Klugheit, Glück, Gerechtigkeit

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NÜRTINGEN (pm) Wer über Naturschutz spricht, braucht als Grundlage ethische Perspektiven. Deshalb ist es notwendig, schlüssige Argumente zu entwickeln, um Aspekte der biologischen Vielfalt gut zu begründen und zu vermitteln. Dieser Aufgabe widmete sich jetzt das „Dialogforum Ethik“ in Stuttgart-Hohenheim. Die Tagung veranstaltete das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Organisiert und inhaltlich vorbereitet wurde sie von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

Nach Hohenheim gekommen waren Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis. Mit der Tagung sollte auch ein Diskurs auf europäischer Ebene angestoßen werden. So stellten neben dem Bundesumweltministerium auch Vertreter aus Österreich und der Schweiz ihre nationalen Strategien zur Erhaltung der Artenvielfalt vor. Im Fokus der zweitägigen Veranstaltung stand die kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Begründungsmustern, auf denen die Biodiversitäts-Strategien im deutschsprachigen Raum fußen.

In internationalen Übereinkommen haben sich alle EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, Strategien und Aktionspläne zu entwerfen, um den Verlust an biologischer Vielfalt zu bremsen. Ein generelles Ziel der deutschen Strategie ist es, alle gesellschaftlichen Kräfte zu mobilisieren. Dafür ist eine überzeugende Kommunikation erforderlich. „Es gilt, die bisher vorwiegend ökologisch-ökonomisch geprägte Naturschutzkommunikation um ihre ethischen Grundlagen zu erweitern. Wir benötigen vor allem anschauliche Gerechtigkeitsargumente, die aufzeigen, was wir im Sinne moralischer Pflichten voneinander verlangen können, um der Naturschutzdebatte zu mehr Geltung zu verhelfen,“ sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel zur Eröffnung der Tagung.

Für die Entwicklung des Naturschutzes ist es von großem Interesse, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es bei den ethischen Argumentationsmustern der verschiedenen Biodiversitäts-Strategien gibt und wie diese weiterentwickelt werden können. Die Koordinationsstelle Wirtschaft und Umwelt (KoWu) der HfWU legte im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz eine umfassende Studie zur Bewertung der deutschen Biodiversitäts-Strategie vor. Die Studie sollte klären, was überhaupt gute Argumente dafür sind, biologische Vielfalt nachhaltig zu schützen und die Vorteile aus der Nutzung der Biodiversität gerecht zu verteilen. Vom KoWu-Team unter Leitung von Prof. Dr. Albrecht Müller stellte Dr. Uta Eser die Ergebnisse der HfWU-Untersuchung vor. Eser zeigte die grundsätzlich möglichen Argumentationslinien einer erfolgreichen Naturschutzdebatte. Der Titel der Studie bringt diese mit den Begriffen Klugheit, Gerechtigkeit und Glück auf den Punkt: „Es ist klug die Artenvielfalt zu schützen, weil dies unseren Interessen nützt; es ist gerecht, weil wir moralisch dazu verpflichtet sind und es ist glücksfördernd, weil es unserem Leben mehr Sinn gibt“. Kritisch sehen die HfWU-Wissenschaftler, dass in der Debatte um die Artenvielfalt oft ausschließlich Interessensargumente im Vordergrund stehen. Wichtig sei bei der Kommunikation der Biodiversitätsproblematik insbesondere auch die anderen Argumentationslinien zu berücksichtigen. Gerechtigkeit etwa sei keine Frage des Lebensstils, sondern moralisch verbindlich, betonte Eser. Zum Abschluss widmete sich die Tagung den Möglichkeiten und Grenzen ökonomischer und ethischer Bewertungen für eine erfolgreiche Biodiversitätspolitik.

Die von der HfWU erstellte Studie ist beim Bundesamt für Naturschutz erhältlich:

Uta Eser/ Ann-Kathrin Neureuther/Albrecht Müller

Klugheit, Glück, Gerechtigkeit

Ethische Argumentationslinien in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt

Landwirtschaftsverlag 2011, 118 Seiten, 14 Euro ISBN  978-3-7843-4007-4