Genossenschaften und digitale Demokratie

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Vortrag an der Technischen Universität in Istanbul: David Hummel und Prof. Markus Mändle (r.)

- HfWU-Genossenschaftsforscher Professor Markus Mändle und David Hummel stellen Forschungsergebnisse auf internationaler Konferenz in Istanbul vor -

Geislingen. Ursprünglich war das Internet ein reines Abrufmedium für Informationen. Mit der Entwicklung zum "Web 2.0" kann zwischenzeitlich jeder ohne größere Fachkenntnisse Inhalte im Netz publizieren und mit anderen Nutzern in Kontakt treten. Social Media - wie soziale Netz­werke, Blogs oder Wikis - machen aus vormals passiven Nutzern von Information aktive Produ­zenten, die unbegrenzt mit anderen Nutzern kommunizieren. In diesem Zusammenhang verän­dern sich auch die Vorstellungen von Demokratie: Die Menschen erwarten zunehmend, zeitnah und umfassend über Sachverhalte informiert zu werden und möchten sich dabei auch selbst in Diskussions- und Entscheidungsprozesse einbringen. Insbesondere für Genossenschaften, die demokratisch von ihren Mitgliedern getragen werden, stellt diese Entwicklung eine Herausforde­rung dar. Wie könnte die "digitale Demokratie" in Genossenschaften aussehen? Welche Chan­cen, aber auch welche Risiken sind damit verbunden? Mit diesen Fragen setzen sich Professor Dr. Markus Mändle, Leiter des Instituts für Kooperationswesen an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), und David Hummel in einer aktuellen Studie ausein­ander, die sie auf der 22. Jahreskonferenz der European Real Estate Society (ERES) in Istan­bul präsentierten. Die ERES Conference ist neben den Veranstaltungen der American Real Estate Society und der Pacific Rim-Tagung weltweit eine der großen wissenschaftlichen Konfe­renzen der Immobilienwirtschaft. Basis der Studie ist eine von David Hummel im Rahmen seiner Masterarbeit durchgeführte Befragung der Wohnungsgenossenschaften in Baden-Württemberg, die vom Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (vbw) un­terstützt wurde. Sowohl der Vortrag wie auch die Diskussion auf der Konferenz machten klar: Spätestens dann, wenn die junge Generation, die heute schon Social Media selbstverständlich nutzt, zu potentiellen Wohnungsnachfragern und Mitgliedern wird, kommen Genossenschaften am Thema "digitale Demokratie" nicht mehr vorbei. Dabei geht es nicht darum, konventionelle Entscheidungsprozesse einfach zu digitalisieren. Wie Professor Mändle betont, sollte die beste­hende Kultur der Genossenschaftsdemokratie durch die neuen Medien keinesfalls ersetzt, son­dern bei Bedarf gezielt ergänzt und erweitert werden, um die Mitgliederbindung zu stärken: "Digitalisierung ist kein Königsweg und ohne Zweifel auch mit erheblichen Risiken verbunden. Dennoch können wir sie nicht einfach ignorieren. Wer heute schon an übermorgen denkt, ist zukünftig im Vorteil."