Kongress zum Immobilienmarketing

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Bildtext: Iris Beuerle vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen referierte über Marketing als Erfolgsfaktor.

Emotionen statt Grundriss


Geislingen (AB) Dass Immobilienthemen unterhaltsam sein können, haben die Teilnehmer des 9. Immobilienkongresses in der Geislinger Jahnhalle erlebt. Die fünf Referenten zündeten unter dem Titel „Zukunftsweisende Strategien und Konzepte des Immobilienmarketings“ ein Feuerwerk der Vermarktungsideen, das von Prof. Dr. Stephan Kippes, Deutschlands einzigem Professor für Immobilienmarketing, inhaltlich konzipiert worden war. Der Gewinner des Immobilienmarketingpreises 2006 für Wohnungsimmobilien aus Leipzig zeigte den Teilnehmern, was Erfolg bringt.

Dank der Referenten aus der Immobilienpraxis war der 9. Immobilienkongress des Studiengangs Immobilienwirtschaft der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Geislingen eine kurzweilige und informative Veranstaltung für die knapp 200 Teilnehmer. Dabei zeigte ein Mathematiker wie Marketing funktioniert. Siegfried Gallitschke, Vertriebsleiter der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (lwb), machte deutlich wie man als Unternehmen zum Stadtgespräch wird und seinen Bekanntheitsgrad innerhalb von sieben Jahren von 63 Prozent auf 98 Prozent steigert: Wie das in Leipzig aussieht, konnten die Kongressteilnehmer auf Plakaten mit knackigen Sprüchen und auffallenden Bildern erkennen. Dafür gab es den Immobilienmarketingpreis 2006. Für Aufsehen und schlaflose Nächte bei Gallitschke sorgte die Werbekampagne „Gegen Mangel im Alter“ im Mai dieses Jahres. Mit Angeboten an Rentner in westdeutschen Städten sollten diese zum „Rübermachen nach Leipzig“ animiert werden. Von 700 Interessenten wurden am 19. Juli mit zwei Bussen 100 Rentner nach Leipzig gebracht. Die 97 Journalisten, die weltweit darüber berichteten, waren von alleine gekommen. Der damit verbundene Werbewert von mindestens 1,8 Millionen Euro konnte laut Gallitschke mit einem weitaus geringeren Kostenaufwand erzielt werden. Dank dieser Aufmerksamkeit ist die lwb in Leipzig eine Marke geworden, an der bei der Wohnungssuche keiner mehr vorbeikommt. Für Gallitschke steht das Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens im Vordergrund – und Marketing muss auch mal provozieren. Für den Moderator Professor Dr. Stephan Kippes von der HfWU ein brillantes Beispiel wie es funktionieren kann, nur seien solche Ansätze noch zu wenig verbreitet.

In der Immobilienbranche, in der in Deutschland sieben Billionen Euro schlummern, macht die technische Entwicklung im Marketing einiges möglich. Christoph Lintl aus München bringt mit seiner Rakete GmbH Bauten und Projekte mittels Visualisierungstechniken ins rechte Licht, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem auf der Baustelle noch die Bagger stehen. Die Besonderheiten in der Immobilienbranche machen sehr frühe Marketingaktivitäten nötig. „Sie können in unserer Branche keine Bedürfnisse wecken, sondern nur Aufmerksamkeit erzeugen.“ Mit emotionalen Bildern und individuellen Kundenangeboten versucht er dies mit seiner Agentur zu erreichen. An Beispielen aus Berlin und zur Fußball-WM 2010 in Südafrika machte er deutlich, wie Grundrisse erlebbar werden.

