRTINGEN (hfwu). Ein Plädoyer für Waldpflanzen und ein neues Bewusstsein für Qualität beim Essen sind die Botschaften von Dr. Markus Strauß. Der Dozent an der Weiterbildungsakademie der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt informierte über die Waldpflanzen als Heil- und Nahrungsmittel. Die Buchhandlung Zimmermann hatte den Abend gemeinsam mit dem Förderverein der Hochschule, dem HfWU-Hochschulbund, veranstaltet.

Strauß geht weit zurück in die Menschheitsgeschichte, um zu begründen, weshalb Wildpflanzen bis heute in der Ernährung eine größere Rolle spielen sollten. Seit 2,7 Millionen Jahren kümmert sich die Menschheit um ihre Ernährung. Das Sammeln spielte dabei bei der Nahrungssuche eine wichtigere Rolle als das Jagen: „Sammeln ist eine sichere Bank. Tiere können wegrennen, Pflanzen nicht“. Der Vegetarier Strauß hat nichts gegen Fleischverzehr, er sieht aber die pflanzliche Variante als die nachhaltigere Lösung. Das Sammeln von essbaren Pflanzen habe in der Menschheitsgeschichte an Bedeutung verloren. Jäger und Sammler seien zunächst Bauern, später Arbeiter und heute Angestellte geworden. In dieser verkürzten Formel fasst Strauß den Weg unserer Gesellschaften aus dem Neolithikum über die Industrialisierung bis zur heutigen digitalen Welt zusammen.

Entsprechend hat sich die Naturlandschaft in eine Kulturlandschaft verwandelt. Natürliche Lebensmittel haben sich über landwirtschaftlich produzierte zu gefertigten Nahrungsmitteln entwickelt: Fast und Convenience Food. Für Strauß stellt sich so die Frage, inwieweit sich die Menschheit selbst noch artgerecht ernährt. Die Gegentrends von vegan, über vegetarisch zu low-carb oder superfood seien in sich widersprüchlich. Strauß selbst sieht sich dagegen undogmatisch: „Es geht um Qualität, auch beim Fleisch. So wie wir essen, sieht die Welt aus und sieht unsere Umwelt aus“. Für Strauß besteht die Lösung darin, aus allen Epochen das Beste herauszuholen und daraus eine neue Esskultur zu entwickeln. „Wir haben den Kontakt zur Natur verloren, wir sollten uns ihr wieder annähern“. Als natürliches Biotop dient ihm der Wald: ein Tag im Wald genüge, um das Immunsystem um fast die Hälfte zu stärken.

Strauß sieht die Zeit für die von ihm geforderte Rückbesinnung gekommen. Nach der digitalen stehe nun die Naturrevolution vor der Tür. Strauß, der in den letzten vier Jahren über die Weiterbildungsakademie an der HfWU in 25 Kursen Fachberater für die Selbstversorgung mit Wildpflanzen ausgebildet hat, weiß wovon er spricht: Waldpflanzen enthielten das fünf bis Zehnfache an Nährstoffen wie Bioware. Denn Vergleich mit modernem „Superfood“ brauchen sie nicht zu scheuen. Als Beispiel dient ihm der Girsch. Die Grünpflanze, die in vielen Gärten als Unkraut verpönt ist, ist seit Menschengedenken wirksam gegen Rheuma und Gicht. Strauß bezeichnet ihn als das „Gemüse des 21. Jahrhunderts“. „Wovon wir uns 2,7 Millionen Jahre lang ernährt haben“, so Strauß, „kann nicht falsch ein“. Strauß fordert die Reintegration der essbaren Wildpflanzen in die heutige Alltagskultur. Und für den Girsch wünscht er sich: „Schließen Sie Frieden mit dieser Pflanze“!

Gerhard Schmücker
Nürtingen, 12.04.2017