Die digitale Werbezukunft hat längst begonnen

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Die Veranstalter und Referenten Frau Professor Dr. Iris Ramme, Erwin Staudt, Professor Dr. Wolfgang Pappler, Rektor Prof. Klaus Fischer, Arne Bergmann, Ronniccia Eisenmann und Andreas Waldner.

Die Veranstalter und Referenten Frau Professor Dr. Iris Ramme, Erwin Staudt, Professor Dr. Wolfgang Pappler, Rektor Prof. Klaus Fischer, Arne Bergmann, Ronniccia Eisenmann und Andreas Waldner.

NÜRTINGEN. (hpn) Die Zukunft des Fernsehens ist digital und sie verspricht viel: gestochen scharfe Bildqualität, unbegrenzte Auswahl, echte Interaktivität und vieles mehr. Doch die Zukunft steht nicht nur vor der Tür, sie ist zu einem guten Stück schon hereingekommen. Mit diesem vorgezogenen Statement eröffnete Rektor Professor Klaus Fischer den 2. Product Placement Kongress, den die Hochschule Nürtingen gemeinsam mit dem Nürtinger Unternehmen Andreas Waldner Marketing und Kommunikation veranstaltete.

Die Ausgangslage der Werber im heraufdämmernden digitalen TV-Zeitalter machte Moderatorin Ronniccia Eisenmann gleich zu Beginn klar. Der klassische 30-Sekunden-Spot in der Reklamepause hat ausgedient. Zum weitverbreiteten „wegzappen“ tritt nun, so Walter Berner, Leiter der Abteilung Technik bei der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, ein weiterer „böser Bube“: der sogenannte „Personal Video Recorder“. Mit einfachster Bedienung schneidet er lästige Werbespots aus Filmen und Fernsehshows, um die gewünschte Sendung abspielbereit und werbefrei auf Festplatte zu speichern. Das Gegenmittel ist „Product Placement“. Produkte werden mehr oder wenig unauffällig in das Geschehen eingefügt und verschmelzen so mit der Handlung. Der große Vorteil für das Unternehmen: das dargestellte Image färbt auf die Marke ab.
„Um ein Produkt richtig erfolgreich zu machen, muss es geliebt werden,“ so VfB-Präsident Erwin Staudt, „und das erreicht man nur durch Emotionen.“ Fußballvereine wie der VfB Stuttgart bieten daher für das Platzieren von Produkten in der Öffentlichkeit besondere Möglichkeiten. „Das Produkt des VfB sind die großen Gefühle,“ fasst Staudt die Strahlkraft des Fußballs zusammen. Der Fußball bietet beste Voraussetzungen für die Vermittlung von Werbebotschaften wie Arne Bergmann, Leiter der Werbevermarktung bei Premiere bestätigt. Der Pay-TV-Kanal gilt als Vorreiter der Digitalisierung und kennt seine Kunden genau. „Wir kennen ihren Namen, ihren Geburtstag und ihre Bankverbindung,“ deutet Bergmann augenzwinkernd die Möglichkeiten von zielgruppengerechtem Marketing im digitalen Fernsehen an. In der schönen, neuen Fernsehwelt wird über Spartenkanäle und Sendungen auf Anfrage (video-on-demand) jeder Geschmack bedient – aber auch erfasst und für die Werbung verwendet.
Die technischen Möglichkeiten sind dabei noch lange nicht ausgereizt. Stacy L. Jones, Vizepräsidentin der Agentur Creative Entertainment Services in Los Angeles/Hollywood berichtete in ihrem Überblick über „Product Placement“ in den USA von ganz neuen Trends. Neben dem immer noch sehr bedeutenden Fernsehmarkt bietet vor allem der Videospiel-Sektor enorme Zuwachsraten für die Einführung von Marken, denn nirgendwo sonst sind die Kunden so jung, konzentriert und verbringen soviel Zeit vor dem Bildschirm. Vor allem gehe die klassische Werbung in den USA bereits zurück. Für das Product Placement ergeben sich dadurch große Wachstumschancen, so Jones. Die neueste Technologie ermöglicht es inzwischen, in allen digitalen Medien Produkte virtuell auszutauschen. Nach diesem „Virtual Product Placement“ könnte James Bond im selben Film einen BMW, Mercedes, Ford oder Mazda fahren, ganz nach Weltregion und Zielgruppe. Probleme gibt es dabei nicht nur im rechtlichen Bereich, sondern auch in Fragen der Glaubwürdigkeit: Was fährt James Bond nun eigentlich? Und was bringt so offensichtliches Product Placement noch? Der Inhaber der Wiener Agentur Product Placement International, Prof. Ing. Wolfgang H. Pappler hat eine deutliche Antwort: „Aufdringliches Zurschaustellen von Produkten bringt nichts und ist kontraproduktiv.“ Richtig gemachtes, sprich unauffällig und passendes Product Placement dagegen habe eine enorme Wirkung und bringe mittel- und langfristig fast immer den gewünschten Erfolg. In der vielfältigen digitalen Welt muss eine Agentur daher verschiedene, kundenbezogene Wege finden um das Produkt wirksam ins Bild zu setzen. Unterstützung bekommt er von Wolfgang Schürmann, Business Development Manager Marketing des Satellitenbetreibers Astra, der in der rapide voranschreitenden Digitalisierung zahllose neue Möglichkeiten sieht, die werbewirksam genutzt werden können. Satellitenbetreiber bieten schon jetzt eine große Anzahl von Diensten (Spartenkanäle, elektronische Programmplaner, Web-TV etc.) an, die neben ihrer Bedrohung für die klassische Werbung auch ungeheure Chancen bieten, um den Kunden noch zielgerechter anzusprechen.
Wunsch und Ziel aller Werber ist aber die Verwirklichung eines langgehegten Traums, der Interaktivität von Fernsehen. „Digitale Technologie bringt hier deutliche Fortschritte“, wie Annett Reimers, die geschäftsführende Gesellschafterin der Ancari Teleshopping GmbH aus Bonn verdeutlichte. Der Zuschauer soll mit dem Fernseher interagieren, über das Programm nach seinen Wünschen bestimmen, Informationen einholen und – im besten Fall – direkt mit der Fernbedienung das gesehene Produkt bestellen können. Zwar ist echte Interaktivität noch immer Mangelware, doch die Zukunft des interaktiven Product Placements sieht rosig aus. Eine Einschätzung der sich Dr. Iris Ramme, Professorin für Marketing und Marktforschung an der Hochschule Nürtingen in genereller Weise nur anschließen konnte: „Unternehmen sehen eine steigende Bedeutung des Product Placements.“ Dies ist auch das Ergebnis des neuesten Product Placement Monitors. Diese Studie von Iris Ramme und Andreas Waldner wurde während des Kongresses vorgestellt.
Digitales Fernsehen also eine schöne, neue Welt für Werber und Kunden? Die Möglichkeiten für Product Placement scheinen unbegrenzt. Lediglich der stets mitschwingende Verdacht eines schleichenden Ausverkaufs von Fernsehsendungen trübt das sonst so glänzende Bild. Immerhin, es gibt Hoffnung, denn am Ende hat der Kunde das letzte Wort, bilanzierte Andreas Waldner, Mitorganisator und Lehrbeauftragter der Hochschule Nürtingen: „Zuviel Product Placement schreckt die Kunden ab, schädigt das Unternehmen und führt zur Reduzierung von Werbung. Am Ende reguliert sich der Kreis von selbst.
Hanns-Peter Nagel, Nürtingen, 19.11.2004