Die Kunst, die Richtigen zu kennen

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GEISLINGEN (hpn). Jemand kennt einen, der einen kennt, der etwas weiß. So funktioniert in Kurzform ein Netzwerk. Auch die Immobilienbranche macht dabei keine Ausnahme. Hier lag der Schwerpunkt des 29. Tages der Immobilie an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, der mit facettenreichen Einblicken ins Fachgebiet auch sonst reichlich Gesprächsstoff für informelles „networking“ bot.

Schon vor der Veranstaltung hatte das hauseigene Netzwerk des Studiengangs Immobilienwirtschaft an der HfWU ganze Arbeit geleistet. Etwa 160 Gäste aus der Branche und mehr als 100 Studierende verdoppelten die Besucherzahl vom Vorjahr und machten eine Übertragung der Vorträge in den Nebenraum notwendig. „Dieses Jahr ist eine begeisternde Anzahl von Ehemaligen hier“, freute sich Studiengangleiter Prof. Dr. Hansjörg Bach über den Zuspruch der Alumni. Der Immobilientag bringt so Praktiker aus dem Berufsleben und eher theoriegeprägte Studierende zusammen. „Wir leisten einen Abgleich mit der Wirklichkeit für unsere Studierenden“, resümierte Dr. Bach in seiner kurzen Begrüßung.
Diese Wirklichkeit besteht auch für die zukünftigen Absolventen aus der Kunst die richtigen Leute zu kennen. Nick Barr, Deutschland-Vorsitzender der Royal Institution of the Chartered Surveyors (RICS), sieht hier die größten Vorteile seines Verbandes: „Wir sind weltweit tätig und bieten überall schnellen Anschluss“. Die RICS ist mit 113.000 Mitglieder in 120 Ländern und dem Gründungsdatum 1868 eine der größten und ältesten Immobilien-Verbände der Welt. Ein Hauptanliegen des Verbands sind möglichst hohe Standards in der Branche, die durch genaue Auswahl der Mitglieder und Akkreditierung von Studiengängen (wie dem Geislinger Studiengang Immobilienwirtschaft) erreicht werden sollen. „Qualitätsstandards sind aber nur dann gültig, wenn ethische Grundsätze hinzukommen“, erläuterte Rainer Reddehase von der RICS Regionalgruppe Stuttgart. Als „Chartered Surveyor“ sollte man daher einen klaren Verhaltenskodex einhalten und so zur Verbesserung des Images des Berufsstands beitragen. Moderator Volker Hardegen, Professor im Studiengang Immobilienwirtschaft, erinnerte bei dieser Gelegenheit an die langjährige Beschäftigung mit dem Thema Immobilienwirtschaft und Ethik in Geislingen und deutete auch gleich die hohe Bedeutung an: „In den meisten Umfragen über die unbeliebtesten Berufsgruppen stehen Immobilienmakler mit Bankern und Politikern ganz weit oben.“
Sinn und Zweck eines Netzwerks ist vor allem der Wissensaustausch, nicht nur im eigenen Wissensgebiet, sondern auch interdisziplinär, betont Uwe Krey, Vorsitzender von crenet, einer Berufsvereinigung im Bereich des „Corporate Real Estate Management“. Die Mitglieder von crenet befassen sich hauptsächlich mit dem Management von firmeneigenen Immobilien und tauschen ihr Wissen bei zahlreichen Veranstaltungen und Vorträgen aus. Ein plastisches Beispiel lieferte Dr. Matthias Stürmer, Leiter des Chapter Süd von crenet und Chef der Immobilienverwaltung bei E.ON. Zusammen mit seinen Kollegen bei E.ON hat er ein Konzept zum Vergleich der Kosten von Büroimmobilien entwickelt.
Das Netzwerk bietet neben Kontakten auch besseres Wissen über die Marktentwicklung. In diesem Feld ist Harald Simons, Mitglied des Vorstandes der empirica AG, zuhause. Als Demograph erstellt er Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung und die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Seine Botschaft an die Zuhörer: trotz sinkender Bevölkerungszahl ändert sich in den nächsten 30 Jahren auf dem Wohnungsmarkt nichts. Der Grund: die Haushalte werden immer kleiner und das Wohneigentum in Form von Einfamilienhäusern bleibt in den Händen der Alten. Wenn in einer vierköpfigen Familie beide Kinder ausziehen, gründen sie neue Haushalte, das Haus wird aber weiter von den älter werdenden Eltern bewohnt. „Die Jungen kaufen, die Alten geben ihr Haus nicht her“, bilanzierte Simons den für die Immobilienbranche in den nächsten 30 Jahren eher beruhigenden Trend und lieferte Gesprächsstoff für das „networking“ zwischen Gästen, Studierenden und Professoren beim abschließenden Imbiss.
27.04.2005, Hans-Peter Nagel