Kompostverwertung in der Landwirtschaft

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KARLSRUHE (LUFA). Die Gütegemeinschaft Kompost Süd e.V. bearbeitet gemeinsam mit der Staatlichen Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Augustenberg (LUFA), der Universität Hohenheim und der Fachhochschule Nürtingen ein Verbund-Forschungsprojekt zur Verwertung von gütegesicherten Komposten in der Landwirtschaft. Das Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, noch offene Fragen der nachhaltigen Kompostanwendung im Ackerbau zu klären. Mit den Ergebnissen sollen "Regeln der guten fachlichen Praxis" für den Komposteinsatz präzisiert werden. Darüber hinaus ist geplant, eine umfassende betriebwirtschaftliche Bewertung vorzunehmen, die den Nutzen, aber auch die Kosten für den Landwirt konkret benennt. Zudem wird ein Vermarktungskonzept erarbeitet, das die Kompostverwertung in der Landwirtschaft unterstützen soll.

Bei einem Workshop an der Fachhochschule Nürtingen am 30. Novermber haben die Projektbearbeiter vor einem fachkundigen Publikum erste Ergebnisse vorgestellt. Diese und weitere Fragen der Kompostanwendung wurden in einer hochrangig besetzten Podiumsdiskussion einer offenen und kritischen Prüfung unterzogen.
Prof. Dr. Friedel Timmermann (LUFA Augustenberg) erläuterte in der Vormittagsveranstaltung vor 90 Teilnehmern aus Landwirtschaft, Verbänden und Beratungspraxis das Forschungsprojekt: An sechs Standorten in Baden-Württemberg wird der Einsatz von gütegesicherten Komposten im Ackerbau geprüft. Dazu wurden Dauerversuche unter realen Praxisbedingungen angelegt, die durch "Tandem-Teams", das heißt einen Kompostbetrieb in der Region als Anlieferer und einen Landwirt als Verwerter des Kompostes, betrieben werden. Zur Anwendung gelangen vor allem Biokomposte, die durch professionelle Kompostierung von Bioabfällen aus der "Biotonne" der Haushalte und von Pflanzenabfällen aus der Park- und Landschaftspflege gewonnen werden.
Einsparpotenziale
Wissenschaftler der LUFA stellten erste Forschungsergebnisse aus dem Bereich Pflanzenbau und Bodenkunde vor. Dr. Rainer Kluge zeigte beispielhaft, dass mit Gaben von jährlich sieben Tonnen Trockenmasse pro Hektar (t TM/ha) bzw. vergleichbaren 20 t TM/ha alle drei Jahre erhebliche Einsparpotenziale zu erzielen sind. Die damit verbundene Zufuhr von jährlich zwei bis vier t TM/ha Biomasse deckt die notwendige Humusreproduktion des Bodens und kann im günstigen Fall sogar zu einer allmählichen Anhebung des Humusgehaltes beitragen. Die zugeführten Nährstoffmengen bewegen sich bei Stickstoff und Phosphor im Bereich des Pflanzenentzuges und bei Kalium und Magnesium sogar noch darüber. Phosphor und Kalium sind - das belegen die Praxisergebnisse - für die Düngung voll anrechenbar. Das heißt, dass die regelmäßige Grunddüngung dieser Nährstoffe bei Komposteinsatz eingespart werden kann. Gleichzeitig bilden beide Nährstoffe den begrenzenden Faktor der Kompostgabe, um im Sinne der "guten fachlichen Praxis" eine möglichst ausgeglichene Nährstoffbilanz einzuhalten. Anders ist es beim Stickstoff. Dieser wichtige Nährstoff wird nur ganz allmählich durch Mineralisierung der Biomasse (jährlich etwa 5 % der Gesamtzufuhr) düngewirksam. Eine Ergänzungsdüngung ist deshalb trotzdem zwingend notwendig. Mit Kompost werden im Mittel zwei bis vier dt/ha an wirksamem Kalk zugeführt. Bei Kompostanwendung kann also die notwendige Erhaltungskalkung der Böden eingespart werden.