In die ähnliche Richtung argumentierte auch Axel Sikora von Jones Lang LaSalle, der in Frankfurt für Büro-Immobilien verantwortlich ist: „Sie dürfen nicht die Immobilie in den Mittelpunkt setzen, sondern den Nutzen.“ Das ist bei einem standortgebundenen Produkt mit einem hohen Investitionsbedarf und einer langen Produktbindung aber eine besondere Herausforderung. Daher ist eine Marketingstrategie in Abhängigkeit des Objekts über die gesamte Haltedauer unabdingbar. Fragen nach der Nachhaltigkeit einer Immobilie dürften dabei keinesfalls ideologisch betrachtet werden, „das ist eine eindeutig kostengetriebene Diskussion“, die momentan erst am Anfang stünde. Der Kontakt zum Kunden sei immens wichtig, weshalb den Hausmeistern und „Facility Managern“ eine unheimlich bedeutsame Rolle zukomme, „denn die kleinen Dinge machen den Alltag leichter“.

Mieter einbinden

Dass kleine Dinge unter anderem Service bedeuten, zeigte Iris Beuerle vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (vnw). Der Verband vertritt in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern 311 Wohnungsgenossenschaften und hat damit rund 700.000 Wohnungen im Bestand. Marketing komme in der Branche aber nur langsam in Bewegung. Am Beispiel des genossenschaftlichen Förderauftrags für die Mitglieder böten sich eine Menge Möglichkeiten, um das Wohnen attraktiv zu machen. Dabei stellte Beuerle den Unterschied zwischen Haus und Zuhause in den Vordergrund. Auf die Kunden müsse individuell zugegangen werden, und sie unterschieden sich nicht nur nach dem Alter. Einen Mehrwert für Mieter bringe die Einbindung zum Beispiel in Nachbarschaftsaktivitäten. „Dieses „Beteiligungspotential lohnt und bringt eine soziale und wirtschaftliche Rendite“, sagte die Absolventin der HfWU. Ihr Appell an die Zuhörer: „Diese Ideen sind vermarktbar und solche Geschichten müssen erzählt werden.“

Jede Menge sehr plastischer Informationen konnte zum Abschluss Andreas Reidl vermitteln. Der Geschäftsführer der Stiftung Dialog der Generationen und der Agentur A.GE hat sich auf Generationen-Marketing spezialisiert. Sein Thema: „Der Zukunftsmarkt  Seniorenimmobilien.“ Dass Alter Trendcharakter aufweise, sei nichts Neues, sagte er. Die Lebenswelten hätten sich verändert und würden sich weiter verändern. Der durchschnittliche Zuschauer der „Sendung mit der Maus“ sei heute 51 Jahre alt, und in Deutschland lebten gegenwärtig 11.000 Menschen, die älter als 100 Jahre seien – Tendenz stark steigend. Zunächst aber „müssen die Bilder des Alters neu definiert werden“. Auch könne nicht von den Senioren allgemein gesprochen werden, man müsse ganz genau hinsehen. Die höchste Konsumquote, weil auch Kaufkraft vorhanden sei, liege in der Gruppe der 64- bis 75-Jährigen, und ein Großteil der über 50-Jährigen suche einen altersgerechten Standort. Die Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft seien deshalb enorm. In vielen Gebäuden fehlten schlicht Aufzüge, um für die Ansprüche der Älteren gerüstet zu sein. Kaum eine Wohnung sei altersgerecht ausgebaut. Und ein häufiges Ausschlusskriterium für das Wohnen im Alter sei der mangelhafte Toilettenzugang. „Der Mensch möchte möglichst lang alleine zur Toilette gehen können“, mahnte Reidl, doch das sei in der vorhandenen Bausubstanz im Alter oft nicht mehr möglich. Er hob deshalb nicht nur auf Marketingaspekte ab, sondern formulierte deutlich die Ansprüche an künftige Seniorenimmobilien. Aufgrund der Altersentwicklung in Deutschland sieht er darunter neben Hotels und Einzelhandel übrigens auch Büros, wenn bis zum 67 Lebensjahr gearbeitet wird. Ganz nebenbei erwähnte er die Arztpraxen, die im Obergeschoss liegen, aber nicht über einen Aufzug zu erreichen sind. Für den Studiengangleiter Prof. Dr. Thomas Kinateder (HfWU) war der Kongress ein Meilenstein im immobilienwirtschaftlichen Marketing, denn vor 15 Jahren habe das einzige Marketing der Branche noch im Aufstellen eines Bauschilds vor einer Baustelle  bestanden.