Hochschule / Workshop zum Artenschutz

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Tiere wie das Braune Langohr können nach europäischem Artenschutzrecht Bauvorhaben erheblich verzögern.

Mit Hufeisennase und Haselmaus planen

NÜRTINGEN. (pm) Der siebte Workshop der Koordinationsstelle Umwelt an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen (HfWU) hat sich mit einem hochaktuellen Thema beschäftigt. Erst vor vier Wochen debattierte der deutsche Bundestag über die Integration des europäischen Artenschutzes in das nationale Naturschutzrecht und vor wenigen Tagen hätte die kleine Hufeisennase fast den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden verhindert. Jetzt wurde ihretwegen ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern auf der Brücke gerichtlich festgesetzt.

Die kleine Hufeisennase war das prominente Beispiel im Vortrag von Reinhold Schaal, Kreisökologe im Landratsamt Ravensburg. Er zeigte am Beispiel der Sanierung der Weingartener Basilika, wie Arbeiten an einem denkmalgeschützten Dachstuhl mit dem europäischen Artenschutzrecht vereinbar sein können. Dies sei nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Das Kuppeldach der Basilika war dringend renovierungsbedürftig, beherbergte jedoch neben vielen anderen Fledermäusen auch die berühmt gewordene kleine Hufeisennase. Durch ein mit Fledermausschützern, Genehmigungsbehörden und Bauträgern abgestimmtes Konzept gelang es schließlich das Dach instand zu setzen und gleichzeitig die nächtlichen Gäste nicht zu vertreiben.

Der Jurist Frank Lorho vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg hatte die schwierige Aufgabe den Zuhörern die rechtlichen Grundlagen und vor allem die jüngsten gesetzlichen Änderungen aufzuzeigen. Seit der Europäische Gerichtshof im Januar 2006 die Bundesrepublik wegen der unzureichenden Umsetzung artenschutzrechtlicher Belange verurteilt hat, ist in der Planungspraxis vieles anders. Jetzt können Fledermäuse, Greifvögel und Amphibien zu „Baustoppern“ werden, die zwar meist ein Vorhaben nicht verhindern – aber verzögern können.
Professor Dr. Albrecht Müller erläuterte als Leiter der Koordinationsstelle Umwelt an der HfWU die ethischen Grundlagen des Artenschutzes. Arten wie Feldhamster oder Kammmolch würden zunehmend als Störfaktoren für eine wirtschaftliche Entwicklung gesehen und die guten, ethischen Gründe für den Erhalt der Arten würden häufig zur Seite geschoben.

Die beiden letzten Referenten Dr. Robert Brinkmann und Dr. Ulrich Tränkle zeigten als freiberufliche Landschaftsplaner an vielen Beispielen welche Anforderungen moderne Landschaftsplaner ausgesetzt sind, um Fachplanungen für Baugebiete, Straßenplanungen oder Großvorhaben durchzuführen. Am Beispiel des Fledermausschutzes und der Windkraft zeigte Dr. Robert Brinkmann, dass es heute schon viele technische Möglichkeiten gibt, um zu verhindern, dass Tiere durch die Rotoren zu Schaden kommen. Dr. Ulrich Tränkle erläuterte anhand der Fachplanung zur Landesmesse und am Neubau eines Kohlekraftwerks welche Maßnahmen heute getroffen werden müssen, um den Eingriff für europäisch geschützte Vogelarten auszugleichen.

Das Fazit des Workshops war, dass Bauvorhaben, Gebäudesanierungen und Eingriffe in Natur und Landschaft mit den Anforderungen des europäischen Artenschutzes durchaus vereinbar sein können, also eine wirtschaftlichen Entwicklung auch mit Vogelschutzgebieten und Natura 2000 möglich ist. Dies erfordert jedoch eine angepasste Planung und ein gemeinsames Vorgehen mit den Genehmigungsbehörden. Der Dialog ist dabei unerlässlich.