Vorteile für den Pflanzenbau
Langfristig fast noch wichtiger sind die bodenverbessernden Wirkungen von Komposten. Dipl. Geoökologe Rainer Bolduan konnte dazu erste Versuchsaussagen vorstellen. So werden die Agg-regatstabilität der Bodenkrümel und die Lagerungsdichte positiv beeinflusst. Der Boden wird also elastischer, damit besser befahrbar und zudem weniger anfällig gegen die Erosion, besonders wichtig bei hängigen Ackerflächen. Auch der Wasserhaushalt reagiert positiv auf die Kompostanwendung. Eine höhere Wasserbindung verhindert Ertragseinbrüche bei längeren Trockenperioden. Umgekehrt ist die bessere Wasserdurchleitung der Böden bei Regenperioden vorteilhaft: der Boden trocknet schneller ab und ist damit eher wieder befahrbar. Besonders wertvoll sind die positiven Wirkungen von Kompost auf die Bodenbiologie. Der Boden wird nachweislich biologisch aktiver, er "lebt" und setzt die organischen Stoffe schneller um. Das fördert die Nährstoffverfügbarkeit und macht den Boden ingesamt unempfindlicher gegen alle nachteiligen Einwirkungen.
Beide Wirkungen, die Düngungseffekte und die Bodenverbesserung, tragen in der Summe dazu bei, die Erträge zu stabilisieren und in günstigen Fällen sogar das standorttypische Ertragsniveau allmählich anzuheben. Dr. Kluge konnte "dieses herausragende Ergebnis" an einem Beispiel belegen: Mit jährlich sieben t TM/ha Kompost und einer halbierten Stickstoffdüngung wurde das gleiche hohe Ertragsniveau erreicht wie mit optimaler Stickstoffgabe ohne Kompostgabe.
Risikobewertung
Angesichts unbestreitbarer Vorteilswirkungen wurde von den Wissenschaftlern herausgestellt, die möglichen Risiken nicht zu übersehen und stets eine sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile vorzunehmen. Dr. Kluge konnte zeigen, dass bei Einhaltung von pflanzenbaulich sinnvollen Gaben die Risiken gering und kalkulierbar ausfallen. Die Schwermetallfrachten unterschreiten die Grenzwerte der Bioabfallverordnung deutlich, so dass die Bodengehalte mittelfristig kaum ansteigen. Zur Sicherheit sollten Komposte mit geringen Schwermetallanteilen bevorzugt, die optimalen Gaben nicht überschritten und die Bodengehalte im Abstand von 10 bis 15 Jahren kontrolliert werden. Organische Schadstoffe bilden nach regelmäßigen Analysenergebnissen zum Glück kein Problem. Bezüglich der Stickstoff-Mineralisierung haben die Versuche eindeutig gezeigt, dass keine schnelle Anhebung der Nitratgehalte im Boden - und damit Gefahren für das Grundwasser - zu befürchten sind. Restrisiken lassen sich ausschließen, wenn die Nitratgehalte im Boden überwacht und bei der Stickstoffdüngung angerechnet werden. Die Freiheit von Unkrautsamen und die Seuchenhygiene der Biokomposte sind bei ordnungsgemäßer Heißrotte, das zeigen die Untersuchungen, eindeutig gewährleistet.
Kompost gezielt einsetzen
Dr. Kluge zog als Fazit, Komposte im landwirtschaftlichen Pflanzenbau nur dann einzusetzen, wenn Vorteilswirkungen für den Boden zu erwarten sind. Ansonsten ist Kompost kontraproduktiv. Kompostbedarf besteht auf Böden mit zu niedrigen Humusgehalten, niedrigen Nährstoffgehalten und vor allem schlechter Struktur und schlechtem Wasserhaushalt. Vor allem reine Marktfruchtbetriebe mit einer hohen Nährstoffabfuhr können Komposte gut gebrauchen.
Erstmalig soll mit den Daten des Forschungsprojekt eine umfassende betriebswirtschaftliche Bewertung der Kompostanwendung im landwirtschaftlichen Betrieb erarbeitet werden. Prof. Dr. Werner Grosskopf von der Universität Hohenheim stellte dazu eine neuartige Modellkonzeption vor, die alle, für die Landwirte interessanten Bestandteile der Kosten/ Nutzen-Kalkulation berücksichtigt. Prof. Dr. Werner Ziegler von der Fachhochschule Nürtingen wird mit seinem Team ein Marketingkonzept zur Kompostverwertung aufbauen, um damit eine marktgerechte Anwendung zu fördern. Beide Vorhaben versprechen für die nahe Zukunft einen wesentlichen Informationsgewinn.
Diskussion des "Pro und Kontra"
Die Veranstaltung schloß am Nachmittag mit einer zweistündigen Podiumsdiskussion. Maßgebende Vertreter aus Landwirtschaft, Verbänden und Landwirtschaftsverwaltung diskutierten unter der Moderation von Dipl. Ing. agr. Helmut Döhler vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL), Darmstadt, das "Pro und Kontra" der landbaulichen Kompostanwendung in erfrischender Offenheit.
