Ethik lohnt sich, gerade für Unternehmen - Immobilienkongress sensibilisiert die Branche

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GEISLINGEN/NÜRTINGEN (üke). Ethik, Moral, Integrität - drei Begriffe, die man auf "anständiges Handeln" reduzieren könnte und jedermann wüßte was gemeint ist. Dass es so einfach nicht geht, zeigte der diesjährige Immobilienkongress, den die Fachhochschule Nürtingen in der Geislinger Jahnhalle durchführte. "Die Immobilienwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Ethik und Wirtschaftskriminalität" war das Thema und schnell zeigte sich, dass sich vor allem die Wirtschaft schwer damit tut, was denn unter Moral und ethischem Handeln zu verstehen ist.

Es hat den Anschein, dass es für viele Unternehmen genügt, nicht gegen Gesetze zu verstoßen, um ethisches Verhalten für sich in Anspruch zu nehmen. Jens Friedemann, leitender Redakteur der FAZ, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, zeigte anhand von Beispielen, dass in vielen Leitbildern deutscher Großunternehmen der Satz steht, man verpflichte sich, die Gesetze einzuhalten. Für Friedemann eine Selbstverständlichkeit, mehr nicht. Der Frankfurter Journalist hält überhaupt nichts von abstrakten universellen Regeln, die seiner Meinung nach niemanden verpflichten. Ethikgrundsätze der Wirtschaft spiegelten oft nur hochtrabende Formulierungen eines Moralkodexes wider, der eher nichtssagend als bindend sei. Leider gehört auch die Immobilienwirtschaft zu den Branchen, die sich mit Wirtschaftsethik nur am Rande beschäftigt. Zu Unrecht: Die Branche leidet in der Öffentlichkeit unter einem schlechten Ruf: "Nicht umsonst steht die Immobilienwirtschaft so da, wie sie derzeit aussieht." Dabei ist für Friedemann klar, dass Wirtschaftsethik einen festen Platz in den Unternehmen haben muss. Und zwar möglichst weit oben in den Hierarchien. Wer für ethisches Handeln in de Wirtschaft sorgen will, muss laut Friedemann mit Kompetenzen gegenüber anderen ausgerüstet sein.
Stephan Grüninger, vom Konstanzer Zentrum für Wirtschaftsethik beschrieb, wie ethische Grundsätze in den Unternehmensalltag eingeführt werden können. Der Begriff des "Ethikmanagement" war das geflügelte Wort des Kongresses. Dass dieses zur Chefsache gemacht werden müsse, war auch Grüningers Hauptforderung. Jedoch sage die Aufstellung von Regeln, auch wenn sie von der Chefetage kommen, noch nichts über deren Einhaltung aus. Ethikmanagement sei ein Prozess, der durch das Unternehmen gehen müsse. Der Grund ist einfach: Korruption sei kein Ereignis das einfach entsteht. Auch Korruption ist ein Prozess, der sich langsam entwickelt. Das Gegenmittel könne laut Grüninger nur ein Wertesystem in den Unternehmen sein, das dafür sorgt, dass ethische Werte bei konkreten Entscheidungen eine Rolle spielen. Programme, die nur auf dem Papier stehen, sind diese nicht wert. Es müsse deutlich sein, dass das Wertesystem eines Unternehmens von der Vorstandsebene gewollt ist.
Ethische Maßstäbe lohnen sich dabei durchaus für die Unternehmen. Anhand der bayerischen Bauindustrie konnte dies Dr. Benedikt Rüchardt nachweisen. Arg gebeutelt war diese Branche. Wegen einer Reihe von gesetzlichen Verstößen fanden sich eine Reihe von Unternehmer hinter Gittern wieder. Als Ergebnis hat die Branche mit der Gründung des EthikManagement e.V. reagiert. Der Verein hat ein Werteprogramm entwickelt, dass die Mitglieder auf feste Regeln verpflichtet. Angesehene Experten aus Wissenschaft und Forschung beraten den Verein in seiner Arbeit. Rüchardt betonte, dass das ethische Wirken der bayerischen Bauwirtschaft kein Thema im Elfenbeinturm sei, die Branche gehe das Thema offensiv an. Seit 1997 geht der Baumarkt kontinuierlich zurück. Das Ethikmanagement der Bauwirtschaft sei eine Maßnahme um die Branche am Markt zu positionieren und für mehr Vertrauen zu sorgen. Es gehe nicht um Reklame, sondern um das Ethikmanagement als Marktfaktor. Der Branche sei es damit Ernst. Was als billige Reklame enttarnt wird, verliert seine Wirkung. Dies ist bei ethischem Handeln nicht anders.
Nach einer amerikanischen Studie haben Unternehmen, die ethischen Grundsätzen folgen höhere Umsätze. Schon aus diesem Grund seien Integrität und Reputation zu wettbewerbsrelevanten Faktoren geworden. Dr. Pantaleon Fassbender, Prokurist bei der KPMG Unternehmensberatung, wies anhand von Zahlen nach, dass sich ethisches Geschäftsgebaren lohnt. Mit anderen Worten stieß er dabei n das gleiche Horn wie seine Vorredner. Was zuvor als "Ethikmanagementsystem" bezeichnet worden war, beschrieb Fassbender als "Integritätsstrategie". Sie sei ein zentraler Teil einer leistungsstarken und wertebewussten Unternehmenskultur. Werde dies umgesetzt zeige sich schnell, dass sich ethische und betriebswirtschaftliche Grundsätze nicht wiedersprechen.
In die Niederungen der Steuerhinterziehung und die Höhen der Steuergerechtigkeit begab sich Dieter Ondracek, der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft. Steuerhinterziehung als Volkssport, dieser Eindruck drängte sich unmittelbar auf. Steuerausfälle in Höhe von 150 Milliarden Mark, 15% Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt, Mehrwertsteuerbetrügereien, Nichterklärung der Kapitaleinkünfte: Lässt man Ondraceks Worte auf sich wirken, ist es mit der Ethik der deutschen Steuerzahler nicht gerade gut bestellt. Aber: Ondracek differenziert. Ursache und Wirkung hängen unmittelbar zusammen. Ondracek beschreibt zwar das Symptom einer "kranken Gesellschaft", eine undifferenzierte Bürgerschelte lehnt der Steuergewerkschafter jedoch deutlich ab. Im Steuerwesen regiert das Chaos. Die Steuerbelastung ist ungerecht verteilt. Die Steuerzahler würden bei der hohen Steuerbelastung das Gefühl verlieren, gerecht besteuert zu werden. Eine verfallene Steuerkultur treffe die Steuermoral an der Wurzel. Das steuerliche Chaos widerspricht dem Rechtsbewußtsein der Bürger. Die Politik hilft wenig, die Situation zu ändern. Allein die Regelungen für die geplante Grundrente füllten 14 Seiten. Im Interesse einer besseren Steuermoral fordert Ondracek die Vorbildfunktion der Politik, ein einfacheres Steuerrecht und eine Stärkung der Steuerverwaltung.
Es blieben einige Fragen offen, während des Immobilienkongresses, die auch die anschließende Podiumsdiskussion nicht beantworten konnte. Der Veranstalter, der Leiter des Studienganges Immobilienwirtschaft Prof. Dr. Hansjörg Bach, konnte damit jedoch gut leben. "Wir müssen unsere jungen Studierenden auch mit Leitlinien für das Handeln in der Praxis ausstatten, nicht nur mit Kenntnissen aus Marketing und Recht. Die Frage nach ethischem Handeln drängt sich zwangsläufig auf". Über 100 Gäste aus der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zeigten, das Ethik nicht nur ein Thema für Studierende ist. Auch die Branche braucht wertegeleitete Orientierung.