Ministerialrat Dr. Roland Schulz vom Ministerium Ländlicher Raum stellte klar, dass die Landwirtschaft prinzipiell keine außerlandwirtschaftlichen Abfälle braucht. Mineral- und Wirtschaftsdünger und weitere Maßnahmen reichen aus, um die Bodenfruchtbarkeit zu gewährleisten. Trotzdem kann der Einsatz hochwertiger Komposte unter bestimmten betrieblichen Verhältnissen, vor allem aus Gründen der Ressourcenschonung, sinnvoll sein. Voraussetzung ist die Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben zur "guten fachlichen Praxis", damit die Bodenfruchtbarkeit gewährleistet und gefördert wird. Wolfgang Burger vom Referat Abfall am Regierungspräsidium Freiburg unterstrich, dass Kompost "das Natürlichste in der Welt" sei. Wesentlich wäre aber, für möglichst geringe Schadstoffeinträge zu sorgen, um Bodenbelastungen zuverlässig zu vermeiden. Ernst Landes, Vorsitzender der Gütegemeinschaft Kompost Süd, schloß sich dieser Sichtweise an und erläuterte die erfolgreichen Bemühungen, die Grenzwerte der Bioabfallverordnung möglichst weitgehend zu unterschreiten. Zwei Regionalberater der Gütegemeinschaft sorgen dafür, dass Komposte in den Anlagen der Mitglieder professionell hergestellt werden. Das diene letztlich auch dem Landwirt. Hans Götz, stellvertretender Vorsitzender des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg, forderte mehr Sicherheit für die Landwirte, unter anderem auch durch weitere Senkung der Schadstoff-Grenzwerte von Komposten. "Wir Landwirte sind gebrannte Kinder, wenn es darum geht, Belastungen auf unseren Rücken zu packen." Die Kompostverwertung müsse nachvollziehbar gestaltet werden. Dr. Hansjörg Weber, Geschäftsführer des Landesverbandes der Maschinen- und Betriebshilfsringe in Baden-Württemberg, stellte heraus, dass die Maschinenringe eine Direktverwertung von Grünguthäcksel ohne vorherige Kompostierung durch die Landwirte bevorzugen. Das sei eine kostensparende Methode, um Pflanzenabfälle aus der Park- und Landschaftspflege in den natürlichen Kreislauf zurückzuführen. Zudem hilft sie dem Landwirt, durch Zuerwerb Wertschöpfung in der Landwirtschaft zu halten.
Fazit der Diskussion
Die lebhafte Diskussion aller Beiträge im Plenum der Teilnehmer fasste Helmut Döhler zusammen:
· Die Vorteile des Komposteinsatzes in der Landwirtschaft sind unstrittig. Aber es bleiben auch die möglichen Risiken. Deshalb sind Dauerversuche unter Praxisbedingungen eine wichtige Voraussetzung, um "beide Seiten der Medaille" möglichst genau zu erforschen und den Landwirten eine kompetente Beratung zu geben.
· Forderungen nach weiterer Absenkung der Schadstoff-Grenzwerte sind wenig hilfreich. Auch Wirtschaftsdünger,

wie Gülle und Stalldung, wären wegen hoher Kupfer- und Zinkgehalte davon betroffen. Einen besseren Ansatz bietet die freiwillige Gütesicherung, mit der Kompostanlagen und Landwirte gemeinsam an einer Absenkung der realen Schadstoffgehalte arbeiten.
· Mehr Akzeptanz und ein besseres Image lassen sich nur erreichen, wenn Ergebnisse zur Kompostverwertung möglichst transparent in der Fachöffentlichkeit diskutiert und beurteilt werden. Geignete Instrumente dafür sind eine versachlichte Diskussion und eine umfassende Beratung der Landwirte, die alles "Pro und Kontra" vorurteilsfrei mit einbezieht.
· Die Landwirte sehen sich bei der Kompostverwertung vorrangig als Dienstleister. Sie sind deshalb kaum bereit, für den Kompost zu bezahlen, sondern erwarten eher eine Honorierung ihrer Leistungen. Die Kosten-/Nutzenanalyse und das Marketingsprojekt werden zeigen, inwieweit diese gegenwärtige Haltung in der Zukunft noch Bestand haben wird.